Menschenrechte
Matic-Bericht: Lebensrechtler besorgt – EKD schweigt
25.06.2021
Brüssel (IDEA) – Mehrere Lebensrechtsorganisationen haben mit Besorgnis und Entsetzen auf die Annahme des sogenannten Matic-Berichts durch das Europaparlament in Brüssel reagiert. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hingegen äußerte sich nicht. Die Resolution war am 24. Juni mit deutlicher Mehrheit angenommen worden.
In dem Papier des kroatischen Sozialisten Predrag Matic wird unter anderem gefordert, Abtreibung zum Menschenrecht zu erklären. Der Zugang zu Abtreibungen dürfe nicht beeinträchtigt werden. Die „Verweigerung der Betreuung eines Schwangerschaftsabbruchs“ sei eine „Form von geschlechtsspezifischer Gewalt“.
Einzelne Ärzte könnten sich zwar aus persönlichen Gründen auf eine Gewissensklausel berufen, das dürfe aber nicht das Recht eines Patienten auf einen vollständigen Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen beeinträchtigen. Zwei alternative Anträge der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) und der Europäischen Volkspartei (EVP) hatten zuvor keine Mehrheit gefunden.
Katholiken und Orthodoxe dagegen
Eine Sprecherin der EKD teilte der Evangelischen Nachrichtenagentur IDEA auf Anfrage mit, dass die EKD keine Äußerung zum Matic-Bericht plane. Hingegen hatten bereits im Vorfeld der Verabschiedung die (katholische) Deutsche Bischofskonferenz, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und die Orthodoxe Bischofskonferenz in Deutschland den Bericht kritisiert.
Der Vorsitzende der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Franz-Josef Overbeck (Essen), sagte, dass ohne das Recht auf Leben auch die anderen Menschenrechte nicht zur Entfaltung kommen könnten. Er halte es für problematisch, dass im Matic-Bericht die Rechte des ungeborenen Kindes nicht berücksichtigt würden. Overbeck ist auch Vizepräsident der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union (COMECE).
Evangelische Allianz: Ideologischer Kampf ist nicht ausgestanden
Der Beauftragte der Deutschen Evangelischen Allianz am Sitz des Bundestages und der Bundesregierung, Uwe Heimowski (Gera), warnte nach der Abstimmung gegenüber IDEA vor gravierenden Folgen, wenn die Tötung eines ungeborenen Menschen zu einem Menschenrecht erklärt werde.
„Fristenlösungen würden fallen, die Gewissensentscheidung von Ärzten und Hebammen, an Abtreibungen nicht mitzuwirken, könnte als Verletzung der Menschenrechte uminterpretiert werden, konfessionelle Träger könnten gezwungen werden, Abtreibungen durchzuführen.“ Die Annahme des Berichts zeige deutlich, „dass der ideologische Kampf um das Recht auf Abtreibung nicht ausgestanden ist und uns in Deutschland weiterhin beschäftigen wird“.
ADF: Die Abstimmung hat keine bindende Wirkung
Der für die Menschenrechtsorganisation ADF International (Allianz zur Verteidigung der Freiheit) in Brüssel tätige Jurist Jean-Paul Van de Walle verwies gegenüber IDEA darauf, dass diese Entscheidung nicht mit einer gesetzlichen Regelung zu vergleichen sei. Sie habe keinerlei „bindende Wirkung“ für die Mitgliedsstaaten, die europäischen Bürger oder die europäischen Institutionen.
Er kritisierte zugleich die Missachtung der Europäischen Verträge durch das Parlament. Denn diese Verträge hätten der Union keine Zuständigkeit beim Thema Abtreibung verliehen. Die Abstimmung markiere „einen traurigen Tag für alle, die sich für den Schutz des Lebens, der angeborenen Würde und der Grundrechte aller Menschen einsetzen“.
„Ärzte für das Leben“: Weitere Aushöhlung des Lebensrechts zu befürchten
Der Vorsitzende der Organisation „Ärzte für das Leben“, Prof. Paul Cullen (Münster), bezeichnete die Annahme des Berichts in einer Mitteilung als einen großen Rückschlag für die Menschenrechte, das Lebensrecht und die ärztliche Gewissensfreiheit in Europa. Der Bericht postuliere erstmalig ein „Menschenrecht auf Abtreibung“.
Das könnte zu einer Beschneidung des in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Rechts der Ärzte führen, eine Mitwirkung an Abtreibungen aus Gewissensgründen abzulehnen. Das müsse alle Ärzte in Europa alarmieren. „Die Tötung eines wehrlosen Menschen kann nie ein Recht sein.“ Der Matic-Bericht spreche von Menschenrechten, doch seine Annahme sei einer der größten Angriffe auf die Menschenrechte in Europa seit Jahren.
ALfA: Eine Schande für Europa
Die Bundesvorsitzende der „Aktion Lebensrecht für Alle“ (ALfA), Cornelia Kaminski (Fulda), nannte die Annahme des Berichts in einer Mitteilung einen Skandal. Die Resolution verkünde „allen Ernstes“ ein Menschenrecht auf vorgeburtliche Kindstötungen. „Das ist eine Schande für Europa.“
In offiziellen Ansprachen werde die EU zwar gerne als „Wertegemeinschaft“ bezeichnet. Mit seiner jüngsten Entscheidung habe das EU-Parlament solche Reden jedoch „mutwillig Lügen gestraft oder aber sich Werte zugelegt, die zwar von totalitären Systemen, nicht jedoch in freiheitlich-liberalen geschätzt werden“.
IDEA dokumentiert das Abstimmungsergebnis hier.
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