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Reportage

Die Zerstörung einer Kirche

27.06.2018

Die Geschichte klingt wie ein schlechter Krimi, ist aber leider real. Bischof der 1992 gegründeten Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine (DELKU) war bis 2014 immer ein Deutscher – per Ausschreibungsverfahren vom Landeskirchenamt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern entsendet. Doch die DELKU sollte eigenständig werden und ihren Bischof selbst wählen. Sergej Maschewski setzte sich damals ganz knapp durch. Zwar auch Deutscher, aber in Kasachstan geboren und aufgewachsen. Wer alles nicht so genau hingeschaut oder sich von ihm hat blenden lassen, ist heute nicht mehr so klar nachzuvollziehen. Fest steht: Autoritäre Züge und Alkoholprobleme hatte der heute 42-Jährige schon vor der Wahl. Einmal an der Macht, stellte er alles auf den Kopf.

Ein Bischof, der Gesetze bricht

Eigentlich ist die Kirche presbyterial-synodal strukturiert. Das heißt, die Synode entscheidet. Den neuen Bischof störte das nicht. Er engagierte einen Wachdienst. Zu den Synodentagungen kam nur der rein, den er dabeihaben wollte. Stattdessen berief er eigenmächtig Synodale, die einer Machtkonzentration in seiner Person zustimmten. Von den ursprünglich 51 Synodalen wurden 2017 nur noch 15 zugelassen. Er kündigte Pastoren, obwohl er damit gegen kirchliche Gesetze verstieß, da die örtlichen Gemeinderäte zustimmen müssen. Er schloss fünf Gemeinden aus der DELKU aus, andere gingen freiwillig. 14 Dienstwagen, die für die Pastoren vor Ort gedacht waren, beanspruchte er für sich. Drei hat er verkauft, Gebäude zweckentfremdet, 20 Gerichtsprozesse gegen Gemeinden und Pastoren geführt, die sich gegen sein Vorgehen wehrten. Das ist die Kurzzusammenfassung, wie sie unter anderen Alexander Gross berichtet. Er ist Pastor in den Dörfern Petrodolinske und Nowogradkievka.

Evangelisation liegt ihm am Herzen

Doch damit nicht genug. Gross bekam Maschewskis Gebaren selbst zu spüren. Der 45-Jährige legt Wert auf Bibelkunde und Mission. Er gründete eine Bibelschule, machte diakonische und evangelistische Angebote für die Dorfkinder. Es ist – bis heute – ein lebendiges Gemeindeleben. All das passte Maschewski nicht. Bereits 2015 schloss er die Schule. Er entließ Gross – per E-Mail. Als sich Gross nicht einschüchtern ließ, schickte er erst durchtrainierte Männer, dann die Polizei. Einmal, zweimal, dreimal. Türen wurden eingetreten, auf einem Video sind die verzweifelten Schreie seiner beiden 13 und 15 Jahre alten Töchter zu hören.

Am Arm verletzt

Siebenmal hat Maschewski ihn seit 2015 bedroht, erzählte Gross, als er nun im Juni auf Einladung des „Martin-Luther-Vereins in Bayern“ in Deutschland war. Beim bislang letzten Übergriff verletzte sich Gross in einem Handgemenge am Arm. Der Vorsitzende des Gemeinderates musste nach einem Sturz zehn Tage ins Krankenhaus. Bei einem der Angriffe waren auch zwei US-Amerikaner dabei. Sie haben Gross bei seiner missionarischen Arbeit unterstützt: Die Kinder lernten Englisch mit der Bibel. Ob sie noch einmal wiederkommen, ist ungewiss. Sollte es der US-Organisation „East European Missions Network“ zu gefährlich sein, hätte Maschewski auch da sein Ziel erreicht.

Korruption gehört zum Alltag

Wolfgang Hagemann, Vorsitzender des Martin-Luther-Vereins, klingt verzweifelt. Rechtlich gesehen ist es korrekt, dass Gross das Pfarrhaus verlassen muss, erklärt er. Ein Gericht habe es beschlossen. Allerdings: „Maschewski hat das Urteil bestellt und bezahlt.“ Korruption gehört in der Ukraine zum Alltag. Man vermute, dass es Maschewski wohl 20.000 Dollar gekostet haben muss. Unterstützung vom Staat können Gross und seine Mitstreiter nicht erwarten, sagt der Vorsitzende. Die Kirche sei zu klein, als dass es den Staat interessieren würde – nicht systemrelevant. Verzweifelt ist auch Elvira Maschewski (41), die Ex-Frau des Bischofs, die heute in Regensburg lebt. Sie kennt die Situation, will aber auch mit Blick auf die beiden in der Ukraine lebenden gemeinsamen Kinder – 17 und 16 Jahre – sich öffentlich nicht weiter äußern.

Was hätten wir tun sollen?

Auch mehrere Pfarrer aus Deutschland waren in der DELKU aktiv, darunter Ralf Haska in der Kirchengemeinde St. Katharina in Kiew und Andreas Hamburg, der heute Pfarrer im bayerischen Thierstein ist. Er schüttelt über die Entwicklung den Kopf: „Es gibt keine Kontrollinstanz mehr.“ Maschewski fühle sich als Alleinherrscher unantastbar. „Er wird weiterhin alle zum Schweigen bringen, die sich gegen ihn stellen.“ Hamburg – er war von 2005 bis 2014 in der Ukraine – wünscht sich ebenfalls wie Gross eine offizielle Stellungnahme aus Deutschland. Aber dort ist man zurückhaltend. Der bayerische Synodale und frühere Leiter des christlichen Tagungs- und Erholungszentrums Hohe Rhön (Bischofsheim), Fritz Schroth, hat sich vor Ort informiert und die „geschassten Gemeinden“ besucht. Er habe die Christen, die unter dem Bischof leiden, geistlich stärken und ihnen Mut machen wollen. Aber „Bayern“ könne an der Situation nichts ändern: „Was hätten wir denn tun sollen? Bischof Maschewski kam rechtmäßig an die Spitze. Niemand konnte sich vorstellen, dass er sein Bischofsamt so missbraucht.“ Es sei rechtlich nicht möglich einzugreifen. Zudem wäre es Bevormundung: „Wir wollen nicht wie Kolonialherren auftreten.“ Die Situation sei „unerträglich, aber wem nützt es, wenn wir jetzt auf die Pauke hauen“?

Keine Zukunft mit Maschewski

Ähnlich äußert sich der bayerische Oberkirchenrat Michael Martin. Die bayerische Kirche habe 2015 ihre Zahlungen eingestellt, nachdem keine Abrechnungen mehr aus der Ukraine kamen, und damit gerechnet werden musste, dass Gelder nicht für die beantragten Projekte verwendet werden. Zudem warf Maschewski der Landeskirche Korruption vor. Die Partnerschaft könne wohl erst wiederaufgenommen werden, „wenn Bischof Maschewski nicht mehr an der Spitze steht“. Aber wie das geschehen könnte, weiß niemand.

Besorgt, aber nicht zuständig

Auch der Lutherische Weltbund (LWB) kann nach eigenen Angaben nicht weiterhelfen. Man sei „sehr besorgt über die inneren Konflikte und die Zwietracht zwischen verschiedenen Gruppen in der Kirche“, teilte die Pressestelle mit. Der Weltbund sei aber nicht zuständig für interne Angelegenheiten. In Zusammenarbeit mit seinen Mitgliedskirchen suche man nach Möglichkeiten, die Lutheraner „in ihren Bemühungen um Einheit und in ihrem Zeugnis des Evangeliums zu unterstützen“. Und Alexander Gross? Er flog zwei Tage nach seinem Vortrag wieder zurück. Er weiß nicht, wann der nächste Angriff erfolgen wird: „Wir bitten inständig um Gebet. Das Ganze muss doch eines Tages ein Ende haben.“

Die DELKU

Die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche in der Ukraine (DELKU) wurde Mitte des 18. Jahrhunderts von deutschen Aussiedlern gegründet. In der Sowjetunion wurden die Kirchen geschlossen. 1992 wurde die DELKU mit Hilfe ihrer Partnerkirche – der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern – neu begründet. Neben Haushalts- und Projektmitteln hat die bayerische Kirche auch Gehälter für bayerische Pfarrer, die in der Ukraine gearbeitet haben, übernommen. Allein zum Wiederaufbau des Deutschen Zentrums und der St.-Paul-Kirche in Odessa wurden rund sieben Millionen Euro aufgewendet. Die Partnerschaft ruht seit dem 31. Oktober 2015. Ursprünglich gehörten zur DELKU 31 Gemeinden mit 2.000 Mitgliedern, 21 Pastoren und Diakonen, heute sind es noch 14 Gemeinden, 200 Mitglieder mit fünf Pastoren und Diakonen. Sergej Maschewski ist der erste in der Sowjetunion geborene Bischof, vorher wurde dieses Führungsamt von Pfarrern aus Bayern bekleidet.

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