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Politik

Bundestag beschließt Verbot von „Konversionstherapien“

08.05.2020

Ab Mitte des Jahres soll das Verbot von Konversionstherapien in Kraft treten. Foto: pixabay.com
Ab Mitte des Jahres soll das Verbot von Konversionstherapien in Kraft treten. Foto: pixabay.com

Berlin (idea) – Sogenannte Konversionsbehandlungen sind in Deutschland künftig verboten. Einem entsprechenden Gesetzentwurf stimmten im Bundestag am 7. Mai die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP zu. Aus der AfD gab es eine Gegenstimme, die restliche Fraktion sowie die Fraktionen der Parteien Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich. Das Gesetz soll voraussichtlich Mitte des Jahres in Kraft treten. Der Bundesrat muss nicht zustimmen. Medizinische Interventionen, die die sexuelle Orientierung oder die selbst empfundene geschlechtliche Identität einer Person gezielt verändern oder unterdrücken, sind bei Minderjährigen demnach generell verboten. Bei Volljährigen dürfen sie nur angewendet werden, wenn eine freie Einwilligung vorliegt. Bei Verstößen droht eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder Bußgeld. Ausgenommen sind Fürsorge- oder Erziehungsberechtigte, „sofern sie durch die Tat nicht ihre Fürsorge- oder Erziehungspflicht gröblich verletzen“. Außerdem soll das Bewerben, Anbieten und Vermitteln solcher Behandlungen verboten werden. Seelsorgerische oder psychotherapeutische Gespräche, in denen es um den Austausch über die Lebenssituation des Betreffenden, über etwaige Glaubensgebote oder den Umgang mit der eigenen sexuellen Orientierung gehe, stellten keine Konversionsbehandlungen dar.

Staatssekretärin: Wo es keine Krankheit gibt, braucht es auch keine Therapie

In der Bundestagsdebatte lehnten Vertreter aller Fraktionen die sogenannten Therapien für Homosexuelle ab. So sagte etwa die Parlamentarische Staatssekretärin für Gesundheit, Sabine Weiss (CDU): „Wo es keine Krankheit gibt, da braucht es eben auch keine Therapie.“ Stattdessen könnten derartige Behandlungen erhebliche gesundheitliche Schäden und seelisches Leid verursachen sowie für Depressionen und Suizidansichten verantwortlich sein. Laut Emmi Zeulner (CSU) stehen bei den „Therapien“ nicht das Wohl des Patienten, „sondern die eigenen Interessen und fehlgeleiteten Überzeugungen der sogenannten Therapeuten“ im Vordergrund. Trotzdem sei wichtig, dass Seelsorge weiter möglich bleibe. „Gerade in einer Phase, in der Menschen nach Orientierung und Hilfe suchen, bietet Seelsorge oft Halt und Hilfe an.“

Altersgrenze und Ausnahme für Erziehungsberechtigte sorgten für Kritik

Auch die SPD-Abgeordnete Hilde Mattheis sprach sich für den Entwurf aus. „Wir führen erstmals ein Verbot von unmenschlichen Praktiken ein und setzen damit ein deutliches Zeichen in die gesamte Gesellschaft hinein.“ Kritisch sehe sie hingegen, dass ein uneingeschränkter Schutz nur für Minderjährige gewährleistet werde und dass Eltern vom Verbot ausgenommen seien. Diese beiden Punkte sorgten auch bei Vertretern von FDP, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke für Kritik. Ulle Schauws (Bündnis 90/Die Grünen): „Wir fordern, dass Jugendliche vor dem Druck aus ihrem engsten Umfeld geschützt werden müssen – und zwar ausnahmslos.“ Zwei entsprechende Änderungsanträge ihrer Fraktion fanden im Bundestag jedoch keine Mehrheit. Doris Achelwilm (Die Linke) sagte, dass ihre Partei genau hinsehen werde, „welche Wirkung das Gesetz entfaltet und wo stärker angesetzt werden muss, damit queere Menschen nicht länger geschädigt werden“. Der AfD-Politiker Robby Schlund kritisierte hingegen, dass eine Rechtssicherheit für Therapeuten, die Menschen mit Problemen der sexuellen Identität in ihrem Findungsprozess begleiten, nicht gewährleistet sei.

Allianz: Verunsicherung für Menschen, die unter ihrer sexuellen Orientierung leiden

Die Deutsche Evangelische Allianz (Bad Blankenburg) begrüßte in einer Stellungnahme, dass Verkündigung und Seelsorge laut dem Gesetzentwurf nicht unter das Verbot fallen und somit die Religionsfreiheit gewahrt bleibe. „Dazu gehört auch die Freiheit, die Meinung zu vertreten, dass gelebte Homosexualität Sünde ist.“ Dennoch bleibe die Sorge bestehen, dass Berater und Werke sich zukünftig „durch Denunziationen, Konversionsbehandlungen angeboten oder für solche geworben zu haben, Anklagen und Gerichtsprozessen gegenübersehen können“. Mit Blick auf die Betroffenen wiederum könne die Feststellung, dass Homosexualität keine Krankheit sei und daher auch keiner Behandlung bedürfe, durchaus eine Entlastung sein. „Allerdings bedeutet es eine Verunsicherung für die Menschen, die ernstlich unter ihrer sexuellen Orientierung leiden“, heißt es in dem Schreiben des evangelikalen Dachverbandes. Schließlich bleibe auch die Frage offen, warum das Gesetz auf transsexuelle Menschen erweitert wurde, „die doch eine ganz andere, viel komplexere psychische Konstitution aufweisen“. Insgesamt, so die Allianz, geht es in der Debatte um mehr als die sogenannten Konversionsbehandlungen an sich: „Es geht um die Frage nach Grundrechten wie Elternrechte sowie Therapie- und Religionsfreiheit.“ Die von SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen geäußerten Forderungen nach einer Verschärfung der Maßnahmen zeigten, dass das politische Ringen in dieser Frage weitergehen werde.

Lesben- und Schwulenverband stuft Gesetz als ungenügend ein

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) stufte das Gesetz in einer Stellungnahme als ungenügend ein. So ist laut Bundesvorstandsmitglied Gabriela Lünsmann (Berlin) zu befürchten, „dass aufgrund erheblicher Mängel im Gesetz ein effektiver und konsequenter Schutz für Lesben, Schwule, bisexuelle und transgeschlechtliche Menschen nicht erreicht werden kann“. Demnach müsse die Schutzaltersgrenze auf mindestens 26 Jahre angehoben und eine generelle Strafbarkeit auch von Erziehungsberechtigten festgelegt sein. Vor allem religiöse Autoritäten müssen Lünsmann zufolge öffentlich vor den „gefährlichen Pseudo-Therapien“ warnen.

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