Menschenrechte
260 Millionen Christen werden weltweit verfolgt
15.01.2020
Kelkheim (idea) – Weltweit ist die Zahl der verfolgten Christen weiter gestiegen. Zu diesem Ergebnis kommt das christliche Hilfswerk Open Doors in seinem Weltverfolgungsindex (WVI), der am 15. Januar veröffentlicht wurde. In den 50 erfassten Ländern leiden demzufolge 260 Millionen Christen unter starker oder extremer Verfolgung. 2017 hatte die Organisation einen Anstieg von 100 auf 200 Millionen verfolgte Christen gemeldet und seitdem von „mehr als 200 Millionen“ gesprochen. Die absoluten Zahlen hatte die Organisation nach Angaben ihres Pressesprechers, Ado Greve (Kelkheim bei Frankfurt am Main), in den vergangenen zwei Jahren nicht genannt, um den Blick stärker auf die konkrete Situation der Christen vor Ort als auf die Zahl selbst zu legen. Tatsächlich seien 2018 bereits 215 Millionen Christen betroffen gewesen und 2019 insgesamt 245 Millionen, so Greve gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Laut Open Doors leben in den im aktuellen Index aufgeführten Ländern rund 640 Millionen Christen. Erfasst wurden die Entwicklungen im Zeitraum vom 1. November 2018 bis zum 31. Oktober 2019. Das Werk veröffentlicht den WVI bereits seit 1993.
Nordkorea zum 17. Mal an der Spitze des Weltverfolgungsindex
An erster Stelle des Weltverfolgungsindex steht zum 17. Mal in Folge das kommunistisch regierte Nordkorea. Auch auf den folgenden Plätzen hat sich gegenüber dem Vorjahr kaum etwas verändert: 2. Afghanistan, 3. Somalia, 4. Libyen, 5. Pakistan, 6. Eritrea, 7. Sudan, 8. Jemen, 9. Iran und 10. Indien. Lediglich Eritrea und der Sudan haben die Plätze getauscht. Open Doors zufolge haben die Übergriffe auf Kirchen stark zugenommen. Demnach seien fast 9.500 Gotteshäuser und kirchliche Einrichtungen attackiert, zerstört oder geschlossen worden. Im Jahr zuvor seien es noch 1.850 gewesen (+ 413 Prozent).
Radikale Islamisten in Afrika und Asien auf dem Vormarsch
Bereits seit einigen Jahren sind radikal-islamistische Gruppierungen laut Open Doors eine der stärksten Triebkräfte von Christenverfolgung. Der Trend setzte sich auch im vergangenen Jahr fort: Dem Bericht zufolge breiteten sich sowohl in Subsahara-Afrika als auch in Süd- und Südostasien militante islamistische Gruppierungen aus. Länder wie Burkina Faso (2020: Platz 28) und Kamerun (48) tauchen neu im Weltverfolgungsindex auf. Burkina Faso sei einst für seine religiöse Toleranz bekannt gewesen. Nun würden Christen dort massiv angegriffen, heißt es im Bericht. Allein im Norden des Landes seien mehr als 200 Kirchen geschlossen. Tausende Christen seien vor der Gewalt geflohen. Ähnliches sei in Mali (29) zu beobachten.
Sri Lanka steigt von Platz 46 auf Platz 30
Doch auch in Süd- und Südostasien sei der zunehmende Einfluss radikaler Muslime zu spüren. In Sri Lanka verübte die islamistische Gruppe NTJ am Ostersonntag (21. April 2019) unerwartet Bombenattentate in Kirchen und Hotels und tötete damit mehr als 250 Menschen und verletzte über 500, die meisten von ihnen Christen. Das Land kletterte auf dem WVI von Platz 46 auf 30 – der größte Anstieg in der gesamten Rangliste. In Bangladesch verschlechterte sich die Lage von Christen durch militante Islamisten ebenso.
Digitale Überwachung als Waffe gegen Kirchen
Zunehmend nutzen Regierungen künstliche Intelligenz und digitale Überwachung, um Christen in ihren Ländern zu kontrollieren. In China etwa werden Überwachungskameras vor Kirchen und eine biometrische Gesichtserkennung eingesetzt. Zudem habe die Kommunistische Regierung im Berichtszeitraum 5.500 Kirchen geschlossen. Dabei seien nicht nur Hauskirchen betroffen, sondern auch staatlich regulierte wie die protestantische Drei-Selbst-Kirche. Auch Indien setze immer stärker auf biometrische Technologien. Ende Januar 2020 solle die landesweite Einführung der Gesichtserkennung abgeschlossen sein, die offiziell die Polizeiarbeit unterstützen solle. Gleichzeitig treibe die dortige Regierung die Ausbreitung ihrer nationalistischen Hindu-Ideologie voran. Im Berichtszeitraum habe es mehr als 440 Gewalttaten und Hassdelikte gegen Christen gegeben.
Türkei: Weniger Übergriffe auf Christen
Auch wenn sich die Lage für Christen in der Türkei minimal verschlechtert hat, sank ihre Platzierung im WVI von Platz 26 auf 36. Das erklärt das Hilfswerk damit, dass es weit weniger Übergriffe gab als im Berichtszeitraum zuvor. Es habe keine Morde gegeben, und auch Übergriffe auf Kirchen seien deutlich zurückgegangen. Stattdessen habe die Regierung mindestens 23 ausländische Christen, die mit verschiedenen Kirchen zusammenarbeiteten, und ihre Familien ausgewiesen. Die türkische Regierung wende sich nicht bewusst gegen Christen. Die Einschränkungen seien vielmehr die Folge des ausgeprägten Nationalismus in der Gesellschaft. Dies zeige sich sowohl im Privatleben wie im direkten Umgang von Christen und christlichen Organisationen mit Behörden. Auch Indonesien (von 30 auf 49), Äthiopien (von 28 auf 39) und Bhutan (von 33 auf 45) rückten in der Rangliste deutlich nach hinten.
Wie Open Doors Verfolgung definiert
Über die Nutzung des Begriffes „Verfolgung“ schreibt das Werk, es gebe „keine allgemein anerkannte rechtliche Definition“. Bestimmte Situationen könnten als Verfolgung eingeordnet werden, wenn zum Beispiel Personen das Menschenrecht auf Religionsfreiheit nach Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verwehrt werde. Die WVI-Methodik folge „eher einer theologischen als einer soziologischen oder juristischen Definition“. Nach diesem Ansatz sei Verfolgung definiert als „jegliche Art von erlebter Anfeindung aufgrund der Identifikation einer Person mit Christus. Dies kann feindselige Haltungen, Worte und Handlungen gegenüber Christen umfassen.“ Dabei unterscheide sie zwischen zwei Haupterscheinungsformen von Verfolgung: „squeeze“ (konstanter Druck) und „smash“ (gewaltsame Übergriffe). Während „smash“ durch das Registrieren gewaltsamer Übergriffe relativ gut erfassbar sei, werde das Ausmaß von „squeeze“ auf andere Art ermittelt: Hierfür werde der Druck untersucht, der auf das alltägliche und das religiöse Leben von Christen in fünf ausgewählten Lebensbereichen ausgeübt wird
Stephanuskreis: Religionsfreiheit in der Außenpolitik mehr Gewicht geben
Der Vorsitzende des Stephanuskreises der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Heribert Hirte (Köln), bezeichnete den WVI als „gutes Hilfsmittel,“ um sich eine Übersicht über die Bedrohungs- und Verfolgungssituation vieler Christen zu verschaffen. Auffallend sei, dass die führenden Länder in dem Index auch diejenigen seien, die dem Stephanuskreis zum Teil die größten Sorgen im außen- und sicherheitspolitischen Bereich machten. Daher fordere das Gremium seit langem eine Aufwertung und einen höheren Stellenwert der Religionsfreiheit in Deutschland und der EU.Einen Bericht über die Lage der Christen in Algerien lesen Sie hier.
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