Ressorts
icon-logo

Kommentar

„Komm, Schöpfer Geist!“

28.05.2023

Hans-Peter Pache ist Gemeindeberater und er coacht Gemeindegründer sowie Führungskräfte. Foto: Alex Nickolaus
Hans-Peter Pache ist Gemeindeberater und er coacht Gemeindegründer sowie Führungskräfte. Foto: Alex Nickolaus

An Pfingsten feiern Christen die Aussendung des Heiligen Geistes. Das Fest erinnert uns: Der Heilige Geist ist da und verändert Leben – von Menschen, Gemeinden, ja Städten und Nationen. Davon ist Hans-Peter Pache (Berlin) überzeugt. Der Pastor des Mülheimer Verbandes Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden weiß, Gottes Geist wartet auf unsere Einladung: Komm, Schöpfer Geist!

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen am 19. Mai 2021.

In den ersten beiden Jahrzehnten meines Lebens kannte ich ihn nur vom „Hörensagen“. In meiner kleinen Gemeinde erzählte man von seinem Wirken – früher, in den Anfängen des Mülheimer Verbandes. In der Bibel las ich dann von ihm. Aber ich selbst hatte keine Ahnung von seiner Bedeutung für mein Leben. Das Theologiestudium brachte mich auch nicht unbedingt weiter. Kaum ein Professor stellte sich der Lehre vom Heiligen Geist. Erst die Herausforderungen des Gemeindedienstes ließen mich ihn entdecken.

Neue Be-geist-erung

Als gerade 24-Jähriger übernahm ich die pastorale Verantwortung für die Lukas-Gemeinde in Berlin, in der viele zwischenmenschliche Konflikte zu bewältigen waren. Das kostete Kraft. Einen Praxisanleiter oder Mentor hatte ich in Westberlin nicht. Trotzdem waren die Erwartungen an den jungen Pastor groß: jede Woche Bibelstunde, Sonntagsgottesdienst, Jugendarbeit, Kasualien, Seelsorge u. v. m. Hinzu kam, dass ich durch das Theologiestudium zwar viel Wissen angehäuft hatte, aber in meiner persönlichen Beziehung zu Gott nicht weitergekommen war.

Die Bibel war nicht unbedingt meine Kraftquelle, das Gebet kein vertrauensvolles Gespräch mit meinem Gott. Schnell kam ich an meine Grenzen und mir wurde klar, dass ich dringend eine Erneuerung, ja Vertiefung meiner Beziehung zu Gott selbst brauchte sowie Weisheit, Vollmacht und überhaupt eine neue Be-geist-erung für meinen Dienst. So fing ich an, nach Gott zu fragen, aber nun nicht aus akademischem Interesse, sondern aus existenzieller Betroffenheit. Es ging um nicht weniger als meinen Dienst, ja mein Leben als Christ.

„Grenzerweiterungen“

Mir war dabei klar, dass der Heilige Geist mein Adressat sein musste, der Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit (2. Timotheus 1,7). Aus dem Neuen Testament wusste ich, dass er Geist des Glaubens ist (2. Korinther 4,13). Glaube ist damit immer Glaube aus erster Hand. Der Geist ist dabei nicht wie eine verzichtbare Zierleiste am Auto, sondern wie der Motor, ohne den nichts läuft. Und wenn der Glaube kraftlos wird, gibt es nur einen Weg zurück: „Komm, Schöpfer Geist“ – ein alter Gebetsruf aus dem 9. Jahrhundert.

Darüber hinaus wusste ich um die zahlreichen „Grenzerweiterungen“, die der Heilige Geist ermöglicht: Begabungen/Charismen, die den Dienst kraftvoller werden lassen (Römer 12; 1. Korinther 12). Er bevollmächtigt die Predigt des Evangeliums (Apostelgeschichte 1,8) und ermöglicht Zeichen und Wunder im Dienst an den Menschen (Apostelgeschichte 3). All das ließ mein Dienst vermissen.

Und er kam

Immer wieder nahm ich mir nun die Zeit zum Gebet und zum Meditieren der biblischen Verheißungen. Und er kam. Überraschend. In der Stille meines Arbeitszimmers, mitten in einer Gebetszeit. Er löste zuerst starke Emotionen aus: große Freude, Erleichterung, Ermutigung und neue Hoffnung. Diese Begegnung bewirkte ein verändertes Gebetsleben (auch durch die geschenkte Gebetssprache, 1. Korinther 12,30), ein neues Vertrauen in die Relevanz der biblischen Texte und vor allem: eine vertiefte Nähe zu Jesus, meinem Herrn. Und ich kam wieder in Bewegung.

Ich entdeckte zunehmend, wie sich auch mein Predigen und Lehren veränderte. Gemeindeglieder erlebten Gott als Vater oder entdeckten die Gaben des Heiligen Geistes, und Nichtchristen fanden zum Glauben an Jesus Christus. Damit wuchs unser Mut, und wir fingen an, für Kranke zu beten und Gott für Größeres zu vertrauen.

Der Heilige Geist ist souverän

Kurzum: Der Schöpfer Geist hatte mich erneuert und meinen Dienst gerettet. Leider sind solche Erneuerungserfahrungen kein Selbstläufer. Auch sie können nicht konserviert werden. Immer wieder musste ich umkehren, etwa wenn ich mich selbst und andere mit zu großen Zielen überforderte oder im Umgang mit Mitarbeitern unweise agiert hatte.

Mein Gottvertrauen wurde auf die Probe gestellt, Zweifel nagten an mir, wenn beeindruckende Prophetien aus dem Ausland, die Gottes erweckliches Handeln in der Stadt voraussagten, nicht eintrafen oder Gebete für Kranke am Ende doch nicht erhört wurden. Menschen können irren und Wunder sind nicht plan- oder machbar. Offensichtlich bewahrt sich der Heilige Geist immer auch seine Souveränität.

Der Heilige Geist wirkte

Nach meiner persönlichen Erfahrung mit dem Heiligen Geist, fing auch die Gemeindeleitung an, sich der Führung durch den Heiligen Geist zu öffnen. Menschen bereinigten ihr Leben, erlebten Gott auf eine vertiefte Weise und ließen sich von ihm in den Dienst nehmen. Das Gemeindegebet bekam einen neuen Stellenwert, ineffektive Programme wurden eingestellt und die Bemühungen um den entkirchlichten Berliner verstärkt. Der Heilige Geist wirkte in Gebetsversammlungen, Erneuerungsseminaren und in der Seelsorge. Gemeindeglieder erlebten die Veränderungen, die Paulus in Galater 5,22 als die natürlichen Auswirkungen des Heiligen Geistes im Leben eines Menschen bezeichnet: Liebe, Freude und Frieden, Geduld, Güte und Großzügigkeit, Treue, Freundlichkeit und die Kraft, verzichten zu können.

Ein Garant

Die Gemeinde öffnete sich auch für die vielfältigen Gaben des Heiligen Geistes: für Menschen, die prophetisch ermutigten oder manchmal den Finger auf wunde Stellen legten und zur Umkehr aufriefen. Sie vertraute Leitungspersönlichkeiten, die über den Tellerrand der Gemeinde hinausschauten und mit ihrer apostolischen Gabe die Türen zu neuen Netzwerken und Initiativen aufschlossen.

All das veränderte auch den Gottesdienst der Gemeinde. Die Gemeindeglieder kamen mit größerer Erwartung. Vor und während des Gottesdienstes wurde um das Wirken des Heiligen Geistes gebeten. Die neue Freude über Gott wurde durch zahlreiche neue Lieder zum Ausdruck gebracht, und das Gebet für Kranke bekam einen neuen Stellenwert.

All das geschah unspektakulär, vieles im Verborgenem und auch nur Schritt für Schritt. Und es blieb und bleibt angefochten: Auch Gemeindeerneuerung lässt sich nicht konservieren. Zwischenmenschliche Konflikte, ungeplante Mitarbeiterveränderungen, zu ambitionierte Ziele und Fehlentscheidungen setzen jeder Gemeinde zu und können das geistliche Leben lähmen.

Der einzige Garant für ein gesundes, geistgewirktes Gemeindeleben ist die bleibende Abhängigkeit von ihm selbst und die Offenheit für sein Wirken. Das war Paulus nur zu gut bewusst, als er die Gemeinde in Thessalonich aufforderte, ohne Unterlass zu beten, dankbar zu bleiben, den Heiligen Geist nicht „auszulöschen“ und die Prophetie nicht zu verachten (1. Thessalonicher 5,18 ff.).

Perspektivwechsel

1992 benutzte der Heilige Geist ein Gemälde des deutsch-amerikanischen Malers Lyonel Feininger, um mich auf eine weitere Spur zu setzen: die Vogelwolke. Im Anschauen des Gemäldes empfand ich das Reden des Heiligen Geistes. Am linken unteren Bildrand sieht man einen einsamen Besucher auf einem Sandstrand, der auf ein dunkles, bedrohlich wirkendes Meer schaut. Über ihm ist eine riesige weiße Wolke sichtbar, die die Form eines Vogels angenommen hat.

Dann dieser starke innere Eindruck: Ich gleiche dem Strandbesucher und starre nur auf die dunklen, bedrohlichen Meereswogen – die im Alten Testament oft ein Bild für die lebensbedrohlichen Chaosmächte sind. Und ich sehe nicht das ganz andere: die riesige weiße „Vogelwolke“, die ins Land zieht – den Heiligen Geist, der im Neuen Testament mit einer Taube verglichen wird.

Es braucht offensichtlich einen Perspektivwechsel, um die ganze Realität unseres Lebens zu erfassen. Diese Realität heißt: Die Welt ist nicht von allen guten Geistern verlassen. Er ist immer noch da: der Chaos ordnende und Leben spendende gute Heilige Geist Gottes. Und er will unser Land berühren. Dieses besondere Reden Gottes hat mich nachhaltig geprägt und mir Mut gemacht, mich nicht nur auf die Gemeindearbeit zu konzentrieren, sondern auch die Stadt, ja unser Land in den Blick zu nehmen.

Meine Exkursionen durch das wiedervereinigte Berlin nach dem Mauerfall lösten neben viel Begeisterung über die Potenziale der Stadt auch große Bestürzung aus. So viele Probleme im Zusammenwachsen der beiden gesellschaftlichen Systeme und so wenig geistliche Perspektive. Überall fehlte es an Gemeinden, die den Menschen Hoffnung, Halt, Hilfe und vor allem den Zugang zu Gott ermöglichen konnten. In dieser Zeit wurde in mir eine Vision für Gemeindegründung geboren: 22 neue Gemeinden für jeden Bezirk.

Gemeindeerneuerung durch den Heiligen Geist führt immer auch zu Gemeindeneugründungen, zu neuen, frischen Ausdrucksformen von gelebter Gemeinschaft.

Der Stadt Bestes suchen

Schon seit Beginn der 80er Jahre versammelten sich in unserem Gemeindehaus einmal im Monat Pastoren aus verschiedenen Denominationen, um füreinander und die Stadt zu beten: Komm, Schöpfer Geist! Fast 20 Jahre später war es Zeit, weitere Schritte zu gehen. Und wieder war es der Heilige Geist, der die Vision gab und uns initiativ werden ließ: „Gemeinsam für Berlin“ wurde geboren. Eine Initiative von Christen, die sowohl durch Gebet als auch durch Wort und Tat das Beste, den Frieden für die Stadt suchen wollte (Jeremia 29,7).

Der Heilige Geist lässt sich nicht auf das Wirken im Einzelnen oder in seiner Gemeinde begrenzen. Er ermöglicht mit seiner Gegenwart den Fortbestand dieser Welt und adelt sie als gute Schöpfung Gottes. Wie können wir sie dann als von Christus Ergriffene und Menschen des Geistes vernachlässigen und z. B. die Probleme des Umweltschutzes und der sozialen Ungerechtigkeit anderen überlassen?

Die Kirchengeschichte bestätigt darüber hinaus, dass der Heilige Geist ganze Landstriche, ja Nationen reformieren und erneuern kann. Sollte er es nicht auch in meiner Stadt und in unserem Land vollbringen können?

„Komm, Schöpfer Geist! Komm zu den politischen Mandatsträgern und gib ihnen Weisheit; komm zu den Menschen im Gesundheitswesen und gib ihnen Kraft; komm zu den Wissenschaftlern in den Laboren und gib ihnen Erkenntnis. Komm in diese zerrissene Gesellschaft und bringe die Menschen wieder zusammen.“

Offen sein

40 Jahre in pastoraler Verantwortung haben mich eines gelehrt: Mein persönliches Leben und das der Kirche Jesu Christi steht und fällt mit der Offenheit dem Wirken des Heiligen Geistes gegenüber. Mit ihm gibt es immer Hoffnung, für den Einzelnen, die Gemeinde, ja für Stadt und Land. Er ist der Geist des Lebens und der Spezialist für Erneuerung. Ihn einzuladen bedeutet immer auch, den Vater einzuladen und Jesus „im Boot“ zu haben. Was braucht es mehr? Darum: Komm, Schöpfer Geist.

(Der Autor, Hans-Peter Pache, war 36 Jahre leitender Pastor der Lukas-Gemeinde Berlin e.V. und über Jahrzehnte Leitungsmitglied des Mülheimer Verbandes. Er engagierte sich viele Jahre im ökumenischen Netzwerk „Gemeinsam für Berlin“, dessen Gründungsmitglied er im Jahre 2000 war. Heute arbeitet er als Gemeindeberater und er coacht Gemeindegründer sowie Führungskräfte.)

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

IDEA liefert Ihnen aktuelle Informationen und Meinungen aus der christlichen Welt. Mit einer Spende unterstützen Sie unsere Redakteure und unabhängigen Journalismus. Vielen Dank. 

Jetzt spenden.

4 Wochen IDEA Digital 8,50 Euro 1,00 Euro

Entdecken auch Sie das digitale Abo mit Zugang zu allen Artikeln auf idea.de