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Kaddor: Über Staatsleistungen, muslimische Verbände und liberale Muslime

15.06.2022

Die religionspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Lamya Kaddor. Foto: Wikipedia/ Arne List
Die religionspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Lamya Kaddor. Foto: Wikipedia/ Arne List

Wetzlar (IDEA) – Um die Staatsleistungen an die Kirchen abzulösen, könnte der Bund die Bundesländer finanziell unterstützen. Das schlägt die religionspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Lamya Kaddor, in einem Interview mit der Evangelischen Nachrichtenagentur IDEA (Wetzlar) vor.

Für das Jahr 2022 betragen die Staatsleistungen an die Kirchen etwa 602 Millionen Euro. Um diesen jährlich fälligen Betrag auf einen Schlag abzulösen, müssten die Bundesländer – je nach Einigung – etwa 11,2 Milliarden Euro an die Kirchen überweisen. Kaddor zufolge ist zu prüfen, „ob der Bund einen gewissen Anteil übernehmen kann“. Allerdings müsse man schauen, was am Ende finanzierbar sei. Der Bund befinde sich in einer sehr angespannten Haushaltslage – nicht zuletzt durch den Krieg in der Ukraine und dem Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro. Dennoch sei die Koalition aus SPD, Grünen und FDP dabei, die Ablösung voranzutreiben.

Zur Haltung des Baden-Württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne), eine Ablösung sei derzeit nicht finanzierbar, sagte Kaddor: „Ich nehme diese Aussage sehr ernst, ich teile aber den Pessimismus nicht. Sollen wir nochmal 100 Jahre warten? Ich finde, es ist an der Zeit, die Sache endlich anzugehen.“

Gemeinsamer Dachverband für 4,3 Millionen Muslime nötig

Ferner äußerte sich Kaddor zur Anerkennung muslimischer Verbände als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Muslime sollten einen Kompromiss finden und einen gemeinsamen Dachverband von liberalen und konservativen Muslimen bilden, der ein möglichst breites Spektrum der 4,3 Millionen Muslime in Deutschland repräsentiere. Der Koordinationsrat der Muslime reiche dafür nicht aus, da er vor allem für den konservativen Flügel stehe. Es gebe aber auch viele Muslime, die liberal und progressiv glaubten. Allerdings vernetzten sich nur wenige in Vereinen. Zudem erhielten liberale Verbände kein Geld aus dem Ausland für den Moscheeausbau oder die Imam-Ausbildung.

Was liberale Muslime ausmacht

Kaddor war Gründungsvorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes. Dieser vertritt 230 Mitglieder in sechs Gemeinden. Zur Frage, wie liberal und muslimisch zusammengingen, erklärte sie, ein liberales Glaubensverständnis gehe davon aus, dass der eigene Glaube für einen selbst die beste Religion ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass das auch für alle anderen Menschen gelten müsse. Liberale Muslime seien offen für homosexuelle oder queere Muslime. Zudem könnten in liberalen Gemeinden Frauen Imame sein. Es gebe auch kein Problem mit religionsverschiedenen Ehen.

Außerdem bestehe für Frauen keine Pflicht, ein Kopftuch zu tragen – auch wenn es Frauen gebe, die das aus Überzeugung tun. Es steht jeder Frau offen, das selbst zu entscheiden. Kaddor wurde als Tochter syrischer Einwanderer in Ahlen geboren. Sie ist Islamwissenschaftlerin und muslimische Religionspädagogin.

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