Glaube
Israel: Jüdinnen wollen mit Männern an der Klagemauer beten
07.12.2021
Jerusalem (IDEA) – Eine Gruppe von Jüdinnen will an der Klagemauer in Jerusalem zusammen mit Männern beten dürfen. Darüber ist in Israel ein heftiger Streit entbrannt, wie die Tageszeitung „Jerusalem Post“ berichtet.
An jedem ersten Tag des Monats im jüdischen Kalender wollen sie dort das „Rosch-Chodesch-Gebet“ sprechen. Am 5. Dezember war es wieder so weit. Die Gruppe nennt sich „Women of the Wall“ (Frauen der Mauer). Zwei Drittel der linken Seite der etwa 50 Meter langen Klagemauer sind Männern vorbehalten, am rechten Drittel dürfen Frauen leise beten. Doch die „Frauen der Mauer“ wollen, dass rechts davon ein weiterer, gemischter Bereich eröffnet wird, wo sie auch laut mit Gebetsriemen, Schals, Gesängen und Tora-Lesungen beten können. Das kritisieren orthodoxe Juden scharf.
Der Reformrabbiner Gilad Kariv, der für die Arbeitspartei im israelischen Parlament Knesset sitzt, unterstützt das Anliegen der Frauen. Der von ihnen gewünschte Bereich der Klagemauer sei gesetzlich bereits für nichtorthodoxe Beter ausgewiesen. Auf Twitter schrieb er: „Die Mauerfrauen erinnern uns ständig daran, dass es mehr als einen Weg gibt, jüdisch zu sein.“
Kompromiss von 2016 nicht umgesetzt
Seit 2016 gibt es bereits eine Regelung für das südliche Ende der Klagemauer, das „Kotel-Abkommen“. In dem Bereich sollen nichtorthodoxe Juden beten können. Doch das Abkommen wurde nie umgesetzt. Das will der neue Ministerpräsident Naftali Bennett ändern, kündigte er Anfang November an.
Seitdem gibt es Kritik und Proteste. Der Vorsitzende der ultraorthodoxen Schas-Partei, Aryeh Deri, rief alle Juden auf, zur Klagemauer zu kommen, um die „Entweihung dieser heiligen Stätte“ durch laut betende Frauen zu verhindern. Scharfe Kritik an den Gebeten der Frauen übte der Knesset-Politiker Itamar Ben Gvir von der Religiös-zionistischen Partei. Den betenden Frauen rief er laut „Jerusalem Post“ am 5. Dezember zu: „Entweihen Sie die Klagemauer nicht – sie gehört allen außer Ihnen!“ Er forderte sie zum Gehen auf.
Frauen wurden gestoßen, gekniffen, verflucht und bespuckt
Die Generalsekretärin der „Frauen der Mauer“, Yochi Rappeport, wies in einem Kommentar ebenfalls in der „Jerusalem Post“ darauf hin, dass es wiederholt zu Übergriffen auf die Frauen gekommen sei. Sie seien gestoßen, gekniffen, verflucht und bespuckt worden. Das sei für „Frauen der Mauer“ inzwischen normal. Die Vorsitzende der Gruppe, Anat Hoffman, sei mit einer Tasse heißem Kaffee überschüttet worden.
Ferner kritisierte Rappeport, dass die Wachleute die Übergriffe auf die Frauen ignorierten und nicht einschritten. Ultra-orthodoxe Knesset-Mitglieder stachelten ihre Anhänger sogar zu Gewalt an: „Die derzeitige Verwaltung der Klagemauer tut nichts, um die Gewalt zu beenden.“ Die Folge sei, dass sich „viele Juden an der heiligen Stätte unerwünscht und unsicher fühlen“.
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
IDEA liefert Ihnen aktuelle Informationen und Meinungen aus der christlichen Welt. Mit einer Spende unterstützen Sie unsere Redakteure und unabhängigen Journalismus. Vielen Dank.