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EKD-Ratsvorsitzende wirft Patriarch Kyrill „Gotteslästerung“ vor

22.06.2022

v.l.: Beim Johannisempfang der EKD waren auch prominente Gäste vor Ort, darunter Prälat Martin Dutzmann, die EKD-Ratsvorsitzende Präses Anette Kurschus und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Foto: IDEA/ Karsten Huhn
v.l.: Beim Johannisempfang der EKD waren auch prominente Gäste vor Ort, darunter Prälat Martin Dutzmann, die EKD-Ratsvorsitzende Präses Anette Kurschus und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Foto: IDEA/ Karsten Huhn

Berlin (IDEA) – Die EKD-Ratsvorsitzende, Präses Anette Kurschus (Bielefeld), hat dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill (Moskau) „Gotteslästerung“ vorgeworfen. Beim Johannisempfang der EKD am 22. Juni in Berlin sagte Kurschus, es empöre sie, dass der Patriarch „einen Angriffskrieg als gottgewolltes Mittel darstellt, um seine eigene Auffassung des Christentums und seine Sicht der Geschichte durchzusetzen“. Kurschus: „Gott in dieser Weise vor den eigenen Karren zu spannen, halte ich für Gotteslästerung.“

Am Empfang nahmen rund 500 Gäste aus Politik und Gesellschaft teil, darunter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen).

Kurschus zufolge wird die EKD nicht die „ökumenischen Brücken“ zur orthodoxen Kirche abbrechen. Sie verurteile „ausdrücklich nicht die gesamte russische Orthodoxie“. Diese sei sehr vielstimmig. Zudem dürfe man die Verteidigung der Ukraine nicht „pauschal als Verteidigung westlicher Werte idealisieren“. Dies sei eine geschichtstheologische Überhöhung des Krieges. Beim Streit um die Verteidigung von Freiheit und Recht müsse man sich freihalten von Dämonisierungen, Entmenschlichung, bösartiger Unterstellung und hasserfüllter Abwertung.

Kurschus: „Niemand wird zum Heiligen, weil er das eigene Leben, die eigene Freiheit und die seiner Lieben verteidigt. Und es wird auch niemand zum Teufel, der – verbohrt und verführt, machtverstrickt und verirrt, dumm und in Böses verliebt – über die Freiheit, das Recht und das Leben anderer herfällt. Er bleibt auch dann noch Mensch.“

Christen dürfen ihre Meinung ändern

Im Streit um den Krieg in der Ukraine sei es die Aufgabe von Christen, „dem Nichtwissen das Wort zu geben, der Skepsis ihr Recht einzuräumen, dem Zweifel den Platz freizuhalten“. Ihre Aufgabe sei es, die Aporien und Dilemmata (Ratlosigkeit und Zwickmühlen) zu benennen. Auch die Bibel lasse Widersprüche bewusst nebeneinanderstehen, bringe sie in Dialog miteinander und hebe sie auf in einer größeren Wahrheit. Nötig sei eine Kommunikation, die es zulasse, Meinungen zu ändern, ohne dass dies „gönnerhaft als unentschiedenes Schwanken belächelt oder mit Häme als Schwäche aufgespießt wird.“

Kurschus hatte vor Beginn des russischen Angriffskrieges am 24. Februar vor Waffenlieferungen an die Ukraine gewarnt: „Unsere Kirche unterstützt die Regierung darin, keine Waffen in die Ukraine zu liefern“, so die Ratsvorsitzende am 12. Februar. Am 10. März bekräftigte sie: „Es bleibt dabei: Waffen sind kein Mittel, um Frieden zu schaffen.“ Allerdings sei es „schwierig, die geforderten Waffenlieferungen abzulehnen, wenn die Menschen sich nicht allein aus eigenen Kräften verteidigen können.“ Schließlich erklärte Kurschus am 27. April: „Aber ich erkenne die jetzt beschlossenen Waffenlieferungen als Mittel an, die Ukraine bei ihrem Überlebenskampf zu unterstützen.“

Steinmeier: Für die Kirchen wird es nicht einfacher

Steinmeier sagte in einem Grußwort, die Zeiten seien für die Kirchen nicht einfacher geworden. Die Menschen wollten eine moderne und aufgeschlossene Kirche, die zugleich unverwechselbar sei und Orientierung gebe. Das schaffe Spannungen. Es sei eine Herausforderung, nicht auf alle gutgemeinten Ideen aufzuspringen. Die Kirchen müssten die Frage beantworten, „worauf wir uns im Leben und im Sterben verlassen können“. Steinmeier empfahl den Kirchen eine „Konzentration auf das Wesentliche“. Zudem dürfe die Kirchen nicht aus Angst vor Bedeutungsverlust nur um sich selbst kreisen.

Beim Empfang wurde der Bevollmächtigte des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, Prälat Martin Dutzmann, in den Ruhestand verabschiedet. Dutzmann hatte das Amt des Bevollmächtigten seit 2013 inne. Zuvor war er Bischof für die Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr und Landessuperintendent der Lippischen Landeskirche. Ein Nachfolger steht noch nicht fest. Solange übernimmt der stellvertretende Bevollmächtigte, Stephan Iro, die Leitung.

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