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Diskussion: Pfarramt für Absolventen freier Hochschulen öffnen?

08.02.2023

v.l.n.r.: Prof. Roland Deines, Jonathan Reinert (Moderator der Veranstaltung) und Prof. Volker Drecoll. Foto: Nathanael Kugler
v.l.n.r.: Prof. Roland Deines, Jonathan Reinert (Moderator der Veranstaltung) und Prof. Volker Drecoll. Foto: Nathanael Kugler

Tübingen (IDEA) – Soll man das Pfarramt für Absolventen freier Hochschulen öffnen?

Darüber haben Theologieprofessoren in Tübingen diskutiert. Anlass der Debatte war eine Entscheidung der württembergischen Landessynode im November 2022, wonach Absolventen staatlich anerkannter freier Hochschulen einen Zugang zum Pfarrdienst erhalten sollen. Dieser ist zunächst auf zehn Jahre befristet und soll nach acht Jahren evaluiert werden.

Der Professor für Kirchengeschichte und Ephorus (Leiter) des Evangelischen Stifts in Tübingen, Volker Henning Drecoll, hält die Öffnung des Pfarramtes für einen Fehler, weil sie „ein erhebliches Spaltungs- und Streitpotenzial mit sich bringt“. Das sagte er bei der Podiumsdiskussion an der Universität Tübingen vor über 100 Zuhörern. Drecoll sieht hinter der entsprechenden Entscheidung der württembergischen Landessynode „einen weiteren Versuch, Parallelstrukturen zu errichten“, mit denen „ein bestimmtes Frömmigkeitsprofil in die Landeskirche hineingedrückt werden soll“.

Die Funktion der theologischen Fakultäten sei nicht durch freie Hochschulen ersetzbar, da sich diese statt dem Land Baden-Württemberg zunächst gegenüber ihren privaten Trägern verantworten müssten. Um Theologen auf das Pfarramt als öffentliches Amt vorzubereiten, sei es wichtig, im Studium die eigene Frömmigkeit zu hinterfragen und „Distanz zu sich selbst aufzubauen“, so Drecoll weiter.

Die Universität sei ein Ort, an dem verschiedene, auch freikirchliche, Strömungen zusammenkommen könnten. Den geringen Praxisanteil im Studium bezeichnete er hingegen als unproblematisch, da die Anforderungen an die pfarramtliche Praxis der kommenden Jahrzehnte sowieso kaum vorherzusehen seien.

Prof. Deines: Auch Bachelor und Master qualifizieren für geistliches Amt

Der Professor für Biblische Theologie und Antikes Judentum sowie Prorektor der Internationalen Hochschule Liebenzell (IHL), Roland Deines, betonte, dass die IHL mit ihrem praxisorientierten und interkulturellen Profil viel in der Kirche beitragen könne. Er wehrte sich gegen den Vorwurf, dass die IHL lediglich universitäre Forschung weiterverarbeite. In der Reflexion des Christlichen in der Öffentlichkeit nehme sie teils sogar eine Vorreiterrolle ein, etwa mit der kürzlich erschienenen „Stuttgarter Gottesdienst- und Gemeindestudie“.

Es sei bizarr, sich die IHL als „fundamentalistische Blase“ vorzustellen. Die Hochschule werde regelmäßig staatlich akkreditiert, und das Kollegium sei gut in den wissenschaftlichen Diskurs eingebunden. An den Universitäten kritisierte er den mangelnden Blick für die vielseitige Weltchristenheit. Deines: „Aus internationaler Perspektive gibt es nichts dogmatisch Verengteres als das theologische Profil an Fakultäten in Deutschland“. Das zeige unter anderem die verschwindend geringe Zahl von Professoren mit evangelikalen oder charismatischen Positionen.

Weltweit sei es dagegen selbstverständlich, „dass Bachelor- und Masterstudiengänge für ein geistliches Amt qualifizieren“. Im vergangenen Jahr haben elf Studenten das Bachelorstudium Evangelische Theologie an der IHL begonnen, die evangelische Fakultät Tübingen verzeichnete 18 neue Anwärter auf das Pfarramt.

Landeskirchen uneins über Zugänge zum Pfarramt

Initiiert wurde die Podiumsdiskussion vom Arbeitskreis Pietismus der Fachschaft Evangelische Theologie an der Universität Tübingen. Während die Landeskirchen in einer Umfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur IDEA unterschiedlich auf den Beschluss der Landessynode reagierten, bezeichnete sich die Konferenz der Ausbildungsreferenten der EKD-Gliedkirchen als „grundsätzlich offen“ für die Zusammenarbeit mit freien Hochschulen.

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