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Kommentar

Berufungsverhandlung: Dürfen Christen auf einem Gehsteig beten?

26.08.2022

Der Rechtsanwalt Felix Böllmann ist für die christliche Menschenrechtsorganisation ADF International tätig. Foto: Bruce Ellefson
Der Rechtsanwalt Felix Böllmann ist für die christliche Menschenrechtsorganisation ADF International tätig. Foto: Bruce Ellefson

Darf man in Deutschland auf einem öffentlichen Gehsteig beten? Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim hatte Anfang Dezember die Berufung gegen das Verbot von stillen Gebetsversammlungen in der Nähe der pro-familia-Beratungsstelle in Pforzheim zugelassen. Den Antrag hatte die Lebensrechtlerin Pavica Vojnović gestellt. Am 25. August fand nun die mündliche Verhandlung statt. Dazu eine Einordnung des für die christliche Menschenrechtsorganisation ADF International (Allianz zur Verteidigung der Freiheit) tätigen Rechtsanwalt Felix Böllmann.

Begonnen hatte alles vor drei Jahren. 2019 erteilte die Pforzheimer Stadtverwaltung die Auflage, dass die Gebetsversammlung der Gruppe „40 Tage für das Leben“ nicht wie früher vor der Niederlassung der Abtreibungsorganisation pro familia in Pforzheim stattfinden durfte. Vertreter von pro familia hatten sich massiv bei der Stadt dafür eingesetzt.

Seitdem treffen sich die Beter, zu der auch Pavica Vojnović gehört, am zugewiesenen Ort außerhalb der Hör- und Sichtweite der Beratungsstelle. Zugleich klagte Vojnovic aber gegen die Einrichtung einer „gebetsfreien Zone“. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe wies die Klage im Mai 2021 ab – mit der pauschalen Begründung, ratsuchende Frauen würden dadurch belästigt. Doch Vojnović gab nicht auf. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim ist nun schon die zweite Instanz, die sich mit dem Fall befasst.

In der mündlichen Verhandlung am 25. August stellte Vojnovićs Rechtsanwalt klar, dass Zweck und Inhalt der Veranstaltungen schlicht das Gebet sei. Das Argument der Stadt, sie wolle die Anonymität der Frauen schützen, die die Beratungsstelle aufsuchen, ließ das Gericht nicht gelten: Im öffentlichen Raum sei Anonymität nicht garantiert. Außerdem könne der Veranstalter einer Versammlung entscheiden, an welchem Ort diese stattfinden soll.

Das Urteil steht noch aus

Das Gericht kündigte die Zustellung des Urteils an – ohne einen Termin zu nennen. Vojnović zeigte sich nach der Verhandlung jedoch zuversichtlich, dass ihre Versammlungs-, Religions-, und Meinungsfreiheit bald bestätigt werden. Eine solche Entscheidung wäre sehr zu begrüßen. Denn die vom Grundgesetz garantierte Versammlungsfreiheit erlaubt es allen Bürgern, sich friedlich und ohne Waffen an einem Ort ihrer Wahl zu versammeln. Den friedlichen Charakter der Gebetsmahnwache um Vojnović hatte eine Polizeistreife sogar ausdrücklich festgestellt. Rechtlich gesehen steht die Wahl des Ortes und der Versammlungsmittel dem Veranstalter zu.

Weil die „40 Tage für das Leben“-Gruppe sich zum Gebet versammelte, gilt in diesem Fall auch die Religionsfreiheit. Im Völkerrecht bedeutet das die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat zu bekennen. Das gemeinsame öffentliche Gebet ist also ausdrücklich geschützt.

Das Urteil in dem Fall wird zeigen, in welche Richtung sich Deutschland bewegt. Erhält und bestätigt das Gericht den robusten Schutz für die im Grundgesetz garantierten Freiheitsrechte? Das wäre für alle Menschen – nicht nur für die Beter in Pforzheim – eine sehr gute Nachricht.

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