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Austritte: Landeskirchen setzen auf Reformen und neue Angebote

08.03.2023

380.000 Menschen sind 2022 aus der evangelischen Landeskirche ausgetreten. Foto: Picture Alliance/Michael Bihlmayer
380.000 Menschen sind 2022 aus der evangelischen Landeskirche ausgetreten. Foto: Picture Alliance/Michael Bihlmayer

München/Düsseldorf/Karlsruhe (IDEA) – Die evangelischen Landeskirchen in Deutschland setzen auf Strukturreformen und neue Angebote, um dem Mitgliederschwund entgegenzuwirken. Das zeigen die Reaktionen auf aktuelle Zahlen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Ihre Pressestelle hatte am 7. März in Hannover mitgeteilt, dass die Zahl der Ausgetretenen 2022 bei 380.000 (Stichtag 31. Dezember) lag. Das ist ein gutes Drittel mehr (35,7 Prozent) als im Vorjahr (280.000). 2020 waren es fast 220.000 Austritte. Die Zahl der Aufnahmen liege mit rund 19.000 auf Vorjahresniveau.

Bayern: Ehe-Aktion und digitale Verkündigung

Der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Heinrich Bedford-Strohm (München), erklärte: „Wir sind mittendrin, die Kirche umzubauen, damit sie attraktiver wird für religiös ansprechbare Menschen, für Menschen, die nach dem Sinn in ihrem Leben suchen.“ Die Landeskirche habe vor einem Jahr drei Millionen Euro bereitgestellt, um in bisher 40 kirchlichen „Startups“ neue Formen von Kirche auszuprobieren.

Ein Beispiel für einen „mutigen und kreativen Schritt“ sei die Aktion „Einfach heiraten“. Dabei bieten am 23. März mehr als zwölf Kirchengemeinden Paaren „ohne Vorbedingungen“ für ihre Partnerschaft den Segen Gottes an. Konservative Christen haben Kritik an der Aktion geübt. Als weitere Maßnahme gegen den Mitgliederschwund will die Kirche neue Verkündigungsformen im digitalen Raum ausbauen, etwa die Einrichtung von „digitalen Gemeinden“.

Rheinland: Stärker den Menschen zuwenden

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel (Düsseldorf), verwies auf das Positionspapier „E.K.I.R. 2030“, mit dem die Landeskirche bereits 2021 auf sinkende Mitgliederzahlen reagiert habe. Es beschreibe eine Strategie und münde in konkrete Projekte auf den Themenfeldern Mitgliederorientierung, Organisation, junge Generation, Digitalisierung und Vernetzung. Ziel sei, die Strukturen der Landeskirche so zu verändern, dass sie sich stärker den Menschen zuwenden könne. „Wir müssen Menschen in ihrem Leben begleiten, Kontakte neu suchen, gerade in kritischen Zeiten Hoffnung, Heimat und Halt vermitteln“, sagte Latzel.

Baden: „Nichts muss bleiben, wie es ist“

Die Evangelische Landeskirche in Baden teilte mit, sie reagiere auf die sinkenden Mitgliederzahlen und tiefgreifende Veränderungen in der Gesellschaft mit einem weitgefassten Zukunftsprozess namens „ekiba2032“. Landesbischöfin Heike Springhart (Karlsruhe) habe auf einem „Zukunftstag“ am 4. März erklärt, in der Kirche müsse „nichts bleiben, wie es ist“.

In der badischen Landeskirche gebe es zahlreiche kreative zukunftsweisende Projekte, wie etwa die ökumenische Citykirchenarbeit in Pforzheim, die mit Angeboten wie Narrengottesdiensten, Theaterstücken und Jazzvespern die unterschiedlichsten Besucher anlocke. Ein weiteres Beispiel sei der Gemeinschaftsgarten „Paradieschen“, der auf dem Gelände um die Markuskirche in Singen mitten in der Stadt nicht nur eine grüne Oase, sondern auch eine wachsende Gemeinschaft vieler begeisterter Hobby-Gärtner schaffe.

Braunschweig: Geistiges Erbe des Christentums lebendig halten

Der Landesbischof der braunschweigischen Landeskirche, Christoph Meyns (Wolfenbüttel), erklärte, die Kirche habe wiederholt ihr inhaltliches Profil sowie die Zugänglichkeit und Glaubwürdigkeit ihrer Arbeit kritisch überprüft und weiterentwickelt. Das geschehe derzeit erneut im Rahmen eines Zukunftsprozesses. Die Kirche halte das geistige Erbe des Christentums lebendig. Auf dieser Grundlage vermittle sie Menschen ein solides Wertefundament, fördere Verantwortungsbewusstsein, Gemeinsinn und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Außerdem pflege sie das kulturelle Erbe im Braunschweiger Land.

Hessen-Nassau: Junge Menschen in den Blick nehmen

Laut dem Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Volker Jung (Darmstadt), hat sie angesichts des gesellschaftlichen Wandels bereits 2018 den umfassenden Reformprozess „ekhn2030“ eingeleitet. Er solle unter anderem die Lebenswelt Jüngerer und junger Erwachsener stärker in den Blick nehmen. Als einzige Landeskirche Deutschlands veranstalte die EKHN beispielsweise alle zwei Jahre einen speziellen Jugendkirchentag für bis zu 4.000 Teilnehmer.

Berlin-Brandenburg: Innovationskraft und Rückbesinnung

Dem Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Christian Stäblein (Berlin), zufolge befindet sich die Landeskirche im Veränderungsprozess. Seit Jahren setze sie mit viel Innovationskraft auf alternative Gottesdienstformen, zeitgemäße Begegnungsstätten oder kreative Angebote der Lebensordnung in Form von „Pop-up-Hochzeiten“, Segnungszeremonien oder alternativen Tauffesten.

Stäblein weiter: „Was uns Christen eint, ist der Glaube an Frieden, die Hoffnung auf Liebe und Vergebung und die Überzeugung, dass unser Leben einen Sinn von Gott hat – innerhalb wie außerhalb der Kirche.“ Auf dieses Kraftzentrum christlicher Haltung müsse die Kirche sich wieder mehr besinnen.

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