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Politik

Internationale Kritik an Umwandlung der Hagia Sophia in Moschee

11.07.2020

Die Hagia Sophia war im 6. Jahrhundert als Kirche des griechisch-orthodoxen Kaiserreichs Byzanz erbaut worden. Foto: pixabay.com
Die Hagia Sophia war im 6. Jahrhundert als Kirche des griechisch-orthodoxen Kaiserreichs Byzanz erbaut worden. Foto: pixabay.com

Istanbul/Athen/München (idea) – Die Entscheidung des Obersten Verwaltungsgerichts der Türkei, die Hagia Sophia in Istanbul wieder in eine Moschee umzuwandeln, stößt international in Kirchen und Politik auf Kritik. Unmittelbar nach Bekanntgabe des Urteils übergab der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan per Dekret die Hagia Sophia an die Religionsbehörde Diyanet. In einer Fernsehansprache kündigte er an, dass dort am 24. Juli die ersten muslimischen Gebete abgehalten werden. Er versicherte zugleich, dass die Türen der Hagia Sophia für Muslime und Nicht-Muslime offen sein werden. Muslime bejubelten das Urteil vor dem Gebäude und riefen „Allah ist groß“. Die Hagia Sophia war im 6. Jahrhundert als Kirche des griechisch-orthodoxen Kaiserreichs Byzanz erbaut worden. Nach der Eroberung Konstantinopels durch Truppen des Osmanischen Reiches diente sie ab 1453 als Moschee. 1934 wurde sie in ein Museum umgewidmet.

Patriarch Kirill: Russisches Volk empfindet „großen Schmerz“

Scharfe Proteste ruft die jetzige Entscheidung insbesondere bei Staaten hervor, die vom orthodoxen Christentum geprägt sind. So nannte die griechische Präsidentin Katerina Sakellaropoulou die Umwandlung einen „zutiefst provokanten Akt gegen die internationale Gemeinschaft“. Die Umnutzung beleidige auf „brutale Weise das historische Gedächtnis, untergräbt den Wert der Toleranz und vergiftet die Beziehungen der Türkei zur gesamten zivilisierten Welt“. Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kirill, erklärte, die Entscheidung füge dem russischen Volk, das sich mehrheitlich zur Orthodoxie bekenne, „großen Schmerz“ zu. Kritik übten ferner unter anderen die Regierungen von Russland, der USA und von Frankreich.

Grübel für gemeinsame Nutzung der Hagia Sophia durch Muslime und Christen

Auch in der deutschen Politik gibt es heftigen Widerspruch. Der Beauftragte der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit, Markus Grübel (CDU), sprach von einer „unnötigen Provokation der orthodoxen Christen“, insbesondere in Griechenland und Russland. Die Umwandlung habe innenpolitische Gründe. Das Ansehen des türkischen Präsidenten werde schwächer. „Er macht Symbolpolitik“, sagte Grübel gegenüber domradio.de. Er hätte sich gewünscht, dass die Hagia Sophia „bei einer Statusänderung als Ort zur Begegnung und des Austausches zwischen beiden Religionen dient oder als Simultangotteshaus, das von Muslimen und Christen gemeinsam genutzt wird“. Der europapolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Florian Hahn (CSU), forderte, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu beenden: „Alles andere wäre eine Farce. Die EU darf nicht länger gute Miene zum bösen Spiel Erdogans machen.“

EKD fordert Rücknahme der Entscheidung

Kritische Reaktionen löste der Beschluss auch bei den beiden großen Kirchen in Deutschland aus. Der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (München), spricht auf Facebook von einer Anordnung des türkischen Präsidenten und forderte eine Rücknahme der Entscheidung. Seit ihrer Errichtung im 6. Jahrhundert sei die Hagia Sophia das Zentrum der östlichen Christenheit gewesen. Als Museum sei sie ab 1935 von vielen Menschen seither als Ort eines friedlichen Zusammenlebens der Religionen besucht worden. „Das war gut so.“ Dieses Ziel zu stärken, „sollte unser aller Ziel sein“ – auch die des staatlichen Handelns. „Die jetzige Entscheidung wirkt dem entgegen und sollte rückgängig gemacht werden“, so der EKD-Ratsvorsitzende.

Katholische Kirche: Die Entscheidung birgt Gefahren

Der Pressesprecher der (katholischen) Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp (Bonn), erklärte, die 1934 erfolgte Umwidmung der Hagia Sophia habe bis heute zu einer tragfähigen Befriedung geführt. Christen und Muslime hätten sich in je eigener Weise „auf dieses großartige Gebäude beziehen und sich mit ihm identifizieren“ können. Laut Kopp bergen der Gerichtsbeschluss und die Verlautbarung des türkischen Präsidenten demgegenüber „die Gefahr in sich, dass die Hagia Sophia künftig wieder als Symbol religiösen ‚Raumgewinns‘ gedeutet werden könnte. Wir werben deshalb für eine politische Entscheidung, die die Einheit des Landes und das Gefühl der Zusammengehörigkeit von Muslimen und Christen stärkt statt Bitterkeit zu schüren und Fliehkräfte zu begünstigen.“

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