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Corona: Geteilte Reaktionen auf Lieberknecht-Kritik an den Kirchen

19.05.2020

Die frühere thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU). Foto: zeichensetzen/Gideon Baake
Die frühere thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU). Foto: zeichensetzen/Gideon Baake

Berlin/München/Bonn (idea) – Unterschiedliche Reaktionen hat die Kritik der früheren thüringischen Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) an den Kirchen ausgelöst. In einem Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“ (Ausgabe 19. Mai) hatte die evangelische Theologin gesagt, die Kirche habe in der Corona-Krise „Hunderttausende Menschen alleingelassen – Kranke, Einsame, Alte, Sterbende“. Rund 8.000 Menschen seien an Covid-19 gestorben, aber seit März auch 150.000 Menschen aus anderen Gründen. „Wo war da das Wort der Kirchen?“, fragt Lieberknecht. Sie bezeichnet es als unmenschlich, dass Sterbende ohne Beistand in den Tod gingen: „Da wurde kein letzter Psalm gebetet, es gab keinen Trost, keine Aussegnung am Sterbebett.“ Trauerfeiern seien nur im kleinsten Kreis erlaubt gewesen. Dabei hätte es nach dem Infektionsschutzgesetz auch ein Recht für Geistliche auf die Begleitung von Sterbenden gegeben, so Lieberknecht. Auch die Schließung der Kirchen wäre nach ihren Worten nicht zwingend erforderlich gewesen.

Kirchen weisen Vorwürfe zurück

Der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (München), wies die Kritik entschieden zurück. Lieberknecht tue damit allen Seelsorgerinnen und Seelsorgern Unrecht, die sich in den vergangenen Monaten für andere Menschen aufgerieben hätten. „Die Kirchen haben unter schwierigsten Bedingungen vielerlei politischer Verbote das ihnen Mögliche getan, um ihren Dienst zu tun und Gottes Wort auszurichten“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Nicht wenige hätten dabei auch persönlich viel riskiert. „Eine solche Schelte von politischer Seite ist daher unangemessen“, so Bedford-Strohm. Auch die (katholische) Deutsche Bischofskonferenz widersprach Lieberknecht. Das glatte Gegenteil sei richtig. „Unsere Krankenhausseelsorger haben Unglaubliches geleistet, unsere Palliativbegleiter ebenfalls“, sagte der Sprecher der Bischofskonferenz, Matthias Kopp (Bonn). Die Kritik sei nicht nachvollziehbar.

Hahne pro Lieberknecht: Kirche hat ihre Glaubwürdigkeit verspielt

Unterstützung erhält Lieberknecht dagegen vom früheren EKD-Ratsmitglied und Bestsellerautor Peter Hahne (Berlin). Er hatte bereits vor Wochen gefordert, dass Kirchen sich den staatlichen Anordnungen widersetzen sollten. Hahne sagte gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea: „Sosehr ich die Internet-Aktivitäten kreativer Gemeinden bewundere, ist man dem Irrtum aufgesessen, als würde ein Video und ein bisschen Singen und Winken unter dem Balkon die persönliche Seelsorge und die Begleitung alter und sterbender Menschen in den isolierten Heimen ersetzen.“ Die Kirche hätte nach seiner Ansicht darum kämpfen müssen, ihre Pfarrer nach Gesundheitstests zu den kranken Menschen schicken zu dürfen – auch in überforderte Familien, in denen Kinder misshandelt und missbraucht würden. Hahne: „Wer Mittelmeer-Schiffe zur Unterstützung von Schlepperbanden anheuert und die ‚Heilige Greta‘ anhimmelt, jedoch die Schwächsten der Schwachen der Hölle von Einsamkeit und Gewalt überlässt, hat jede Glaubwürdigkeit verspielt.“ Wie man Militärpfarrer in schwierigste Bundeswehreinsätze entsende, „hätte man Corona-Pfarrer in die Isolationsheime schicken müssen“, so Hahne.

Altbischof Huber zeigt Verständnis für die Kritik

Für teils gerechtfertigt hält der frühere EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber (Berlin) die Kritik von Lieberknecht . „Sie hat in sicherlich überspitzter Form Sorgen und Enttäuschungen zum Ausdruck gebracht, mit denen sie nicht allein steht“, sagte Altbischof Huber der Deutschen Presse-Agentur. Die Kirche habe auch nach seinem Gefühl die Aufgabe der Seelsorge und Fürsorge für Kranke, Alte und Sterbende „nicht mit dem gebotenen Nachdruck herausgestellt“. Allerdings hätten die Seelsorger in der Krise trotz aller Beschränkungen sehr viel geleistet. Selbst im nicht besonders kirchlich geprägten Berlin hätten Geistliche immer Zugang zu Schwerkranken bekommen, selbst wenn Angehörige abgewiesen worden seien. Es habe in Berliner Krankenhäusern keine Unterbrechung der Seelsorge gegeben.

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