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Kommentar

Und noch ein schiefer Nazi-Vergleich

07.04.2022

IDEA-Redakteur David Wengenroth. Grafik: IDEA
IDEA-Redakteur David Wengenroth. Grafik: IDEA

Die Bundesfrauenkonferenz des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) behauptet, hinter dem Werbeverbot für Abtreibungen in Paragraf 219a stehe „ein faschistisches Frauenbild“. Der Vorwurf ist historisch schief und infam. Ein Kommentar von IDEA-Redakteur David Wengenroth

Wer geglaubt hat, in der Diskussion über die geplante Abschaffung des Paragrafen 219a des Strafgesetzbuches könne das Niveau nicht noch weiter sinken, der wird gerade eines Schlechteren belehrt. Jetzt erklärt die Bundesfrauenkonferenz des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) in einem Beschluss, hinter der Vorschrift stehe „ein faschistisches Frauenbild“. Begründung: „Es war unter anderem der nationalsozialistische Gesetzgeber, der unterstellte, dass erst Annoncen für Abtreibungspraxen die schwangeren Menschen auf die Idee eines Schwangerschaftsabbruchs bringen würden.“

Die Argumentation ist schief und infam. Die jungen Katholikinnen berufen sich auf den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages. Der schreibt tatsächlich, dass das Werbeverbot 1933 von den Nazis eingeführt wurde. Aber er schreibt in derselben Publikation auch, dass es nach dem Krieg weiter galt, weil ihm „durch die Alliierten kein spezifischer NS-Gehalt zugeschrieben wurde“. Und dass es bei der großen Strafrechtsreform der sozialliberalen Koalition von 1974 ausdrücklich bestätigt wurde. Nach der Logik der BDKJ-Frauen hätten sowohl die Alliierten als auch die sozialliberale Koalition ein „faschistisches Frauenbild“ gehabt.

Das ist natürlich Unsinn. Der Wissenschaftliche Dienst berichtet über die Motive des Gesetzgebers von 1974: „Durch die Vorschrift sollte verhindert werden, dass der Schwangerschaftsabbruch ,als etwas Normales dargestellt wird und kommerzialisiert wird‘.“ Daran ist damals wie heute nicht der leiseste Hauch von faschistischem Gedankengut. Im Gegenteil: Man würde sich wünschen, dass SPD und FDP heute noch genauso verantwortungsvoll handeln würden wie seinerzeit.

Trotzdem jubelt der BDKJ-Beschluss den Kritikern der 219a-Abschaffung eine Nähe zur Nazi-Ideologie unter, die nicht besteht. Das ist infam. Man kann den jungen Katholikinnen allenfalls nachsichtig zugestehen, dass sie ja nur nachmachen, was zur Zeit viele tun: Auf alles, was einem nicht passt, mit der Nazi-Keule draufhauen. Aber auch wenn es viele tun, ist es nicht in Ordnung. Nebenbei bemerkt: Das gilt auch für Lebensschützer, die Abtreibungen mit dem Holocaust gleichsetzen. Das Anstellen schiefer Nazi-Vergleiche ist eine Unsitte, die niemandem hilft.

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