Ressorts
icon-logo

Interview

Sauna, Natur und Glaube: So finden die Finnen ihr Glück

03.04.2025

„So etwas Schönes, Kraftvolles, perfekt Geplantes. Ich glaube, dass wir Christen uns über die Natur noch mehr freuen können als Nichtchristen.“ Foto: iStockphoto/wmaster890
„So etwas Schönes, Kraftvolles, perfekt Geplantes. Ich glaube, dass wir Christen uns über die Natur noch mehr freuen können als Nichtchristen.“ Foto: iStockphoto/wmaster890

Finnland ist das Land mit den glücklichsten Menschen weltweit: Zum achten Mal in Folge führt der skandinavische Staat den jüngst erschienenen „Weltglücksreport“ an. Hat das auch mit dem Christentum zu tun? Das wollte IDEA-Redakteurin Erika Gitt von Pauli Pulkkinen wissen. Er ist waschechter Finne und engagierter Christ.

IDEA: Was macht die Finnen im Vergleich zu uns Deutschen glücklicher?

Pulkkinen: Ein Punkt ist sicher die Zahl der Einwohner. In Deutschland leben etwa 15-mal so viele Menschen wie in Finnland mit nur 5,5 Millionen Einwohnern – dabei sind beide Länder fast gleich groß. Das Leben in Finnland ist viel entspannter. Zudem gibt es einen großen Unterschied in puncto Natur und dem Umgang mit ihr. In Finnland gilt das „Jedermannsrecht“, das Jokamiehen oikeudet: Alle Menschen dürfen das genießen, was die Natur an schönen Sachen anbietet, also überall zelten, Beeren und Pilze sammeln, Blumen pflücken, in den Seen schwimmen – natürlich alles respektvoll. 

Außerdem hat das Saunieren eine lange Geschichte und eine andere Dimension als in Deutschland. In der Sauna – in der Regel saunieren Männer und Frauen getrennt – ist Zeit zum geselligen Austausch, aber auch zur inneren Einkehr. Ich würde auch sagen, dass Themen wie Chancengleichheit in Finnland stärker ausgeprägt sind.

IDEA: Was meinen Sie?

Pulkkinen: Verglichen mit anderen Ländern könnte in Finnland praktisch jeder studieren, unabhängig von sozialer Herkunft und finanziellem Hintergrund. Es gibt viel staatliche Unterstützung. Ich habe außerdem den Eindruck, dass die Menschen das Gefühl haben, in einem intakten System zu leben. Das Vertrauen in die politische Führung ist etwas höher als in Deutschland. Das hat wiederum mit der relativ großen Offenheit der Gesellschaft zu tun. Allgemeine Sicherheit und Sauberkeit sind ebenfalls auf einem hohen Niveau. Und nicht zuletzt sind die Finnen vielleicht etwas bescheidener als die Deutschen, was das Materielle betrifft. Die Finnen gelten allgemein als eher ruhig, bescheiden und lieben es, minimalistisch zu leben. Auch der persönliche Status oder Erfolge werden nicht so nach außen getragen. Man stellt sich nicht so in den Mittelpunkt.

„Die Natur in Finnland ist einfach atemberaubend. Einen Christen führt das fast zwangsläufig in Gedanken zum Schöpfer dieser wunderbaren Natur und zur Anbetung Gottes.“

IDEA: Gleichzeitig sind die Finnen am häufigsten betrunken. Im internationalen Ländervergleich liegen sie auf Platz 2 mit 23,8 Tagen im Jahr, an denen sie über die Stränge schlagen. Wie passt das zusammen?

Pulkkinen: Das Thema beschäftigt die finnischen Gesundheitsbehörden seit langem. Auch wenn die Finnen im Schnitt nicht mehr Alkohol als andere Europäer konsumieren, betrinken sie sich recht gerne – ähnlich wie die Briten oder Dänen. Das Problem liegt wohl in der geselligen Kultur begründet: Das Betrinken ist gesellschaftlich akzeptiert, es gilt teilweise sogar als cool. Das zu ändern ist eine schwierige Aufgabe.

IDEA: Worin unterscheiden sich finnische Christen und Nichtchristen beim Thema Glück?

Pulkkinen: Generell glaube ich, dass sie sich nicht so sehr von denen in anderen westlichen Ländern unterscheiden. Subjektiv betrachtet kann ich sagen: Die Natur in Finnland ist einfach atemberaubend, zum Beispiel das dumpfe Donnern, wenn sich das Eis in einem See ausdehnt. Das ist beeindruckend und fast angsteinflößend. Einen Christen führt das fast zwangsläufig in Gedanken zum Schöpfer dieser wunderbaren Natur und zur Anbetung Gottes. So etwas Schönes, Kraftvolles, perfekt Geplantes. Ich glaube, dass wir Christen uns über die Natur noch mehr freuen können als Nichtchristen. Ich kann das wissenschaftlich nicht belegen, aber überraschen würde es mich keineswegs.

„Das Vertrauen in die politische Führung ist etwas höher als in Deutschland.“

IDEA: Spielen die Landes- und Freikirchen oder die Christen in Finnland generell beim Glücklichsein eine Rolle?

Pulkkinen: Ich denke schon. Vor gut 70 Jahren gehörten rund 95 % der Finnen zur Evangelisch-Lutherischen Kirche. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass die Kirche damals einen großen Einfluss auf die Gesellschaft und ihre Menschen hatte. Gerade nach dem harten Krieg war die Botschaft von der Zukunft und Hoffnung, die nur Jesus geben kann, wichtig. Es entstanden mehrere Erweckungsbewegungen. Auch in der Landeskirche war es eher die Regel, dass die Pfarrer selbst wiedergeborene Christen waren. Die Kirche war eine glaubwürdige und starke Verkündigerin des Evangeliums. 

Heute gehören lediglich rund 62 % der Bevölkerung einer evangelisch-lutherischen Kirche an. Dadurch hat natürlich auch der Einfluss der Kirche auf das alltägliche Leben abgenommen. Es gibt – Gott sei es gedankt – aber immer noch lebendige Gemeinden, die eine positive Ausstrahlung in ihrem Umfeld haben. Die Evangelisch-Lutherische Kirche macht eine gute diakonische Arbeit. Und das trägt zusammen mit der Sozialarbeit des Staates sicherlich zum Glücklichsein der Finnen bei. Den restlichen Kirchen und Freikirchen gehören etwa 2 % der Bevölkerung. Auch sie werden sicher einen positiven Einfluss auf die Umgebung haben und Mitmenschen helfen.

IDEA: Welchen Tipp haben Sie, damit wir Deutschen glücklicher werden?

Pulkkinen: Ich halte es mit dem finnischen Präsidenten Alexander Stubb, der kürzlich sagte: „Wenn es brenzlich wird, dann schalten Sie einen Gang runter, und gehen Sie in die Sauna.“ Aber noch viel wichtiger finde ich die Bibelstelle Johannes 14,27. Dort sagt Jesus: „Meinen Frieden gebe ich euch.“ Inneren Frieden und das damit verbundene wahre Glück können wir letztendlich nur in Jesus finden – egal was der Weltglücksreport sagt. Danach sollten wir trachten.

IDEA: Vielen Dank für das Gespräch.

Pauli Pulkkinen ist in Parikkala im Osten Finnlands geboren. Der Diplomübersetzer lebte und arbeitete sowohl in Deutschland als auch in Finnland. Der 71-Jährige ist mit einer Finnin verheiratet und hat vier Kinder. Seit Mitte der 90er Jahre ist er in der Christusgemeinde Diespeck in Mittelfranken in verschiedenen Funktionen aktiv. Foto: Privat

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

IDEA liefert Ihnen aktuelle Informationen und Meinungen aus der christlichen Welt. Mit einer Spende unterstützen Sie unsere Redakteure und unabhängigen Journalismus. Vielen Dank. 

Jetzt spenden.

4 Wochen IDEA Digital 8,95 Euro 1,00 Euro

Entdecken auch Sie das digitale Abo mit Zugang zu allen Artikeln auf idea.de