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Bericht

Kämpfen und weiterleben

20.12.2024

Gedenkstätte Butscha: Martin Scheuermann und Manuel Hagel bringen ihre Trauer vor Gott. Foto: Marcel Ditrich
Gedenkstätte Butscha: Martin Scheuermann und Manuel Hagel bringen ihre Trauer vor Gott. Foto: Marcel Ditrich

Fünf Tage lang reiste Martin Scheuermann durch die Ukraine. Der Direktor des Christlichen Gästezentrums Württemberg „Schönblick“ in Schwäbisch Gmünd berichtet über Trauer in Butscha, einen deutschen Scharfschützen und die Folgen eines spontanen Gesprächs über Jesus.

Auf der 32-stündigen Fahrt nach Kiew stockt plötzlich der Nachtzug. Was ist passiert? Etwa 500 Meter neben uns wird ein Umspannwerk bombardiert – und fliegt in die Luft. Wir haben keinen Strom. Teilweise geht es im Schritttempo weiter. Mit dreieinhalbstündiger Verspätung erreichen wir Kiew.

Ich bin Teil einer achtköpfigen Delegation unter der Leitung des Fraktionsvorsitzenden der CDU im Landtag von Baden-Württemberg, Manuel Hagel. Er kandidiert für das Amt des Ministerpräsidenten. Fünf Tage lang werden wir in der kriegsgebeutelten Ukraine unterwegs sein. Manuel Hagel möchte mich als Pfarrer und geistlichen Beistand auf dieser herausfordernden Reise dabeihaben. Das empfinde ich als ein starkes Statement für sein christliches Verwurzeltsein.

Eine Station ist die Kleinstadt Butscha, nur 35 Kilometer von Kiew entfernt. Hier fand 2022 in den ersten Kriegswochen ein bestialisches Massaker russischer Soldaten unter der Zivilbevölkerung statt. Wir besuchen die Gedenkstätte. Eine Ausstellung mit Fotos zeigt uns das ganze Ausmaß der grausamen Geschehnisse. In einer spontanen Kurzpredigt und einem Segensgebet bringen wir unsere Trauer vor Gott.

Erinnerung an die Opfer des russischen Angriffskrieges in Butscha. Foto: Marcel Ditrich

„Der Krieg ist furchtbar”

Im Reha-Zentrum für verwundete Soldaten treffen wir später Otto S. aus Memmingen. Als Scharfschütze unterstützt er die ukrainische Armee. Seine einzige Aufgabe: russische Soldaten erschießen. Stolz berichtet uns Otto S., dass er nach einem erlittenen Lungendurchschuss noch drei Soldaten ausgeschaltet habe.

Der Krieg ist furchtbar. Militärexperten sagen uns, dass im Monat Oktober 2024 etwa 60.000 russische Soldaten liquidiert worden seien. Zum Vergleich: Das deutsche Heer umfasst ohne Marine und Luftwaffe rund 62.000 Soldaten. Wenn Russland die Ukraine einnimmt, würden etwa eine Million ukrainische Soldaten von Putin ins russische Heer integriert werden – die dann gegen die Nato kämpfen müssten, so die Einschätzung von Militäranalysten.

Ein großer Kontrast zeigt sich in Kiew: Während an der Front ein erbitterter Abnutzungskrieg Hunderttausenden den Tod bringt, pulsiert das „normale“ Leben in der Millionenmetropole. Die Restaurants, Einkaufscenter und die U-Bahn-Stationen sind voll. Wir stecken dauernd im Stau fest und kommen oft zu spät zu Terminen. Scheinbar lässt sich die Bevölkerung vom nächtlichen Bombenalarm nicht beeindrucken. Auch wir sitzen bis spät abends gemeinsam im Hotel und reflektieren das Erlebte des vergangenen Tages. Meine Warn-App schalte ich auf stumm.

Unverhoffte Begegnung: Influencerin Alina mit Martin Scheuermann. Foto: privat

Glaubensgespräch mit Reichweite

Wir haben mehrere Treffen mit jungen Ukrainern. In Gesprächen mit Studenten fasziniert mich deren positive und hoffnungsvolle Haltung. Die jungen Menschen sind sehr fokussiert und glauben an die Zukunft und Freiheit der Ukraine. Ein für mich besonderes Erlebnis: Bei einem Treffen kommt die 20-jährige Alinaauf mich zu und bittet mich, ihr den christlichen Glauben zu erklären. Nach einem längeren Gespräch über die „Basics“ bete ich für sie und segne sie. Sichtlich berührt verabschiedet sie sich.

Am darauffolgenden Tag erfahre ich, dass Alina eine Influencerin mit 60.000 Followern ist. Noch am Abend hat sie glücklich von unserem Gespräch gepostet. Das Evangelium zieht Kreise. 

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