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„Fall Latzel“: Verteidigung lehnt Gutachterin wegen Befangenheit ab

13.05.2022

Olaf Latzel (Mitte) im Gerichtssaal. Foto: IDEA/David Wengenroth
Olaf Latzel (Mitte) im Gerichtssaal. Foto: IDEA/David Wengenroth

Bremen (IDEA) – Im Berufungsverfahren gegen den Pastor der Bremer St.-Martini-Gemeinde, Olaf Latzel, sind am zweiten Verhandlungstag am 13. Mai die Theologieprofessoren Isolde Karle (Bochum) und Ludger Schwienhorst-Schönberger (Wien) als Gutachter angehört worden. Nach der Befragung stellte Latzels Verteidiger Sascha Böttner (Hamburg) den Antrag, Karle wegen Befangenheit als Gutachterin abzulehnen.

Hintergrund: In dem Verfahren überprüft das Landgericht Bremen das Urteil des Amtsgerichts Bremen, das Latzel am 25. November 2020 wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 8.100 Euro (90 Tagessätze) verurteilt hatte. Der Grund waren Aussagen des Pastors in einem Eheseminar seiner Gemeinde im Oktober 2019.

Es wurde im März 2020 als Audiodatei auf YouTube veröffentlicht. Darin hatte er unter anderem Homosexualität als eine „Degenerationsform der Gesellschaft“ bezeichnet und gesagt: „Diese Homolobby, dieses Teuflische kommt immer stärker, immer massiver, drängt sich immer mehr hinein.“ Darüber hinaus sagte er: „Überall laufen diese Verbrecher rum vom Christopher Street Day.“

Latzel hatte sich für die Aussagen entschuldigt und die Aufzeichnung im Internet gelöscht. Die Bremische Evangelische Kirche hatte Latzel vorübergehend vom Dienst enthoben; inzwischen darf er aber wieder arbeiten.

Karle: Latzels Äußerungen waren unverantwortlich

Karle übte in ihrem Vortrag als Gutachterin scharfe Kritik an Latzels Äußerungen. Sie seien „jenseits des Korridors“, der als „evangelisch noch möglich“ zu betrachten sei. Latzel habe Homosexuelle aufgrund ihres „geschöpflichen Soseins“ als gottlos oder als Verbrecher bezeichnet und damit das zentrale biblische Gebot der Nächstenliebe missachtet.

Es sei heute „Konsens in der evangelischen Ethik“, dass Homosexualität nicht als Sünde anzusehen sei. Das zeige sich darin, dass mittlerweile alle evangelischen Landeskirchen die Trauung oder Segnung homosexueller Partner eingeführt hätten. Die Bibel äußere sich zwar an einigen Stellen negativ über homosexuelle Praxis, messe dem Thema aber keine zentrale Bedeutung bei.

Es sei auch nicht klar, welche sexuellen Praktiken mit den jeweiligen Textstellen (z.B. Römer 1,26-27) genau gemeint seien. Zur Zeit des Neuen Testaments etwa sei Homosexualität nicht als eine unveränderliche sexuelle Prägung gesehen worden, sondern als Laster, dem vor allem auch heterosexuelle Männer nachgingen.

Weiter sagte Karle, Latzel habe durch seine scharfen Formulierungen den Geist der Nächstenliebe missachtet. Er habe sich diffamierend über Homosexuelle und Geschiedene geäußert. Damit habe er unverantwortlich gehandelt und gegen sein Ordinationsgelübde verstoßen.

Verteidiger: Gutachterin war voreingenommen

Latzels Verteidiger Sascha Böttner begründete seinen Befangenheitsantrag damit, dass Karles Gutachten parteilich sei. Es zeige, dass die Theologin von vornherein eine „einseitige und ablehnende Haltung“ gegenüber Latzel eingenommen habe. So habe sie seine Äußerungen zu seinem Nachteil falsch interpretiert.

Außerdem weise das Gutachten wissenschaftliche Mängel auf und enthalte unzulässige rechtliche Wertungen. Über den Antrag wird am nächsten Verhandlungstag des Gerichts entschieden.

Schwienhorst-Schönberger: „Gute biblische Grundlage“

Der andere Gutachter, der katholische Theologe Schwienhorst-Schönberger, erklärte, Latzel habe für seine Bewertung der Homosexualität als sündhaft „von der Sache her eine gute biblische Grundlage“. Aus christlicher Sicht könne auch die radikale Gendertheorie als Widerspruch zur göttlichen Schöpfungsordnung gesehen werden. Das gelte auch für die Bewertung von Homosexualität als Degenerationsform der Gesellschaft. Diese Ansichten seien nicht Latzels „private Sondermeinung“, sondern würden weltweit nach wie vor von Theologen vertreten.

Die Schärfe, in der Latzel diese Ansichten zum Ausdruck gebracht habe, sei „irritierend“. Dabei gehe es ihm aber um eine inhaltliche Abgrenzung von falscher Lehre und nicht um eine Ausgrenzung anderer Menschen. Sie erinnerten an die prophetischen Gerichtsworte und gesellschaftskritischen Positionen des Alten wie des Neuen Testaments.

Das Gericht hat für das Verfahren insgesamt vier Verhandlungstage angesetzt. Die weiteren Termine für das Verfahren sind der 16. und der 20. Mai.

Lesen Sie zu dem Berufungsverfahren einen Kommentar von IDEA-Redakteur David Wengenroth.

Der Vorsitzende Richter Hendrik Göhner (Mitte) und die Schöffen. Foto: IDEA/David Wengenroth

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