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Menschenrechte

Wiener Attentat ist ein „Anschlag auf die Menschlichkeit“

03.11.2020

Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz zündet eine Gedenkkerze an. Foto: picture-alliance/Roland Schlager
Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz zündet eine Gedenkkerze an. Foto: picture-alliance/Roland Schlager

Wien/München (idea) – Mit Trauer und Bestürzung haben Kirchen- und Religionsvertreter in Österreich und Deutschland auf den islamistischen Terroranschlag am 2. November in Wien reagiert. Dabei hatte ein Täter vier Menschen erschossen, bevor er selbst von der Polizei getötet wurde. 22 Personen wurden verletzt.

Es gab bisher 18 Hausdurchsuchungen und 14 Festnahmen. Wie Österreichs Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) mitteilte, war der Attentäter Kujtim F. 20 Jahre alt, hatte einen österreichischen und einen nordmazedonischen Pass. Er sei einschlägig wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorbestraft und als IS-Sympathisant bekanntgewesen.

Der Glaube an Gott steht für Liebe

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (München), bezeichnete das Attentat als „Anschlag auf die Menschlichkeit“. Sich beim Morden auf Gott zu berufen, sei „zynisch und die schlimmste Form des Missbrauchs von Religion“.

Der Glaube an Gott stehe für Liebe und Barmherzigkeit. Fundamentalistische Gewalttäter versuchten dagegen, „Gift zu streuen, indem sie Hass schüren und Angst und Schrecken verbreiten“. Aber es werde ihnen nicht gelingen.

Bedford-Strohm: „Wir werden weiter konsequent für wechselseitige Achtung und Toleranz zwischen den Religionen und Weltanschauungen eintreten.“ Das sei das beste Mittel gegen die Saat der Gewalt, die Terroristen zu streuen versuchen.

In einem Gottesdienst zum Volkstrauertag am 15. November im Berliner Dom wollen Katholiken und Protestanten nicht nur an die Opfer der Corona-Pandemie und der Weltkriege erinnern, sondern auch das Anliegen des Friedens, der Versöhnung und die „faktische Terrorgefahr“ mit aufnehmen, sagte Erzbischof Heiner Koch (Berlin).

Gedenkminute mit Glockengeläut

Österreich gedachte am Tag nach dem Anschlag um 12 Uhr mit einer Gedenkminute an die Opfer. Viele Kirchenglocken im ganzen Land wurden geläutet. Danach legten Bundeskanzler Sebastian Kurz und Bundespräsident Alexander Van der Bellen Kränze nieder.

Van der Bellen sieht trotz der Terror-Attacke die liberale Demokratie nicht gefährdet. „Der Hass wird in dieser Gesellschaft nicht auf fruchtbaren Boden fallen“, sagte er in einer TV-Ansprache. Das Land hält nach Angaben aus dem Kanzleramt für drei Tage Staatstrauer.

Auf bundeseigenen Gebäuden wurde Trauerbeflaggung veranlasst. Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn rief im Interview des ORF-Fernsehens dazu auf, dass Österreich nicht zu einer Gesellschaft werden dürfe, „die sich in der Angst abschließt“.

Vielmehr solle sie weiter offen sein: „Solange die Wärme in unserer Gesellschaft stärker ist als die Kälte des Hasses, brauchen wir nicht mutlos zu sein.“ Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) bot uneingeschränkte Kooperation mit den Sicherheitsbehörden an. Die Tat mache Muslime fassungslos, sagte eine Sprecherin.

Jüdische Einrichtungen bleiben vorläufig geschlossen

Als Reaktion auf den Anschlag schloss die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) vorläufig alle Synagogen in Österreich. In Wien sind auch jüdische Einrichtungen betroffen wie koschere Restaurants, Supermärkte und Schulen. Gemeindemitglieder wurden aufgefordert, zu Hause zu bleiben.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster (Würzburg), erinnerte daran, dass Islamisten „religiöse Toleranz und unsere pluralen Gesellschaften“ verachteten: „Gerade jetzt müssen wir gemeinsam in Europa noch stärker für unsere demokratischen Werte einstehen und diesem Hass entgegenwirken.“

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken sprach von einem „widerwärtigen Terroranschlag“. Man bete für die Opfer und den Zusammenhalt der Gesellschaft. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki äußerte sich auf Facebook tief erschüttert. Gewalt und Terror seien „durch nichts zu rechtfertigen“. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick nannte die Tat „verabscheuungswürdig“.

DITIB: Terroristen erwartet im nächsten Leben eine gerechte Strafe

Auch der türkisch-islamische Verband DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) verurteilte den „brutalen Terrorakt“: Wörtlich heißt es in seiner Erklärung: „Terroristen und jenen, die mit ihnen sympathisieren, sagen wir: Ihr seid eine verachtenswerte Gruppe gescheiterter Individuen, die in diesem und im nächsten Leben mit der gerechten Strafe rechnen müssen.“

Grüne Islamismus-Gegnerin: Das kann auch bei uns passieren

Die Lehrerin und Grünen-Politikerin Birgit Ebel (Herford), die sich seit 2014 gegen islamistische Radikalisierung engagiert, sagte der Online-Plattform „Der Westen“: „Das, was in Wien passiert, kann uns auch passieren.“

Sie warnte: „Das zentrale Problem ist die Propaganda in Moscheen, die von ausländischen Verbänden wie DITIB oder Milli Görüs getragen werden oder auch von arabischen und bosnischen Islam-Zentren und Hinterhof-Moscheen. Das ist der Nährboden für die islamistische Radikalisierung.“ Dort werde gegen Deutschland und Andersgläubige gehetzt.

Schon im Teenager-Alter gebe es viele Kinder, die sich dem radikalen Islam verbunden fühlten. Ebel: „Es fängt ab der siebten Klasse an. Es gibt Kinder, die für die Todesstrafe sind, andere Kinder als ‚Haram-Kinder‘ (Kinder der Sünde) bezeichnen und Mitschülerinnen und auch Lehrerinnen maßregeln, wenn sie Röcke tragen.“

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