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Glaube

Versündigungsängste verhindern offenen Umgang mit Homosexualität

22.02.2021

Der Ärztliche Direktor der christlichen Klinik Hohe Mark, Martin Grabe. Foto: kairospress
Der Ärztliche Direktor der christlichen Klinik Hohe Mark, Martin Grabe. Foto: kairospress

Kronberg (IDEA) – Vielen Christen fällt ein offener Umgang mit Homosexualität schwer. Dabei geht es im Kern nicht um eine sexualethische Diskussion, sondern um tiefsitzende Vorbehalte, die ihre Wurzel in Versündigungsängsten haben. Diese Ansicht vertrat der Ärztliche Direktor der christlichen Klinik Hohe Mark, Martin Grabe (Oberursel), bei der digitalen Konferenz „Coming In“ (englisch: Hereinkommen) am 18. Februar.

An der Veranstaltung des Vereins „Zwischenraum“ (Kronberg im Taunus) nahmen 480 Personen teil. Vorbehalte gegen Homosexualität seien kein speziell christliches, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem, sagte Grabe in seinem Vortrag. „Noch vor 20, höchstens 25 Jahren war es eine gesellschaftliche Schande, als homosexuell ,enttarnt‘ zu werden.“ Entsprechend sei die Ablehnung der Homosexualität auch vielen Christen schon seit ihrer frühesten Kindheit eingeimpft worden. Bei ihnen komme hinzu, „dass sie diesen Widerwillen im Laufe der Geschichte mit angeblichen göttlichen Geboten verknüpft haben“.

Dadurch hätten sie Homosexualität insgesamt „als widergöttliche Sünde in ihrem Gewissenssystem abgespeichert“. Deshalb glaubten sie, ihre Vorbehalte nicht aufgeben zu dürfen. Auch wenn ihr Verstand einsehe, dass eine Ablehnung homosexueller Menschen den Geboten Jesu widerspreche, bleibe bei ihnen „das flaue Gefühl: das hier ist gefährliches Terrain. Ich möchte hier nichts Falsches sagen, da könnte ich mich schuldig machen.“

Dietz: Bibel bejaht gleichgeschlechtliche Liebe

Der Theologieprofessor Thorsten Dietz (Marburg) erklärte in einem Vortrag, dass die vermeintlich eindeutige Verurteilung gleichgeschlechtlicher Liebe in der Bibel sich nicht auf heutige Beziehungen übertragen lasse. Für die Menschen der Antike sei es grundsätzlich vorstellbar gewesen, dass jeder Mann sich auch zu einem Vertreter des eigenen Geschlechts hingezogen fühlen könne. Aber bei keinem jüdischen und keinem christlichen Autor neutestamentlicher Zeit begegne uns die Vorstellung, dass es Menschen mit ausschließliche homosexueller Orientierung geben könnte.

Gleichgeschlechtliche Sexualität sei immer auch eine Frage des sozialen Status gewesen. Freien erwachsenen Männern sei allgemein das Recht zugebilligt worden, sexuelle Befriedigung auch bei Jünglingen, Sklaven oder Kriegsgefangenen zu suchen. Dabei hätten sie immer „die aktive Rolle gespielt“. Eine gleichberechtigte sexuelle Beziehung zwischen freien, erwachsenen Männern sei unvorstellbar gewesen, weil es für sie „eine Schande gewesen wäre, wie eine Frau behandelt zu werden“. „Ein ebenbürtiges, wechselseitiges, hierarchieloses Partnerverhältnis wird in der Antike nicht bezeugt. Es gab keine männlichen Paare, die ein Leben lang zusammen waren“, so Dietz.

Auch bei einvernehmlichen Beziehungen zwischen einem älteren Mann und einem Jüngling habe es sich nicht um eine ganzheitliche, auf Dauer angelegte Liebesbeziehung gehandelt. Die Bibel mache in 1. Mose 2,18 („Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“) deutlich, dass der Mensch auf Partnerschaft angelegt sei. Diese Anlage werde „durch gleichgeschlechtliche Orientierung nicht außer Kraft gesetzt“.

Homosexuellen Menschen durch die Forderung nach Enthaltsamkeit „ein Zwangszölibat aufzudrücken“, sei weder gerecht noch liebevoll. Eine liebevolle und treue Partnerschaft sei für sie die Lebensform, die dem biblischen Leitbild der Ehe von Mann und Frau am ähnlichsten sei. Eine solche Anerkennung sei auch in den biblischen Maßstäbe der Gerechtigkeit und der Liebe begründet.

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