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Bericht

Ungewollt schwanger: Zum Leben beraten

29.04.2021

Die dreifache Mutter Kathleen Krah ist Beraterin bei vitaL. Foto: Privat
Die dreifache Mutter Kathleen Krah ist Beraterin bei vitaL. Foto: Privat

Eine ungewollte Schwangerschaft ist für viele Frauen zuerst ein Schock – manche suchen nach einem externen Gesprächspartner, um über die Folgen nachzudenken: abtreiben oder das Kind austragen? Die Beraterinnen von vitaL stellen die Frau mit ihrer Situation in den Mittelpunkt. Welche Fähigkeiten müssen potenzielle Beraterinnen mitbringen? Von IDEA-Redaktionsleiterin Daniela Städter. Der Beitrag ist zuerst im IDEA-Spezial „Aus- und Weiterbildung“ erschienen.

Die dreifache Mutter Kathleen Krah (43) aus Fulda hat schon viele Gespräche mit verzweifelten, oftmals jungen Frauen geführt. Sie ist eine von knapp 30 Beraterinnen bei vitaL. Hier können sich Frauen melden, die jemanden zum Reden brauchen.

Die Beraterinnen werden von Frauen mit ganz unterschiedlichen Anliegen kontaktiert. Da sind Schwangere, die ihr Kind bekommen wollen, aber Hilfe benötigen. Manche wünschen gar keine Beratung, sondern wollen wissen, wie eine Abtreibung funktioniert und wie sie eine staatlich anerkannte Beratungsstelle finden. Häufig lassen sich diese Frauen auf gar kein Gespräch ein, hat Krah erlebt.

Schwierige private Situationen

Oder es rufen junge Mädchen an, die gerade Geschlechtsverkehr hatten und panische Angst haben, schwanger geworden zu sein. Oftmals lasse sich mit Blick auf den Zyklus schon mit großer Sicherheit eine Schwangerschaft ausschließen, sagt Krah. Manchmal frage sie die Mädchen, was eine Schwangerschaft für sie bedeuten würde.

Manche fühlten sich selbst noch als Kind oder „nicht fähig“, eine gute Mutter zu sein. Andere sagten, dass sie gerade eine Ausbildung angefangen hätten und jetzt nicht der richtige Zeitpunkt sei. Einige berichteten, dass sie keinen festen Partner hätten, andere, dass ihr Partner sie unter Druck setze: „Wir bekommen mit, wie schwierig die private Situation für viele Frauen ist.“

Muslima: Von ihren Familien bedrängt

Vermehrt meldeten sich auch muslimische Frauen. Ihre Familien dürfen nicht erfahren, dass sie – noch unverheiratet – Geschlechtsverkehr hatten. Häufig werde ihnen von ihren Eltern Gewalt und manchmal auch der Tod angedroht. VitaL habe eine enge Kooperation mit Frauenhäusern, wo die Frauen untertauchen könnten, um ihr Kind zu bekommen. Doch dazu entschließen sich nur wenige, erzählt Krah.

Die meisten seien so stark in ihrem Familienverbund eingebunden, dass sie sich gegen ihren Willen für eine heimliche Abtreibung entschieden: „Ihnen ist sehr bewusst, dass sie ihr Kind töten. Sie tun es schweren Herzens, aber sie stehen so sehr unter dem Druck der Familie.“

Ein großes Netzwerk

Immer wieder gibt es auch besonders tragische Fälle: Da meldet sich eine Frau, die gerade die Nachricht bekommen hat, dass ihr Kind behindert sein wird. Oder das ungeborene Kind gilt als so schwer krank, dass es bei oder kurz nach der Geburt sterben wird. Es ist eine dramatische, unbeschreibliche Situation für die schwangere Frau, die nun eine Entscheidung treffen muss: das schwerbehinderte Kind abtreiben oder es austragen, um es die wenigen Minuten oder Stunden nach der Geburt in den Tod zu begleiten?

Die besten Gesprächspartnerinnen in solchen Situationen sind Frauen, die bereits Ähnliches erlebt haben und sich für das Austragen des Kindes entschieden haben, sagt Krah. Zu diesen Frauen versuche man dann Kontakt herzustellen. Zudem gebe es im Netzwerk von vitaL Fachärzte, die sich die Diagnosen auf Wunsch ansehen und vielleicht weitere Alternativen anbieten könnten.

Schuldgefühle kommen hoch

Immer wieder heißt es in Medien und unter Abtreibungsbefürwortern, dass eine Abtreibung psychisch unproblematisch sei. Dem widerspricht Krah. Viele Anrufe zeigten, dass Frauen nach einer Abtreibung große Probleme, darunter auch Schuldgefühle, haben. Tief in ihnen gebe es ein Suchen nach Hoffnung und den Wunsch, dass das getötete Kind ihnen vergibt.

Sie habe auch schon mit 60-Jährigen gesprochen, die vor 40 Jahren eine Abtreibung hatten: „Viele Jahre ging es gut, die Frauen haben überhaupt nicht daran gedacht oder es erfolgreich verdrängt. Doch plötzlich funktioniert das nicht mehr“, hat Krah beobachtet. „Bei uns melden sich Frauen, die ganz klar sagen: ,Ich kann nicht mehr. Ich habe mein Kind getötet.‘“ Egal, ob Christ oder nicht: „Im Innersten wissen sie, dass eine Abtreibung falsch ist.“

Respektvoll und empathisch

In den Gesprächen müssen die Beraterinnen sich immer wieder neu auf die Anruferinnen einstellen. Jedes Gespräch müsse respektvoll und empathisch geführt werden, betont Krah: „Die Frauen sind es, die hinterher mit ihrer Entscheidung leben müssen. Mir ist es darum immer wichtig, den Frauen auch zu sagen: ,Ich hoffe, Sie treffen die Entscheidung, mit der Sie gut leben können.‘“ Dabei sei es auch wichtig, die Frauen darüber aufzuklären, dass eine Abtreibung nachteilige Folgen für sie selbst haben könne.

Was Beraterinnen mitbringen sollten

Wer als Beraterin arbeiten wolle, sollte ein Herz für schwangere Frauen und ihre Kinder haben, sagt Krah. Man müsse sich in die Situation und Sorgen der Frauen hineinfühlen und immer respektvoll mit ihnen umgehen können, unabhängig von ihrer Person, ihrer Lage und ihren Entscheidungen.

Die Beraterinnen haben unterschiedliche berufliche, familiäre und weltanschauliche Hintergründe. Sie selbst könne die Arbeit nur vor dem Hintergrund ihres Glaubens machen, betont die Katholikin Krah. Denn gerade die schwierigen Fälle könnten sehr belastend sein. Im Gebet könne sie das loslassen, alles Jesus übergeben und ihn um Bewahrung und Schutz für die Frauen bitten. Krah: „Ich vertraue darauf, dass Gott bei den Frauen bleibt.“

Über vitaL

vitaL ist eine 2001 gegründete Beratungsstelle für schwangere Frauen in Not. Damals war vitaL nach eigenen Angaben die erste und einzige Stelle, die rund um die Uhr erreichbar war. Die Beratung erfolgt vor allem telefonisch und per E-Mail. Wenn die Frauen es wünschen, werden Ansprechpartner, Hilfestellen und Fachleute vermittelt. Über die Jahre hat vitaL ein Netzwerk aufgebaut, das andere Unterstützungsund Beratungsstellen ebenso umfasst wie lokale Vereine oder medizinische Spezialisten.

Zielgruppen sind vor allem Schwangere im Konflikt und ihr Umfeld sowie Frauen, die eine Abtreibung hatten. Die ehrenamtlichen Beraterinnen können selbst festlegen, wie viele Stunden pro Woche sie sich einbringen wollen. Sie erhalten eine fachliche und praktische Ausbildung sowie regelmäßige Fortbildungen und Supervision. Aktuell befinden sich acht Anwärterinnen in der Ausbildung zur vitaL-Beraterin, die im Sommer abgeschlossen ist. Im Herbst wird ein neuer Ausbildungsgang beginnen. Bei vitaL gehen durchschnittlich 1.500 Anrufe pro Jahr ein.

Mehr Informationen:

vitaL – Beratung für Schwangere

Ottmarsgäßchen 8 | 86152 Augsburg

www.vita-l.de | 0800 3699963 | kontakt@vita-L.de

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