Menschenrechte
Türkei enteignet massenhaft Christen
27.06.2017
Istanbul/Heidelberg (idea) – Die Türkei hat im Südosten des Landes mehr als 50 Kirchen und Klöster sowie deren Liegenschaften und Friedhofsgrundstücke beschlagnahmt. In der Region leben seit fast 2000 Jahren aramäische Christen, die auch noch die Sprache Jesu sprechen. Nach Angaben des Bundesverbandes der Aramäer in Deutschland (Heidelberg) wurden sie der türkischen Religionsbehörde Diyanet übertragen. Ihr Vorsitzender, Daniyel Demir, sprach gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea von einem beispiellosen Vorgang. Die Entwicklung im Kernland des Christentums sei dramatisch. Eine solche Enteignungswelle habe es noch nicht gegeben. Nun könne die Behörde aramäisches Kulturerbe aus den frühen Jahrhunderten „an Dritte veräußern, in Museen verwandeln oder auch zu Moscheen umwidmen“. Es sei zudem unklar, ob die Christen künftig eine Genehmigung beantragen müssen, wenn sie in ihren Kirchen Gottesdienst feiern wollen. Die Stiftung des syrisch-orthodoxen Klosters Mor Gabriel in der südosttürkischen Region „Tur Abdin“ (Berg der Gottesknechte) bereite Klagen gegen das Vorgehen des türkischen Staates vor: „Die Christen sind entschlossen, das Ganze bis an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu tragen.“ Die aramäische Minderheit sei im „Tur Abdin“ bereits stark zurückgegangen. Mittlerweile lebten in der Region nur noch 2.000, in der gesamten Türkei rund 20.000. Demir: „Wir rufen die Bundesregierung auf, den Aramäern zur Seite zu stehen.“
CDU-Europaabgeordnete: Türkei will die Aramäer „regelrecht auslöschen“
Die Europaabgeordnete Renate Sommer (CDU/Herne) verurteilte die Konfiszierungen „aufs Schärfste“. Die Türkei-Berichterstatterin der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament sagte: „Ganz offensichtlich arbeitet die türkische Regierung daran, die Minderheit der Aramäer im Land nicht nur – wie schon seit Jahren – zu drangsalieren, sondern regelrecht auszulöschen.“ Es sei „ein Hohn“, dass die Türkei weiterhin offiziell darauf bestehe, Mitglied der EU zu werden. Wie der Leiter der Christlich-Islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle, der türkischstämmige katholische Theologe Timo Güzelmansur (Frankfurt am Main), idea sagte, fand die Enteignung in einem komplizierten rechtlichen Rahmen statt. Der Staat habe die Stadt Mardin mit ihren rund 800.000 Einwohnern zur Großstadt erklärt und dabei die umliegenden Dörfer eingemeindet. Damit einher gingen einem Bericht der türkisch-armenischen Wochenzeitung Agos (Istanbul) zufolge die Übergabe der Liegenschaften und der christlichen Gebäude an die sogenannte „Schatzkammer“ der Türkei, die das Eigentum des Staates verwaltet. Diese Einrichtung wiederum habe sie an die Religionsbehörde übertragen. Die Türkei hat rund 79 Millionen Einwohner, von denen 99 Prozent Muslime sind. Nur 0,2 Prozent (160.000) sind Christen.
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