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Interview

Neue Wehrbeauftragte gewählt: Was den Militärbischof ratlos macht

11.05.2020

idea: Die SPD-Abgeordnete Eva Högl ist zur neuen Wehrbeauftragten gewählt worden. Sie haben auf Facebook geschrieben, dass dieser Prozess Sie noch einmal desillusioniert habe. Warum?

Sigurd Rink: Högls Vorgänger, Hans-Peter Bartels, war jetzt fünf Jahre im Amt. Ich selbst bin jetzt seit knapp sechs Jahren Militärbischof. In der Zeit haben wir ein enges, vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut, und ich habe ihn als hochkompetenten Amtsinhaber kennengelernt, der einen Schatz an Erfahrung mitgebracht hat. Da frage ich mich schon: Warum bleibt er nicht noch weitere fünf Jahre im Amt? Das erschließt sich mir nicht.idea: Sie haben auch auf Facebook geschrieben, es mache Sie rat- und sprachlos, dass bei der Neubesetzung Kompetenz und Erfahrung so wenig gezählt hätten. Frau Högl sagte im Deutschlandfunk, sie bringe die richtigen Kompetenzen mit: zuhören, Anliegen aufgreifen, Missstände erkennen und beseitigen. Reicht das?

Rink: Es muss natürlich mehr dazukommen. Ich sage es noch einmal aus der Warte des bisherigen Amtsinhabers: Bartels war über Jahre hinweg in dem Thema Verteidigungs- und Sicherheitspolitik für seine SPD-Fraktion federführend. Als er sein Amt antrat, war er Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestags. Er hatte in dieser sehr fremden Welt der Streitkräfte und der Verteidigungspolitik schon ein hohes Maß an Kompetenz in das Amt mitgebracht. Es gibt diesen berühmten Satz: „Never change a winning team.“ Das trifft auch hier zu. Aus der Sicht der Soldaten gesprochen: Welche Notwendigkeit besteht denn, diese Zusammenarbeit mit Bartels nicht fortzusetzen? Was spricht gegen Kontinuität? idea: Der bisherige Amtsinhaber Hans-Peter Bartels gilt als beliebt bei den Soldaten. Was schätzt die Truppe an ihm?

Rink: Ich habe ihn mehrfach in Auslandseinsätzen aus der Nahperspektive erlebt. Er hatte für alle ein offenes Ohr – unabhängig von den Dienstgraden. Die Bundeswehr leidet seit 1990 darunter, dass es immer wieder Reförmchen gab und dass ein unglaublicher Abbauprozess stattgefunden hat. Die Soldaten haben einfach nicht mehr die Ausrüstung, die sie brauchten. Das hat Bartels in den Bundestag und die Medien gebracht und klar benannt. Er hat auf den Punkt genau formuliert und damit den Soldaten aller Führungsebenen aus den Herzen gesprochen.idea: Wie eng war Ihr Kontakt zu Bartels?

Rink: Er hat die unabhängige Seelsorge geschätzt, regelmäßig den Kontakt zu den beiden Militärbischöfen gesucht und gemeinsame Veranstaltungsformate eingeführt – etwa jährlich eine große Tagung in den Räumen des Bundestags zum Thema Vereinbarung von Familie und Beruf. Die Kirchen hat er dort als natürliche Koalitionspartner gesehen.idea: 2018 geriet die Juristin Högl im Streit um eine mögliche Streichung des Werbeverbots für Abtreibungen (Paragraf 219a) mit dieser – später von ihr wieder gelöschten – Aussage auf Twitter in die Schlagzeilen: „Es ist ja so schön einfach und billig, auf die SPD zu schimpfen. Wie wär‘s damit, mal die widerlichen ‚Lebensschützer*innen‘ in Union in den Blick zu nehmen und zu kritisieren.“

Rink: Frau Högl kenne ich nicht persönlich und möchte mir vorher auch kein Urteil erlauben. Die Debatten um den Lebensschutz sind seit den 1970er Jahren hochumstritten und müssen auf einem entsprechenden Reflexionsniveau geführt worden. Es gibt da keine einfachen Antworten. Das von Frau Högl gewählte Attribut und die von ihr offenbar vorgenommene Wertung finde ich in diesem Kontext unpassend und unangemessen.idea: Die FAZ schrieb: „Die SPD … tritt den Grundsatz des wechselseitigen Vertrauens nun mit Füßen. In einer Hinterzimmer-Intrige wird der respektierte Amtsinhaber aus den eigenen Reihen abgesägt.“

Rink: Die ganze „Causa Bartels“ hat ja eine höchst schwierige Vorgeschichte. Neben Herrn Bartels und Frau Högl kommt ja noch eine dritte Person dazu – Johannes Kahrs, der bislang haushaltspolitischer Sprecher der SPD war. Herrn Bartels zufolge hat Herr Kahrs im Vorgriff auf sein angestrebtes Amt vier Planstellen für das Büro des Wehrbeauftragten beantragt, die Herr Bartels nie beantragt hatte und bei denen der bisherige Amtsinhaber der Meinung war, man brauchte sie nicht. Wenn das stimmt, dann ist das moralisch und ethisch ein absolutes „No-Go“. Da nutzt jemand seine eigene Stellung als Haushaltspolitischer Sprecher, um für eine Stelle, die er selbst anstrebt, sich schon im Vorgriff vor der Wahl Vorteile zu verschaffen. Dieser ganze Vorgang hat etwas Unwürdiges. Damit wird die Institution des unabhängigen Wehrbeauftragten beschädigt.

idea: Vielen Dank für das Gespräch!

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