Frei-/Kirchen
Abendmahl über das Internet feiern?
15.04.2020
Wetzlar (idea) – Seit Beginn der Corona-Krise finden Gottesdienste fast ausschließlich im Internet und im Fernsehen statt. Ob diese Möglichkeit auch für das Abendmahl gelten sollte – dazu gibt es unter Kirchenvertretern unterschiedliche Ansichten. Die Evangelische Nachrichtenagentur idea (Wetzlar) fragte darum zwei Theologen in einem Pro und Kontra: „Kann das Sakrament auch online gespendet werden?“.
Pro: Evangelische Gottesdienste sind nicht an Kirchenmauern gebunden
Der Vorsitzende des Gemeinschaftsverbandes „die Apis“, Pfarrer Steffen Kern (Walddorfhäslach bei Reutlingen), ist der Ansicht, dass sich ein Abendmahl im Video-Gottesdienst „theologisch gut begründet und verantwortlich feiern“ lässt. So seien evangelische Gottesdienste nicht an Kirchenmauern gebunden. „Es kommt darauf an, dass Christus erfahren wird“, so Kern. Das könne laut dem Reformator Martin Luther (1483–1546) überall geschehen – „heute heißt das: auch im virtuellen Raum“. Besucher könnten sich dabei durch die Kommunikation und Interaktion in den Sozialen Medien als Gemeinde erfahren. „Diese Erfahrung ist nicht von gleicher Art wie die in einem herkömmlichen Gottesdienst, aber sie ist gleichen Wesens.“ Nicht zuletzt sei Christus beim Abendmahl „in, mit und unter“ Brot und Wein gegenwärtig – auch wenn die Einsetzungsworte an einem anderen Ort gesprochen und medial vermittelt gehört würden. „Es ist eben keine ‚digitale Ersatzhandlung’, wie manche sagen“, so Kern. „Vielmehr hören Einsame wie Familien das Wort und nehmen die Gaben auf ihrem Wohnzimmertisch aus der Hand von Jesus als Leib und Blut Christi.“ Kern ist Mitglied württembergischen Landessynode und der EKD-Synode.
Kontra: Zum Wesen der Sakramente gehört die Leiblichkeit
Anderer Ansicht ist der Dekan des evangelischen Kirchenbezirks Ulm, Ernst-Wilhelm Gohl (Ulm), der ebenfalls der württembergischen Landessynode angehört. Ihm zufolge bietet der digitale Raum zwar durchaus viele Chancen, habe zugleich aber eine andere Qualität. So sei beispielsweise ein Skype-Anruf im Altenheim ein Behelf, aber kein Ersatz für die persönliche Begegnung. Umso deutlicher zeigt sich das Gohl zufolge in den Sakramenten, zu deren Wesen die Leiblichkeit gehöre. „Ansonsten könnten auch Online-Taufen gefeiert werden“, so der Dekan. Aber auch mit Bezug auf die Einsetzungsworte und die Realpräsenz Jesu in den Gaben blieben Fragen offen – etwa, wie aus Brot und Wein vor dem Bildschirm Christi Leib und Blut werde, „ohne einem magischen Missverständnis Vorschub zu leisten“. Ebenso spiele das öffentliche Bekenntnis beim Mahl eine Rolle: „Wie geschieht das im digitalen Raum, in dem sich die Feiernden anonym begegnen und dennoch Subjekte der Feier sind?“. Insgesamt hält Gohl die Zulassung von Online-Abendmahlfeiern angesichts der aktuellen Situation „aus seelsorgerlichen Gründen speziell für die Alleinlebenden“ für denkbar. Problematisch sei hingegen der Versuch, „das Online-Abendmahl als reguläre Abendmahlsform zu etablieren“.
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