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Nachruf

Nachruf: Schönbohm hat das Wort „konservativ“ selbstbewusst gelebt

09.02.2019

Ein großes Herz hat aufgehört zu schlagen. Jörg Schönbohm, Soldat und Offizier, Protestant und Patriot, Politiker und Minister, ist im Alter von 81 Jahren gestorben. Es gibt nur wenige Menschen, die schon zu Lebzeiten Legenden werden. Jörg Schönbohm ist einer von ihnen. Geboren im brandenburgischen Neu-Golm, spiegelt sein Leben auch die Brüche der deutschen Geschichte wider: Flucht und Vertreibung in den Westen, Neustart unter schwierigen Verhältnissen und dann der Beginn einer großen Karriere, die ihn in die Spitze der Bundeswehr führte: erst als Inspekteur des Deutschen Heeres, dann als Staatssekretär im Verteidigungsministerium.

Eine der schwierigsten Aufgaben zur Beendigung des Kalten Krieges

Doch eine seiner wichtigsten Stationen lag davor: Als Generalleutnant mit drei Sternen versehen, beauftragten ihn Bundeskanzler Helmut Kohl (1930–2017) und der damalige Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (1928–2001) mit einer der schwierigsten Aufgaben zur Beendigung des Kalten Krieges: der friedlichen Auflösung der hochgerüsteten Nationalen Volksarmee der DDR und der Integration von Teilen der Oststreitkräften in die Bundeswehr.

Dem preußischen Pflichtbewusstsein gefolgt

Dass ihm dies ohne laute Proteste, Störmanöver und Anklagen gelang und in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1990 eine gemeinsame Armee entstand, war auch für ihn eine ganz bewegende Lebenserfahrung. Denn er hatte an dem Ziel der Wiedervereinigung auch dann immer noch festgehalten als andere – leider auch große Teile seiner evangelischen Kirche – dies als Hirngespinst abtaten. Und auch das war Schönbohm: Nach seiner Karriere bei der Bundeswehr hätte er es sich bequem machen können. Doch auch hier folgte er seinem preußischen Pflichtbewusstsein: Von 1996 bis 1998 als Innensenator in Berlin und von 1999 bis 2009 als Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident von Brandenburg – wo er, ganz nebenbei, noch eine desolate CDU neu aufgebaut hat.

Sein Lebensmotto: Der Glaube kann Berge versetzen

Wer so eine große Institution wie die Bundeswehr geprägt und seinem Land so zahlreiche große Dienste erwiesen hat, verfügt über eine ungeheure Kraft. Jörg Schönbohm hat dabei etwas Wichtiges gezeigt: Dass seine Kraft weniger eine Frage der Physis, sondern eine Frage der Werte und Willensstärke ist. Seine Kraft war dabei immer eng verbunden mit seinem Glauben. Das biblische Wort, dass der Glaube Berge versetzen kann, war so etwas wie das Lebensmotto des bekennenden Protestanten Jörg Schönbohm. Und er hat sich Debatten gestellt – hart in der Sache, verbindlich im Ton. Dass ein Soldat keine Tötungsmaschine ist, sondern eine ethisch begründbare Aufgabe ausübt, war sein Credo für das er sich auch gerne in der Öffentlichkeit mit linken und grünen Parteigängern, aber auch mit Kirchenvertretern, anlegte.

Fordernd und fördernd

Nach meinem Studium war Jörg Schönbohm als Leiter des Planungsstabs im Verteidigungsministerium mein erster Chef. Er war fordernd, aber immer auch fördernd, er war neugierig, unkonventionell in seinem Denken. Man konnte herzhaft mit ihm lachen und wusste, dass Loyalität für ihn immer auch eine Zweibahnstraße war. Als ich nach meiner Zeit bei der Bundeswehr in eine beruflich schwierige Situation kam – da war er es, der angerufen hat und fragte, ob er etwas tun könne. Wir sind dann in die Märkische Heide gefahren und bei einem Spaziergang hat er mir sehr lebensweise Ratschläge gegeben.Dabei war er kein Theoretiker, sondern immer praktisch in der Umsetzung. Als er in den 80er Jahren Adjutant von Verteidigungsminister Manfred Wörner war, begleitete er den damaligen US-Vize-Präsidenten George Bush sen. (1924–2018) auf einer Fahrt durch Deutschland. Es war tiefer Winter und der Zug musste wegen Schneeverwehungen anhalten. Schönbohm war findig und besorgte eine Kiste Bier für die Delegation und so verbrachte man mehrere Stunden in einem geselligen Gespräch. Als Bush dann später Präsident wurde und Jörg Schönbohm zu einem Empfang im Weißen Haus geladen war, erkannte ihn der mächtigste Mann der westlichen Welt wieder und ging zur Überraschung der Anwesenden sehr unprotokollarisch auf den Offizier zu, um ihm auf die Schulter zu klopfen.

Heute wirken Männer wie Schönbohm wie Fremdkörper

In unserer heutigen Welt wirken Männer wie Jörg Schönbohm eher wie Fremdkörper. Überzeugungen nicht nur zu haben, sondern für diese auch einzustehen und das Wort „konservativ“ selbstbewusst zu leben – das unterscheidet ihn von vielen in der CDU/CSU. Sein Leben und Handeln wirken wie ein Leuchtturm. Und dieses Licht wird deshalb auch über sein Leben hinaus Orientierung geben. Es ist Wegmarke eines großen Lebens als Soldat, Politiker und Mensch. Eines Lebens, dass Deutschland mitgeprägt hat und dessen Zauber auf alle wirkt, die das Glück hatten Jörg Schönbohm zu kennen. (Der Autor, Dr. Michael Inacker, ist Vorsitzender der Internationalen Martin Luther Stiftung und Vorstandschef der Unternehmensberatung WMP. Er war von 1989 bis 1990 Mitarbeiter im Planungsstab des Verteidigungsministeriums.)

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