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EKD will sexualisierte Gewalt aufarbeiten

13.11.2018

Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs. Foto: www.marcelo-hernandez.de
Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs. Foto: www.marcelo-hernandez.de

Würzburg (idea) – Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will ihre Maßnahmen zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt ausbauen. Das kündigte die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs auf der Tagung der EKD-Synode am 12. November in Würzburg an. Sie stellte einen Plan mit elf Punkten vor, den der Rat und die Kirchenkonferenz der EKD entwickelt haben, und sagte: „Wir haben uns gegenüber uns anvertrauten Menschen schuldig gemacht.“ Die Kirche Jesu Christi mache sich für den „Schutz der besonders Schutzbedürftigen stark“ und müssen alles tun, um diesen zu gewährleisten: „Eine Kirche, die solcher Gewalt nicht wehrt, ist keine Kirche mehr.“ Man sei es den Betroffenen schuldig, die gesamtgesellschaftliche Tabuisierung des Themas Gewalt und Sexualität aufzubrechen.

Zu den grausamsten Folgen gehört der Glaubensverlust

Es gebe Faktoren in der evangelischen Kirche, die den zumeist männlichen Tätern zuspiele und sexuelle Gewalt begünstigten – etwa eine unreflektierte Vermischung von Privatem und Dienstlichem, fehlende Beschwerdemöglichkeiten oder Einrichtungen als „Closed-Shops“ (geschlossene Betriebe), in denen keine Kontrolle von außen funktioniere. Das geschehe auch im evangelikalen Bereich. Sexualisierte Gewalt nehme unterschiedliche Formen an. Seit sieben Jahren sei sie im Gespräch mit betroffenen Menschen und habe Erfahrungen gesammelt, so Fehrs. Wer sich nicht gewehrt habe, sei in dem System steigender Grenzverletzungen drin gewesen, „verbrämt mit zeitgeistiger Ideologie der späten 70er Jahre und der ,Reform‘-Pädagogik“, erklärte sie am Beispiel eines Opfers. Dazu gehörten Psychospiele zwecks Selbsterfahrung, Durchkitzeln auf dem Schoß des Pastors, abendliche Feiern der „Auserwählten“, verbale Attacken sowie Demütigungen bis hin zu Oral- und Geschlechtsverkehr. Die Folgen für die Betroffenen seien nicht selten lebenslänglich quälend: „Alpträume, Ängste, die einen bei bestimmten Reizworten, Gesten, Gerüchen überfallen“. Zu den grausamsten Folgen gehöre oft der Glaubensverlust. Fehrs zufolge sieht der 11-Punkte-Plan unter anderem vor, Betroffene stärker zu beteiligen. Es werde eine externe wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben, um die Risikofaktoren speziell der evangelischen Kirche zu analysieren. Daraus sollen Empfehlungen entwickelt werden, die verbindliche Standards für Prävention, Intervention, Aufarbeitung und Hilfen optimieren können. Ferner ist eine unabhängige zentrale Ansprechstelle der EKD geplant. Sie solle nicht die bestehenden kirchlichen Ansprechpartner in den Landeskirchen ergänzen.

Appell an Betroffene: „Bitte melden Sie sich!“

Die Bischöfin appellierte an die Betroffenen: „Bitte melden Sie sich! Entweder bei uns oder bei unabhängigen Stellen.“ Ein fünfköpfiger Beauftragtenrat, deren Sprecherin Fehrs ist, wurde eingerichtet. Ziel ist auch eine verbindliche Zusammenarbeit mit der Diakonie. Für die Umsetzung des 11-Punkte-Plans stellt die EKD 2019 rund eine Million Euro bereit. Im schriftlichen Bericht zu dem Thema heißt es, dass es keine Zahlen für alle Landeskirchen gebe, da nicht alle über eine Meldepflicht und eine zentrale Meldestelle verfügten. In den Unabhängigen Kommissionen, die zehn Landeskirchen berufen hätten, seien 479 zumeist strafrechtlich verjährte Anträge Betroffener – darunter rund zwei Drittel Heimkinder – bearbeitet worden. Die in den Anträgen genannten Vorkommnisse beziehen sich auf den Zeitraum zwischen 1950 und 2004. Die meisten Fälle ereigneten sich in den 50er, 60er und 70er Jahren.

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