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Wird das Gottesdienstverbot zu früh gelockert?

28.04.2020

Einige Bundesländer haben die Einschränkungen gelockert und es können auch wieder Gottesdienste stattfinden. Symbolfoto: pixabay.com
Einige Bundesländer haben die Einschränkungen gelockert und es können auch wieder Gottesdienste stattfinden. Symbolfoto: pixabay.com

Wetzlar (idea) – Noch sind wegen der Corona-Pandemie öffentliche Gottesdienstfeiern in den meisten deutschen Bundesländern nicht möglich. Laut einer Umfrage des ZDF-Politbarometers finden das 60  Prozent der Deutschen „richtig“. Einige Bundesländer lassen inzwischen wieder Gottesdienste in Kirchengebäuden unter Auflagen zu. Die Evangelische Nachrichtenagentur idea (Wetzlar) nimmt diese Entwicklung zum Anlass, in ihrer Serie „Pro und Kontra“ zu fragen: Kommt die Lockerung zu früh? Zwei Kirchenvertreter kommen zu unterschiedlichen Einschätzungen.

Kirchenpräsident Jung: Abstand halten ist Nächstenliebe

Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung (Darmstadt), schreibt, dass es gar kein Gottesdienstverbot gebe: „In den letzten Wochen wurden weiter Gottesdienste gefeiert – in medialer Gemeinde oder auch in häuslicher Gemeinschaft. Gottesdienste sind also nicht verboten und die Religionsfreiheit ist grundsätzlich nicht eingeschränkt.“ Es gehe zudem darum, „die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen“. Dazu gehöre auch der Verzicht, in Kirchen miteinander Gottesdienste zu feiern. Dadurch würden Menschen geschützt, die besonders gefährdet sind. Wie er schreibt, haben die Corona-Toten für ihn inzwischen ein Gesicht bekommen. Ein 55-jähriger Bekannter ohne nennenswerte Vorerkrankungen sei an Covid-19 verstorben. Jung: „Wir kennen bisher nicht alle Gefahren der neuen Krankheit.“ Deshalb sei es richtig, vorsichtig zu sein. Jung: „Dass christliche Gemeinden daran mitwirken, gebietet die Nächstenliebe.“ Gottesdienste unter strengen Hygieneauflagen seien nicht „die Gottesdienste, die wir kennen und hoffentlich bald wieder haben werden“. Ob die Lockerungen zu früh kommen, ließe sich nicht grundsätzlich debattieren. Das werde sich erst in den nächsten Wochen an den Infektionszahlen zeigen. Jung: „Es gilt: Abstand halten bleibt ein Gebot der Nächstenliebe. Und Nächstenliebe leben ist Gottesdienst.“

Landesinspektor Michel: Kraft aus realen Gottesdiensten schöpfen

Anderer Ansicht ist der Landesinspektor des Landesverbandes Landeskirchlicher Gemeinschaften Sachsen, Jörg Michel (Chemnitz): „Es wird verantwortungsvoll überlegt, wie Gottesdienste durchgeführt werden.“ Die Sorge um den Nächsten sei Bestandteil der DNA der Christen: „Zugleich sind ihnen Gottesdienst wie Gemeinschaftsstunde ein Höhepunkt, dem sie entgegenstreben, und ebenso Quelle, aus der ihnen Kraft zuströmt.“ Diese Art des Gottesdienstes habe der Reformator Martin Luther (1483–1546) als Schatz bezeichnet. Es sei nicht wenig, wenn Christen auch ohne Versammlung unter dem Wort Gottes, im Gebet und in der Fürbitte miteinander verbunden seien und dabei technische Hilfsmittel benutzten. Gleichzeitig zeige sich aber, dass die tatsächliche Zusammenkunft unabdingbarer Bestandteil des Vollzugs christlichen Zusammenlebens sei. Michel: „Das konkrete Versammeln schafft den Ort, um sich den so wichtigen Zuspruch zusagen zu lassen, dass dieser Schatz gefunden ist und dir und mir gilt.“ Die Lockerung des Versammlungsverbots, auch zu Gottesdienstzwecken, komme keine Sekunde zu früh.

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