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Um die Botschaft des Wortes vom Kreuz ist es „schlecht bestellt“

11.04.2020

Der Medienwissenschaftler Prof. Norbert Bolz bei einer Veranstaltung 2018. Foto: picture-alliance/Horst Galuschka/dpa
Der Medienwissenschaftler Prof. Norbert Bolz bei einer Veranstaltung 2018. Foto: picture-alliance/Horst Galuschka/dpa

Berlin (idea) – Um die Botschaft des Wortes vom Kreuz ist es nach Ansicht des Medienwissenschaftlers Prof. Norbert Bolz (Berlin) „schlecht bestellt“. Von Repräsentanten der Kirche und Pfarrern höre man nur noch selten etwas über das Ärgernis und den Skandal des Wortes vom Kreuz, so wie es im Zentrum der Paulus-Briefe und damit des Neuen Testaments stehe. „Aber man bekommt am Sonntag sehr viel zu hören über die unzähligen kleinen Kreuze dieser Welt wie Hunger, Flüchtlingselend, Klimakatastrophe und so fort“, schreibt Bolz in einem Beitrag für die Tageszeitung „Die Welt“ (Ausgabe 11. April). Der Pfarrer trete immer häufiger als Gutmensch auf – und das heiße in der Sprache des Neuen Testaments: „als Pharisäer“. Dabei missbrauche er seine Predigt für einen „sentimentalen Moralismus“. Er ersetze den Skandal des Gekreuzigten durch einen neutralen Kult der Menschheit. Der Schriftsteller Thomas Mann (1875–1955) habe das schon vor 100 Jahren „Verrat am Kreuz“ genannt. Bolz: „Was dann noch bleibt, ist die Sentimentalität einer unrealistischen Menschenfreundlichkeit.“

Aus Jesus ist ein „Integrationsbeauftragter höherer Ordnung“ geworden

Dieses Wohlfühlchristentum habe jede Spur der christlichen Erschütterung sorgfältig getilgt. Man lasse sich zwar noch von der Jesus-Geschichte rühren, vor allem an Weihnachten, aber vom Jüngsten Gericht wolle niemand mehr etwas hören. „Aus Gott ist der liebe Gott geworden. Und aus Jesus ist ein guter Mensch geworden – gewissermaßen ein Integrationsbeauftragter höherer Ordnung“, so der Medienwissenschaftler. Dass Gott kein netter Papa sei und Jesus nicht sozial gewesen sei, wage die Kirche heute kaum mehr auszusprechen. Das Christentum sei vor allem in Deutschland „zur Ersatzreligion ihrer selbst verkommen“. Bolz weiter: „Für die alten Griechen war das Wort vom Kreuz eine Torheit – ein Gott, der stirbt! Und für die Juden war es ein Ärgernis – ein Messias, der scheitert!“ Für die modernen Menschen sei aber die Auferstehung das Ärgernis, das sie mit ihrer Vernunft nicht vereinbaren könnten Das Wunder des leeren Grabs passe nicht in das moderne Weltbild.

Ein Christentum ohne Happy End?

Bolz fragt: „Doch könnte es trotzdem ein Ostern für moderne, aufgeklärte Menschen geben? Könnte man die frohe Botschaft vorverlegen auf Karfreitag?“ Das wäre nach seinen Worten ein Christentum ohne Happy End, also ohne Auferstehung und ewiges Leben. „Das wäre eine Antwort auf das Problem, dass keineswegs nur die Sünder leiden und dass die Welt, so wie sie ist, Zweifel an Gott rechtfertigt. Die Argumente gegen Gott, die sich hier leicht in Fülle einstellen, können nämlich gerade von der christlichen Religion abgefangen werden.“ Dass das sinnlose Leiden dennoch Sinn habe, beweise das Christentum dadurch, dass sein Gott selbst leide: „Und sein letztes Wort ist eben die Frage, warum?“ Für ein modernes Christentum gebe es dann nur die Wahrheit dieses Schreis „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Matthäus 27,46). An diesen Gott schlössen sich „nicht mehr unsere Erwartungen, sondern nur noch unsere Erinnerungen an“. Der nur noch erinnerte Gott vertrage sich durchaus mit einem aufgeklärten Bewusstsein: „Jesus war, aber er ist nicht mehr.“ Und wer gefragt werde „Glaubst du an Gott?“, könne mit der Gegenfrage antworten: „Begreifst du noch, was es bedeutet, einen Gott zu haben?“ Der 66-jährige Bolz war von 2002 bis zu seiner Emeritierung 2018 Professor für Medienwissenschaften an der Technischen Universität Berlin. Er ist Autor zahlreicher Bücher, darunter „Zurück zu Luther“ (2016).

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