Porträt
Zwei Christen wechseln ihre Konfession – warum?
14.05.2024
Sonja Klusekemper und Thomas Schulze zur Wiesch verbindet nicht nur, dass sie in derselben Straße in Hamm wohnen. Die beiden Christen wechselten im Laufe ihres Lebens ihre Konfession. Die Katholikin Klusekemper wurde evangelisch, der Protestant Schulze zur Wiesch katholisch. Von Erika Weiss
40 Jahre war Sonja Klusekemper Mitglied der katholischen Kirche. Bis ihr Zweifel kamen.
Wenn Sonja Klusekemper eine wichtige Entscheidung trifft, wägt sie gründlich ab. Sie tauscht sich mit Vertrauenspersonen aus. Liest Bücher zu dem Thema, das sie beschäftigt. Und schüttet ihre Fragen bei langen Waldspaziergängen vor Gott aus. So war es auch im Sommer 2018. Seit vielen Jahren verschlang die 46-Jährige ein Buch nach dem anderen von Eugen Drewermann. Der katholische Theologe, der 1992 als Priester suspendiert wurde und 2005 aus der Kirche austrat, übt darin scharfe Kritik an der katholischen Kirche.
In der Katholikin wurden Zweifel laut: Ist der Papst wirklich unfehlbar? Ist die Marienverehrung biblisch? Die Sozialarbeiterin wuchs in einer katholischen Familie auf. Regelmäßig besuchte sie die Messe.
Mit einer Bekannten diskutierte Klusekemper das Gelesene. Diese gab ihr den Rat: Lies doch mal die Bibel statt Drewermann. Das hatte sie schon vor Jahren versucht. „Aber damals habe ich beim Alten Testament angefangen. Nach 50 Seiten verlor ich die Lust und sagte, das können andere lesen.“ Seitdem staubte die Bibel im Bücherregal vor sich hin.
Lesen, prüfen, sprechen
Die Bekannte riet ihr, bei den neutestamentlichen Evangelien anzufangen. Klusekemper wagte einen weiteren Anlauf. Diesmal wollte sie das Buch nicht mehr aus den Händen legen. Innerhalb weniger Monate hatte sie das Neue Testament und fast das gesamte Alte Testament durchgelesen. Gleichzeitig prüfte sie die Traditionen der katholischen Kirche anhand der Bibel. Sie suchte das Gespräch mit einem katholischen Vikar. „Er konnte mir gute und umfassende Antworten geben. Trotzdem stimmte ich ihm nicht zu.“
Stundenlang sprach sie mit ihrem evangelischen Ehemann über ihre Fragen. Auch ihr Schwiegervater, ein Pfarrer im Ruhestand, nahm sich viel Zeit. Es folgten weitere Gespräche mit evangelischen Pfarrern. Nach einem Gebetsspaziergang fasste sie den Entschluss, evangelisch zu werden.
Gegenwärtiger Entwicklung entgegenstellen
Beim Amtsgericht teilte Klusekemper ihren Austritt mit, für den Eintritt füllte sie beim evangelischen Pfarramt ein Formular aus. Seit dem 2. Dezember 2018 gehört sie zu einer evangelischen Gemeinde in Hamm.
Was sich seit ihrem Konfessionswechsel für sie am meisten verändert hat: „Meine Beziehung zu Jesus. Er hatte für mich früher nicht so einen großen Stellenwert. Wenn ich heute unterwegs bin, sei es im Auto oder auf der Arbeit, spreche ich mit ihm. Ich kann mir alles von der Seele reden.“
Heute engagiert sie sich in ihrer Gemeinde unter anderem im Chor. Voller Sorge blickt sie auf die sinkenden Mitgliederzahlen. „Ich erlebe, dass viele Menschen in meinem Alter hinter den christlichen Werten stehen, aber nicht hinter der Kirche.“ Sie befürchtet, dass die nachfolgenden Generationen nicht nur die Kirche infrage stellen werden, sondern auch die Werte. „Ich kenne einige Personen, die zwar noch auf dem Papier christlich sind, aber sich mit den Inhalten gar nicht mehr auskennen. Ohne die christlichen Werte verkümmert eine Gesellschaft. Dem müssen wir uns alle entgegenstellen.“
Sonja Klusekemper bloggt unter sonjas-herzensgedanken.de.
Der christliche Glaube spielte in der Kindheit und Jugend von Thomas Schulze zur Wiesch kaum eine Rolle. Lebenskrisen führten ihn zu Gott.
Im Gegensatz zu seiner Nachbarin Sonja Klusekemper wuchs Thomas Schulze zur Wiesch in einer evangelischen Familie auf. Der 74-Jährige erinnert sich, dass er als Kind mit seinem Vater den Weihnachtsgottesdienst besuchte, während seine Mutter zu Hause blieb. Über christliche Themen sprach die Familie so gut wie gar nicht. Trotzdem liebte er als Schüler das Fach evangelische Religion. Ihn faszinierten die Geschichten über Jesus. „Aber ich wusste nicht, was das alles mit meinem Leben zu tun hat.“
Nach dem Abitur zog er für den Wehrdienst von seiner Heimatstadt Münster nach Bayern. In Süddeutschland gefiel es ihm so gut, dass er blieb und in München Betriebswirtschaft studierte. Alles lief gut – bis er seinen ersten Job in einer Bank aufnahm. „Ich war überfordert. Immer wenn ich in die Akten schauen musste, verlor ich mich darin.“ Vier Jahre lang quälte er sich durch den Berufsalltag.
In der Zeit lernte er seine zukünftige Frau kennen. Die beiden schlossen sich einer esoterischen Gruppe an. „Bei den gemeinsamen Treffen war ich immer high, aber zu Hause war ich depressiv.“ Das Ehepaar nahm schließlich Abstand von der Gruppe – aber auch voneinander, denn sie stritten sich häufig. Nach dreieinhalb Jahren Ehe trennten sie sich, ohne sich scheiden zu lassen.
Beide finden zu Jesus
Schulze zur Wiesch sah sich beruflich und in der Ehe gescheitert. „Ich war sehr unglücklich. Psychologen würden vielleicht sagen, ich war manisch-depressiv.“ Eines Tages lief er am Aushang einer katholischen Kirche vorbei: Er las, dass noch am selben Abend ein Glaubensgrundkurs startete. „Das hat mich irgendwie angezogen. Ich wollte unbedingt teilnehmen.“ Er besuchte jede Woche den Kurs – und traf eine Entscheidung für den christlichen Glauben.
Stutzig machten ihn aber einige Punkte in der katholischen Lehre, wie beispielsweise die Marienverehrung: „Ich verstand mit der Zeit, dass Maria uns zu Jesus hinführen soll.“ Dies sei ihm u.a. durch die Geschichte über die Hochzeit zu Kana deutlich geworden, betont er. Als Jesus und Maria Gäste bei der Feierlichkeit waren und der Wein ausging, sei es schließlich Maria gewesen, die zu den Dienern sprach: „Was er euch sagt, das tut“ (Johannes 2,5).
1988 ließ sich Schulze zur Wiesch firmen und trat in die katholische Kirche ein. Zur Firmung lud er auch seine Frau ein, die aus der katholischen Kirche ausgetreten war. „Bei der Firmung war sie von den liebevollen Menschen fasziniert.“ Wenige Wochen später entschied sie, dass sie Jesus Christus ihr Leben geben wollte. Die beiden fanden den Mut, wieder zusammenzuziehen. „Es war sehr schwer. Aber jetzt hatten wir einen Dritten im Bunde: Jesus.“ Kam es zum Streit, ging jeder in seine Gebetsecke. Danach war Versöhnung möglich.
Der Glaube kommt auch vom Hören
Auch beruflich ging es für Schulze zur Wiesch bergauf: Er machte eine Ausbildung zum Altenpfleger. „Ich habe den Beruf mit viel Freude gemacht“, sagt der Rentner. Er und seine Frau zogen nach seiner Ausbildung nach Hamm. Hier gründeten sie einen Gebetskreis und besuchen nun eine katholische Gemeinde. Es ist ihm sehr wichtig, jeden Sonntag in die Heilige Messe zu gehen. „Der Glaube kommt nicht nur vom Lesen, sondern auch vom Hören. Wenn man den Glauben nicht mehr hört, dann verfliegt er. Wir müssen treu sein, um den Glauben zu bewahren.“
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