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Kommentar

Wofür der Israelsonntag ein guter Anlass wäre

08.08.2021

Ein Fenster mit einem Davidstern. Symbolbild: pixabay.com
Ein Fenster mit einem Davidstern. Symbolbild: pixabay.com

Zum Israelsonntag am 8. August ein Kommentar von dem Vorsitzenden der Kirchlichen Sammlung um Bibel und Bekenntnis in Bayern (KSBB), Andreas Späth. Der Israelsonntag ist ein Sonntag im Kirchenjahr, der laut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) „an das enge Verhältnis von Christen und Juden“ erinnern soll. Er wird am zehnten Sonntag nach Trinitatis begangen.

Ist das Volk Israel ein echtes Thema für die Kirche? Ich habe es mich ernsthaft gefragt, nachdem man während des schweren Raketenbeschusses auf Israel vor wenigen Monaten kirchlicherseits wenig hörte. Nun haben wir heute den alljährlichen Israelsonntag. An dem Tag gedenkt die Kirche mit wechselnden Schwerpunkten seit langer Zeit des Volkes Israel. Daneben hat sich mit dem Holocaustgedenktag am 27. Januar ein staatlicher Gedenktag etabliert, der auch im kirchlichen Raum, bzw. unter kirchlicher Beteiligung begangen wird. Und dazwischen? Weitgehende Stille. Und das Gedenken, Trauern, Klagen? Es betrifft zwei Tage im Jahr. Zwei! Zwei Tage, an denen man an die Leiden der Juden denkt. An die Juden, die kirchlichem Antijudaismus und weltlichem Antisemitismus zum Opfer fielen. Man gedenkt ihrer und meint offenbar damit seine Pflicht und Schuldigkeit getan zu haben.

Bei aktuellen antisemitischen Vorfällen wägt man weise das Haupt, die Augenbraue zuckt nach oben – ebenso zielsicher wie der Zeigefinger. Bei antisemitischen Äußerungen oder Taten von gebürtigen Deutschen mehr, bei importiertem Antisemitismus merklich geringer.

Was unerträglich ist

Werden Israel oder Juden angegriffen, richten sich Mahnungen, doch endlich Frieden zu halten, oft an beide Seiten. Diese Äquidistanz ist unerträglich. Nicht selten verkaufen Medien einen antisemitischen Überfall als Konflikt, Rangelei oder Schlägerei zwischen Juden und anderen Parteien. Dass es Juden sind, die den Angriff erleiden, bleibt mitunter unerwähnt, oder wird der grob verzerrenden Überschrift nur nachgeschoben. Da halten auch Kirchenleute nicht immer angemessen Abstand, wenn es wieder soweit ist. Man trauert um die Opfer – je mehr, je länger ihr Leiden zurückliegt. Und dieses faktische Unterscheiden zwischen den Opfern der Vergangenheit und denen der Gegenwart ist kaum erträglich.

Wo wird die Solidarität mit Juden konkret?

Vor wenigen Wochen war Israel unter Dauerbeschuss. Hätten die Israelis auf die guten Ratschläge aus aller Welt gehört, wäre das Land jetzt zerbombt und hätte dennoch keinen Frieden, weil sich die Täter wahrscheinlich gerade blutig darüber streiten würden, wer welchen Teil der Beute erhält.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) schrieb 2020 zum Israelsonntag (die Aktualisierung für 2021 scheint man vergessen zu haben): „Christinnen und Christen sind besonders gefordert, ihre Solidarität gegenüber Jüdinnen und Juden auszudrücken. Die Evangelische Kirche in Deutschland tritt entschieden gegen Antisemitismus und alle Formen von Judenfeindschaft ein.“ Doch wie, wo und wann wird diese „Solidarität“ konkret?

Wo war der kirchliche Zwischenruf?

Gerade fängt wieder eine Raketeninvasion der Hisbollah an. Neben deren Vertreter Naim Qassem, dem Hamas-Vertreter Ismail Haniyeh und dem Vertreter der Huthi-Miliz aus dem Jemen saß bei der Vereidigung des neuen iranischen Führers Ebrahim Raisi vor wenigen Tagen kein Geringerer als Enrique Mora als Repräsentant der Europäischen Union mit unter den Gästen. Wo war der kirchliche Zwischenruf? Wo sind jetzt, wo die Raketen wieder fliegen, die Solidaritätsbekundungen, wo die Aufrufe zum Gebet für Israel, wo das Streichen der finanziellen Unterstützung für Organisationen, die sich bei der antisemitischen BDS-Bewegung (Boykott, Desinvestition und Sanktionen), dem zeitgenössischen Ersatz für „Kauft nicht beim Juden!“, engagieren? Während des ganzen Bombardements: Ohrenbetäubendes Schweigen. Nicht einmal ein Ruf zur Fürbitte.

Zur Fürbitte für Israel aufrufen

Heute am Israelsonntag, den die EKD gerne auch als Bußtag für die Christen sieht, wäre es angezeigt, nicht nur über Buße für die Sünden der Väter zu reden – das ist wohlfeil –, sondern sich ohne Wenn und Aber vor Israel zu stellen und zur Fürbitte für Israel aufzurufen – ungeteilt, eindeutig, parteiisch.

Der Israelsonntag wäre ein guter Anlass, die Gemeinden zu bitten, Israels dauerhaft – zumindest aber in solchen Zeiten der Bedrängnis wie dieser Tage – im Gebet zu gedenken; Fürbitte für Sicherheit und Frieden zu tun, Israel öffentlich gegen den islamisch gefärbten Hass zu verteidigen.

An den Gedenktagen die Opfer der Shoa zu beweinen und gleichzeitig den Opfern unserer Zeit den Rücken zuzudrehen ist heuchlerisch.

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