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Bericht

Wie vier Ukrainer nach Deutschland kamen

24.02.2023

v.l.n.r.: Natalia Polischük, Lesia Harkusha, Oles Radschenko und Sascha Malynovskyi. Fotos: Privat
v.l.n.r.: Natalia Polischük, Lesia Harkusha, Oles Radschenko und Sascha Malynovskyi. Fotos: Privat

Ein Teenager, ein Mann, zwei Frauen, dieselbe Heimat: IDEA bat vier Ukrainer, von ihrer Flucht nach Deutschland zu erzählen.

Glauben wiedergefunden

Am 24. Februar 2022 änderte sich mein Leben. Als ich hörte, wie Bomben explodierten und Fenster zerbrachen, verstand ich: Es ist Krieg. Die ganze Nacht heulten die Sirenen. Es gab bei uns in Winnyzja keine Elektrizität, kein Wasser. Es war kalt. Nach und nach verließen meine Nachbarn das Haus. Mein Sohn kaufte mir ein Busticket, damit ich nach Deutschland fahren konnte.

Mit nur einem Koffer verließ ich meine wunderschöne Wohnung. Im Bus waren zwei kleine Brüder aus Mariupol. Immer wenn sie am Himmel ein Flugzeug sahen, fingen sie an zu schreien. Ich musste weinen. In Köln nahm mich eine 83-jährige Dame auf. Sie war sehr hilfsbereit. Ich habe in Deutschland nur hilfsbereite Menschen kennengelernt.

Immer wieder frage ich mich: Hätten wir Ukrainer auch so viel geholfen? Ich besuche einen Deutschkurs in der Evangelischen Freikirche Köln Ostheim. Eigentlich wollte ich nach dem Tod meines Mannes nie wieder in eine Kirche gehen. Aber jetzt habe ich meinen Glauben wiedergefunden.

Natalia Polischük, 69 Jahre, Köln

Natalia Polischück ist 69 jahre alt und lebt in Köln. Foto: Privat

Heimweh

Am 24. Februar 2022 wurde ich in Bila Zerkwa frühmorgens von Bombenexplosionen geweckt. Innerhalb von zwei Stunden packte ich ein paar Dinge zusammen und fuhr zu Bekannten. Dort blieb ich für zwei Wochen. Ich dachte, der Krieg würde bald enden. Viele meiner Freunde verließen das Land. Ich wollte bleiben.

Aber mir wurde klar, dass ich hier als Fotografin erst mal keine Zukunft habe. Freunde boten mir an, mit ihnen nach Deutschland zu fahren. Meine Mutter und Geschwister blieben mit ihren Familien zu Hause. Für die erste Zeit lebten wir bei Freunden, die schon vor ein paar Jahren ausgewandert waren. Es war alles sehr eng – trotzdem war ich dankbar.

Ich informierte mich, wie ich als Fotografin Geld verdienen konnte. In der Zeit hatte ich fürchterliches Heimweh, und es gab Schwierigkeiten mit Dokumenten. Aber mit Gottes Hilfe habe ich es geschafft! Jetzt arbeite ich für Fotografen. Ich habe die Hoffnung, dass der Krieg bald vorbei ist und ich nach Hause kann.

Lesia Harkusha, 33 Jahre, Wuppertal

instagram.com/lesikafoto

Lesia Harkusha ist 33 jahre alt und lebt in Wuppertal. Foto: Privat

Dankbar für die Hilfe

Zehn Tage nach dem Angriff sind meine Mutter und ich von Kiew an die westliche Grenze gefahren. Mein Vater, älterer Bruder und meine Großeltern blieben zurück. Wir hatten große Angst, weil wir nicht wussten, ob wir uns wieder sehen würden. Meine Mutter und ich fuhren erst mal nach Budapest. Über eine Webseite für freiwillige Gastgeber fanden wir eine Familie in Dorsten. Wir flogen nach Düsseldorf.

Am Flughafen empfing uns unsere Gastfamilie sehr lieb mit Blumen. Sie haben uns viel geholfen, wofür wir sehr dankbar sind. Sie sind für uns zu einem Teil der Familie geworden. Ich kann mir nicht vorstellen, was wir ohne ihre Hilfe gemacht hätten. In Deutschland fühle ich mich sicher und frei. Ich gehe in die 9. Klasse eines Gymnasiums. Ehrenamtlich arbeite ich in der katholischen St.-Johannes-Kirche in Dorsten. Leider habe ich noch keine engen Freunde in Deutschland gefunden. Ich vermisse meine Freunde und Familie in der Ukraine sehr.

Oles Radchenko, 15 Jahre, Dorsten

Oles Radschenko ist 15 jahre alt und lebt in Dorsten. Foto: Privat

Herausfordernde Flucht

Ich bin eine Woche nach Kriegsbeginn, am 2. März 2022, in Deutschland angekommen. Wir sind eine Gruppe von 42 Menschen. Die Hälfte von uns ist behindert. Die andere Hälfte sind unsere Pfleger und Familienangehörige. Wir wussten nicht, wohin wir fahren, aber wir wussten, warum wir fahren. Wir waren drei Tage unterwegs. Das war für uns Rollstuhlfahrer sehr anstrengend.

Seit fast einem Jahr leben wir in den Christlichen Gästehäusern Schönblick in Schwäbisch Gmünd. Hier sind wir gut aufgenommen worden. In meiner Heimatstadt Luzk wohnte ich mit meinen Eltern im achten Stock. Uns war klar, bei Luftalarm kommen wir da nicht raus. Aber hier sind wir in Sicherheit. Slawa Bogu – Gott sei Dank! Die Trennung von der Heimat ist schmerzhaft. Ich habe die Hoffnung, dass ich in Deutschland eine Arbeit finde. Ich kann gut mit dem PC umgehen. Sehr gerne möchte ich den Menschen hier etwas zurückgeben.

Sascha Malynovskyi, 44 Jahre, Schwäbisch Gmünd

Sascha Malynovskyi ist 44 Jahre alt und lebt in Schwäbisch Gmünd. Foto: Privat

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