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Kommentar

Was Steinmeier schnell tun sollte

11.01.2022

Helmut Matthies ist Theologe und Journalist sowie Vorstandsvorsitzender von IDEA. Foto: IDEA/ Wolfgang Köbke
Helmut Matthies ist Theologe und Journalist sowie Vorstandsvorsitzender von IDEA. Foto: IDEA/ Wolfgang Köbke

Zu einer möglichen zweiten Amtszeit des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (SPD) – Ein Kommentar von Helmut Matthies

Wohl selten sind wir Deutschen so gespalten gewesen wie gegenwärtig. Befeuert von einer chaotischen Corona-Politik haben noch nie so viele das Gefühl gehabt, sich nicht mehr frei äußern zu können (fast 50 Prozent, so Allensbach).

Was sich bereits seit den 90er Jahren in Kirchen und Kultur abzeichnete, entwickelte sich zu einem Meinungseinheitsblock auch weiter Teile der traditionellen Parteien und Medien. „Die Linke ist die Mitte, und alles, was rechts von ihr ist, ist rechtsextrem“ (so der Medienwissenschaftler Norbert Bolz). Gregor Gysi äußerte bei Markus Lanz (6. 1.): „Wir müssen einen Weg finden, Vertrauen wiederherzustellen … 30 Prozent unserer Bevölkerung haben jedes Vertrauen zur etablierten Politik von CSU bis zur Linken verloren …“

Linke und Rechte an einen Tisch

Es wäre nun die vornehmste Aufgabe des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (Kirchen tun es leider nicht), Geimpfte & Ungeimpfte, „Linke“ & „Rechte“ an einen Tisch zu holen, damit die Ausgrenzung fast jedes 3. Bürgers aufhört. Das ist dem Präsidenten bisher leider nicht gelungen. Er sollte es spätestens in seiner 2. Amtsperiode anpacken, nachdem er vermutlich am 13. Februar wiedergewählt wird.

Politisch könnte er es, menschlich wäre er dafür geeignet, verfügt der reformierte Christ aus Detmold, der mit einer Katholikin aus dem Siegerland verheiratet ist, doch über die seltenen Gaben, zuhören zu können, demütig und uneitel zu sein.

Ich erlebte ihn erstmals im Winter 2005, als er frühmorgens mit seiner Frau vor dem zugigen Bahnhof in Siegen-Weidenau stand. Auf meine verdutzte Frage, was der Chef des Kanzleramtes (unter Gerhard Schröder) denn an diesem Provinzbahnhof vorhabe, wehrte er nicht etwa ob der Unverschämtheit der Anfrage ab, sondern berichtete ganz locker, dass er von einer Beerdigung eines Angehörigen seiner Frau komme und sie bis zur Abfahrt nach Berlin begleite. Er selbst würde mit dem Hubschrauber zurückfliegen. Privat und dienstlich – vorbildlich getrennt.

Steinmeier: Gebete helfen mir

2010 spendete er seiner Frau eine Niere. Um mehr Zeit für sie zu haben, verzichtete er 2013 auf eine erneute Kanzlerkandidatur der SPD. Ich durfte ihn im Bundestagswahlkampf als einziger Journalist einen Tag in seinem Wahlkreis in Brandenburg begleiten.

Er fuhr von Dorf zu Dorf im Havelland, sprach im Altenheim wie im Kunsthof Galm von Solidarität und Nächstenliebe, ist für jeden ansprechbar. Bei unserem letzten Interview fragte ich ihn, ob ich zum Abschluss für ihn beten dürfe: „Natürlich. Ich weiß von vielen, dass sie für mich beten, und ich fühle mich dadurch gestützt.“

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