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Menschenrechte

Was abschiebungsbedrohte iranische Christen in Deutschland erleben

28.07.2022

Christen nehmen an einem Neujahrsgottesdienst in der Muqaddas Mariam Kirche in Teheran, Iran teil. Foto: picture alliance / AA | Fatemeh Bahrami
Christen nehmen an einem Neujahrsgottesdienst in der Muqaddas Mariam Kirche in Teheran, Iran teil. Foto: picture alliance / AA | Fatemeh Bahrami

Frankfurt am Main (IDEA) – Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM/Frankfurt am Main) hat davor gewarnt, christliche Konvertiten in den Iran abzuschieben. Vertreter der Organisation äußerten sich ebenso wie mehrere abschiebungsbedrohte iranische Christen am 28. Juli in einer digitalen Pressekonferenz.

Nach den Worten von IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin überschattet der Ukraine-Krieg aktuell die Menschenrechtslage in dem mit Russland verbündeten Iran. Die Islamische Republik sei ein totalitärer Unrechtsstaat. Christliche Konvertiten, die öffentlich über ihren Glauben redeten und sich zum Gebet versammelten, seien dort in höchster Gefahr. Das werde in Deutschland vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und von den Verwaltungsgerichten ignoriert, bedauerte Lessenthin. Denn immer wieder lehne das BAMF Asylanträge von Konvertiten ab und auch die Verwaltungsgerichte – sie überprüfen die Entscheidungen des BAMF, wenn gegen einen negativen Bescheid Klage erhoben wird – wiesen oftmals die Konvertiten ab: „Die Verwaltungsrichter müssen wissen, dass der Iran ein Terrorstaat ist.“

Kritisch äußerte sich Lessenthin zum Verhalten der beiden großen Kirchen: Sie müssten sich kraftvoller und hörbarer als bisher für abschiebungsbedrohte christliche Konvertiten einsetzen. Auch von Vertretern des Bundestags wünsche er sich deutlich mehr Einsatz. Er sei aber dankbar für den Einsatz der beiden CDU-Bundestagsabgeordneten Hermann Gröhe und Thomas Rachel, Bundesvorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises (EAK) der CDU/CSU. Sie setzten sich sowohl im Verfolgerstaat als auch in Deutschland für Betroffene ein, betonte Lessenthin.

IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin. Screenshot: IDEA

Pfarrer Martens: Religionsfreiheit wird immer wieder massiv verletzt

Der Pfarrer der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), Gottfried Martens (Berlin), beklagte in der Pressekonferenz den oft zynischen Umgang mit Konvertiten. Seine Dreieinigkeitsgemeinde in Berlin-Steglitz ist stark in der missionarischen Arbeit unter Flüchtlingen aus dem Iran und Afghanistan tätig. Rund 1.200 Konvertiten aus diesen beiden Ländern gehören laut Martens zu seiner Gemeinde. Die Anerkennungsquote von Konvertiten sei in den vergangenen Jahren von fast 100 Prozent stark gesunken und bewege sich mittlerweile fast im einstelligen Bereich, beklagte Martens.

Wer gegen seine Ablehnung vor einem Verwaltungsgericht klage, habe abhängig vom Wohnort unterschiedliche Chancen. Denn es gehe, so Martens, in den Verhandlungen weniger um die Ernsthaftigkeit der Konversion sondern vielmehr um die persönliche Einstellung des Richters zu Geflüchteten. Was dort abgefragt und untersucht werde, sei oft „willkürlich“. Jeder Richter gestalte es vollkommen anders.

Martens betonte, dass er auch erfreuliche Erfahrungen mit Verwaltungsrichtern mache. Diese bemühten sich, auf die Einschätzung der Geistlichen zu hören, die die Konvertiten über Jahre hinweg begleitet haben. Aber in vielen Fällen sei es so, dass Richter sich anmaßten, Experten in Fragen des Glaubens zu sein und sagten, dass sie es besser als Geistliche wüssten, ob der Betreffende konvertiert sei und was er bräuchte, um seinen Glauben leben zu können. Martens: „Hier finden immer wieder ganz massive Verletzungen der Religionsfreiheit in Deutschland statt.“

Konvertit: Wir werden Christen bleiben – auch wenn es uns das Leben kostet

Hamid (Nachname aus Sicherheitsgründen nicht genannt) schilderte, dass er und seine Ehefrau im Iran Christen geworden und Mitglieder einer Hauskirche gewesen seien. Sie seien nach Deutschland geflohen, da es ihnen im Iran streng verboten gewesen sei, über ihren neuen Glauben zu erzählen. Ihr Asylantrag sei abgelehnt worden, so Hamid. Das Verwaltungsgericht Bayreuth habe anschließend die Klage abgewiesen.

Es sei deutlich geworden, dass der Richter ihnen nicht geglaubt habe. Er habe ihnen unterstellt, sie würden ihren christlichen Glauben im Iran wieder aufgeben. Dem widersprach Hamid: „Wir sind Christen und wir werden Christen bleiben – auch wenn es uns das Leben kostet.“

Hamid und seine Ehefrau aus dem Iran. Screenshot: IDEA

Vorwurf der Unglaubwürdigkeit

Wolfgang Drüner von der Freien evangelischen Gemeinde Hanau schilderte den Fall einer vierköpfigen Familie, die 2017 nach Deutschland kam und sich 2018 taufen ließ. Die Familie sei geflohen, weil der Vater wegen angeblich gewerbsmäßigen Handels mit Alkohol bereits ausgepeitscht worden war und ihm noch weitere Peitschenhiebe drohten. Das Verwaltungsgericht habe die Klage gegen den abgelehnten Asylantrag abgewiesen, weil die Familie kein schriftliches Urteil über die Strafe vorlegen konnte. Deswegen sei ihnen Unglaubwürdigkeit vorgeworfen worden.

Die Familie sei psychisch stark belastet, weil sie seit Jahren keine Perspektive habe. Nun wolle die Familie einen Antrag auf Ausbildungsduldung für den 14-jährigen Sohn stellen. 95 Prozent der über 80 Millionen Einwohner des Iran gehören zum schiitischen Zweig des Islams. Der Anteil der Christen liegt bei unter einem Prozent.

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