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Thüringer Pfarrverein übt Kritik am eigenen Vorsitzenden

16.02.2022

Pfarrer Martin Michaelis. Foto: Privat
Pfarrer Martin Michaelis. Foto: Privat

Saalburg-Ebersdorf/Quedlinburg (IDEA) – Teile des Thüringer Pfarrvereins haben sich von einer Rede des Vorsitzenden, Martin Michaelis (Quedlinburg), distanziert, die er bei Protesten gegen staatliche Corona-Maßnahmen gehalten hat. Bereits im Dezember hatte die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) scharfe Kritik an ihm geübt.

Zum Hintergrund: Michaelis äußerte sich am 5. Dezember im thüringischen Sonneberg mit Bezug auf die Zehn Gebote kritisch zur deutschen Corona-Politik. So beklagte er etwa anhand des Gebotes „Du sollst nicht stehlen“ den Handel mit „überteuerten Masken“, an deren Beschaffung sich Abgeordnete und ihre Angehörigen „dumm und dämlich“ verdienten.

Außerdem zitierte er aus dem „Augsburger Bekenntnis“ von 1530, in dem es unter anderem heißt, dass die Christen „der Obrigkeit untertan“ und deren Geboten und Gesetzen gehorsam sein sollten, sofern es ohne Sünde geschehe: „Wenn aber der Obrigkeit Gebot ohne Sünde nicht befolgt werden kann, soll man Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Michaelis erklärte der Evangelischen Nachrichtenagentur IDEA damals, dass er zu einem „gewissensgeleiteten Gehorsam“ aufgerufen habe.

Pfarrverein plant Mitgliederversammlung

Wie der stellvertretende Vorsitzende des Thüringer Pfarrvereins, Pfarrer Tillmann Boelter (Saalburg-Ebersdorf), gegenüber IDEA nun auf Anfrage mitteilte, plant der Vorstand möglichst bald eine Mitgliederversammlung, bei der die Mitglieder über den zukünftigen Kurs des Vereins entscheiden müssten. „Da die Mehrheit der gewählten Mitglieder im Vorstand sich distanziert hat, braucht es die Entscheidung der Basis“, so Boelter. Er selbst werde die Entscheidung der Mitglieder akzeptieren und gegebenenfalls seinen Posten als stellvertretender Vorsitzender zurückgeben.

Bereits Ende Januar hatten sich drei von fünf gewählten und zwei von vier berufenen Vorstandsmitgliedern in einer Erklärung vom Auftritt ihres Vorsitzenden in Sonneberg distanziert. Darin heißt es, dass der Vorstand keine Kenntnis davon hatte und Michaelis nicht für den Verein gesprochen habe. „Die unterzeichnenden Mitglieder teilen ausdrücklich nicht die inhaltlichen, theologischen und gesellschaftlichen Verlautbarungen des Vorsitzenden zu der Corona-Pandemie und distanzieren sich vom Auftritt und Inhalt der Rede.“

Boelter: Auftritt hat viele Mitglieder „gekostet“

Boelter erhält derzeit nach eigenen Angaben so viele Anrufe und E-Mails von Vereinsmitgliedern wie noch nie. Etwa 90 Prozent kritisierten den Auftritt von Michaelis. Die wenigen positiven Reaktionen seien nicht von Mitgliedern der mitteldeutschen Landeskirche gekommen. „Nach unserer Distanzierung gab es dagegen Vereinsmitglieder, die ihren Austritt zurückgenommen haben. Der Auftritt des Vorsitzenden hat den Verein jedoch viele Mitglieder gekostet“, so Boelter. Nach seinen Worten werden aktuell viele Pfarrer aufgrund der Corona-Regeln „angefeindet“. Die einen Gemeindemitglieder empfänden die Regelungen als „zu lax“, die anderen als „zu streng“. „Öl ins Feuer zu gießen schadet jedoch“, so Boelter. Vielmehr müssten Wege zur Versöhnung gefunden werden.

Michaelis: Verwunderung über Verhalten des Vorstandes

Michaelis nannte es gegenüber IDEA „unverständlich“, dass er für die Zitation der Zehn Gebote und des „Augsburger Bekenntnisses“ so heftig kritisiert werde. Nach seinen Angaben hat es eine Klärung im Landeskirchenamt gegeben. Der EKM-Personaldezernent Oberkirchenrat Michael Lehmann (Erfurt) bestätigte gegenüber IDEA, dass am 10. Januar ein Personalgespräch mit Michaelis stattgefunden habe. Dessen Inhalt sei jedoch „vertraulich“, ebenso wie die Verabredungen, die am Ende getroffen wurden.

Laut Michaelis wurde in einem Schreiben von Lehmann, das auch Boelter erhalten habe, mitgeteilt, dass seine Rede vom Recht auf freie Wortverkündigung und persönliche Meinungsäußerung gedeckt sei. Er wundere sich über das Verhalten von Teilen des Vorstandes, insbesondere seines Stellvertreters. Außerdem erklärte Michaelis, dass er die Rede am 5. Dezember ausdrücklich „als Pfarrer“ und nicht als Vorsitzender des Thüringer Pfarrvereins oder in anderen Funktionen gehalten habe. Er erhalte immer wieder Post von Menschen, die hinter ihm stünden oder ihn um Beratung und Hilfe ersuchten – so zahlreich, dass er noch nicht allen habe antworten und danken können.

Michaelis ist darüber hinaus auch Vorsitzender der Pfarrvertretung der EKM. Hier habe es einen Antrag gegeben, ihm das Vertrauen als Vorsitzenden zu entziehen, der aber abgelehnt worden sei. Michaelis hofft, sich künftig unter anderem wieder intensiver der Vorbereitung der theologiegeschichtlichen Ausstellung zur 1100-Jahrfeier der Stadt Quedlinburg im April widmen zu können. Der Thüringer Pfarrverein ist der Berufsverband der Pfarrerschaft der EKM. Aktuell gehören ihm 635 Mitglieder an.

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