Frei-/Kirchen
Missbrauchsvorwürfe gegen Ex-Jugendwart weiten sich aus
11.04.2022
Dresden (IDEA) – Die Zahl der Fälle, in denen dem langjährigen sächsischen Jugendwart Kurt Ströer (1921–2013) sexueller und geistlicher Missbrauch vorgeworfen wird, weitet sich aus. Ende 2021 hat die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens über die Beschuldigungen gegen Ströer die Öffentlichkeit informiert. Damals waren dem Landeskirchenamt vier namentlich Betroffene bekannt. Auf der sächsischen Landessynode, die vom 8. bis 10. April in Dresden tagte, sprach der Präsident des Landeskirchenamtes, Hans-Peter Vollbach (Dresden), nun von 30 Betroffenen, die sich gemeldet hätten.
Die Taten von Ströer, der von 1956 bis 1986 Jugendwart war, seien sowohl nach damaligem als auch nach heutigem Recht strafbar, so Vollbach. Das Thema wurde spontan auf die Tagesordnung der Synode gesetzt, nachdem Vollbach gemeinsam mit Landesbischof Tobias Bilz und der Präsidentin der Landessynode, Bettina Westfeld (beide Dresden), einem Gespräch mit 17 Betroffenen kurz zuvor beigewohnt hatten.
Westfeld erklärte, dass diese Männer heute zwischen 55 und 79 Jahre alt sind. Sie hätten von ihren schlimmen Erfahrungen berichtet und von den Beschuldigungen, etwa dass sie „Nestbeschmutzer“ seien, weil sie über den Missbrauch redeten. Vollbach kündigte an, dass die Aufarbeitung der Fälle durch den Forschungsverbund „ForuM“ erfolgen soll. Er befasst sich mit der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland.
Bilz: Taten nicht relativieren
Landesbischof Bilz betonte in seiner Ansprache, dass den Betroffenen Schlimmes widerfahren sei. Er warnte davor, das Geschehene zu relativieren. Dies sei für die Opfer „ungeheuer schmerzhaft“. Laut Bilz gibt es im Fall von Ströer eine bestimmte Form der Relativierung: „Dass die Taten ins Verhältnis gesetzt werden zu dem, was er bei anderen möglicherweise Gutes bewirkt hat.“ Nach Ansicht des Bischofs ist das nicht „statthaft“. Es gehe jetzt nicht darum, vorschnell ein Urteil über die Gesamtleistung eines Menschen zu fällen, sondern sich konkret die Schattenseiten anzuschauen.
Besonders schmerzvoll sei, dass die Taten an geistlich religiöse Handlungen gekoppelt gewesen seien, etwa an ein „Bekehrungsgespräch“. Damit sei die Gottesbeziehung dieses Menschen für immer damit „kontaminiert“. „Das ist praktisch unheilbar“, so der Landesbischof. Es werde auch eine theologische Aufarbeitung des Geschehenen benötigen. Das Thema werde die Landeskirche eine lange Zeit begleiten. Das gelte es auszuhalten. Im Anschluss an den Tagesordnungspunkt fanden sich die Synodalen zum gemeinsamen Gebet in der Dreikönigskirche ein.
Diakonie: Einrichtungsbezogene Impfpflicht hat geschadet
Im Bericht des Diakonischen Werkes sprach der Vorstandsvorsitzende der Diakonie Sachsen, Dietrich Bauer (Radebeul bei Dresden), über die aktuelle Ukraine-Krise. In Sachsen seien aktuell etwa 25.000 Flüchtlinge angekommen. Man rechne jedoch mit einem weiteren Anstieg der Zahlen.
Laut Bauer muss man sich in allen Strukturen auf einen längerfristigen Aufenthalt der Geflüchteten einstellen. Zudem ging der Diakoniechef auf die Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht ein, die für die Diakonie Sachsen nach der nicht beschlossenen allgemeinem Impfpflicht zu einer Gerechtigkeitsfrage geworden sei. Das Thema habe auch innerhalb diakonischer Einrichtungen zu einer Verschärfung der Konflikte und der Personalsituation geführt. Die Diskussionen um eine einrichtungsbezogene Impfpflicht seien kontraproduktiv gewesen. Schon vor der Pandemie habe es in der Pflege Nachwuchsprobleme gegeben und aufgrund des Anstiegs der Pflegebedürftigen werde sie künftig vor großen Problemen stehen.
In einer Pressekonferenz sagte Bauer, dass es den assistierten Suizid in Einrichtungen der Diakonie Sachsen nicht geben werde. Der Landessynode gehören 80 Mitglieder an. Zur Landeskirche gehören 338 Gemeinden mit rund 629.000 Mitgliedern. Die nächste Synode findet vom 11. bis 14. November 2022 statt.
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