Kommentar
rbb-Rundfunkrat: Eine Trauung zu viel
23.08.2022
Ein Kommentar von Helmut Matthies zum ARD/rbb-Skandal und zur kirchlichen Ämterfülle
So etwas gab es auch noch nicht: Der neue Vorsitzende der ARD, WDR-Intendant Tom Buhrow, entzog im Namen aller ARD-Intendanten der Leitung des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) das Vertrauen. Inzwischen ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft gegen die rbb-Intendantin Patricia Schlesinger (61), die bis zu ihrem Rücktritt am 4. August auch Vorsitzende der ARD gewesen war, sowie ihren Ehemann – den Ex-Spiegel-Redakteur Gerhard Spörl – wegen des Verdachts der Untreue und Vorteilsannahme. Zuvor ist von Geldgier, Verschwendungssucht und Vetternwirtschaft an der rbb-Spitze berichtet worden. So ließ sich die Intendantin ihr Büro für 1,4 Millionen Euro renovieren.
Mehr Gehalt als der Bundeskanzler
Ihr Gehalt wurde 2021 um 16 % auf 303.000 Euro erhöht. Zum Vergleich: Ein Altenpfleger verdient durchschnittlich 35.600 Euro im Jahr, und der jetzt mehr Kontrolle beim rbb anmahnende WDR-Intendant Buhrow fast zwölfmal so viel: 413.000 Euro Grundgehalt. Weit, weit mehr als der Bundeskanzler des mächtigsten Staates in Europa, Olaf Scholz: 242.000 Euro. Wohlgemerkt: Es geht um die Verwendung der Gelder aller Bürger, die zwangsweise pro Haushalt rund 220 Euro Rundfunkgebühr im Jahr zahlen müssen.
An der Spitze: Eine prominente Kirchenfrau
Die bisherige Vorsitzende des rbb-Rundfunkrates ist eine prominente Kirchenfrau: Friederike von Kirchbach (67). Sie ist einst Generalsekretärin des Kirchentages (2000–2005) und von 2005 bis 2015 als Pröpstin Stellvertreterin des Bischofs der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) gewesen.
Sie entsandte von Kirchbach 2007 in den Rundfunkrat, dessen Vorsitzende sie 2013 wurde. Bis zum letzten Jahr wirkte sie als Pfarrerin. Heute ist sie in verantwortlichen Positionen ehrenamtlich in kirchlichen Einrichtungen tätig. Am 20. August trat sie als Rundfunkratsvorsitzende zurück. Zuvor hat sie noch mit dafür gesorgt, dass Schlesinger als Intendantin abberufen wurde. Wie konnte es sein, dass sie in ihrer 10 Jahre währenden Amtszeit als Vorsitzende von all den Machenschaften nichts gewusst hat? Für die „Berliner Zeitung“ hat der Rundfunkrat „eklatant versagt“.
Was für Kritik sorgte
Für Kritik sorgte aber noch etwas ganz anderes. Auf der Belegschaftsversammlung der rbb-Mitarbeiter am 18. August wurde bekannt, dass die Rundfunkratsvorsitzende zwei rbb-Direktorinnen kirchlich getraut hat. (Das lesbische Paar mit zwei Kindern lebt inzwischen wieder getrennt.) Auch wenn die Beziehung der beiden Frauen zu von Kirchbach rein privater Natur gewesen sein soll, wurde die kirchliche Amtshandlung als Verquickung von dienstlich und privat gebrandmarkt. In der „Berliner Zeitung“ (19.8.) lautete die Schlagzeile: „Der rbb-Clan: Wenn die eine Chefin die anderen Chefinnen kirchlich traut.“
Wäre ein Einsatz für die Kirche nicht wichtiger?
Das Beispiel von Kirchbach macht ein grundsätzliches Problem deutlich: Ist ein Theologe in hohen haupt- oder ehrenamtlichen kirchlichen Funktionen gleichzeitig zeitlich und fachlich tatsächlich in der Lage, höchste Verantwortung für eine Rundfunkanstalt mit einem Etat von 565 Millionen Euro (2021) und mehr als 2.000 Mitarbeitern zu übernehmen? Und: Müsste es nicht wichtiger sein, sich mit ganzer Kraft für eine Kirche einzusetzen, die massiv schrumpft – wie gerade die Berliner –, als ein zeitraubendes säkulares Amt zusätzlich auszuüben? Der ARD/rbb-Skandal sollte also nicht nur zur grundlegenden Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks führen, sondern auch zum Nachdenken über kirchliche Aufgaben und Ämterfülle.
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