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Reportage

Nach der Schule ab ins Kloster

31.03.2023

Seit September 2022 macht Valentin Klemm ein FSJ im Kloster Volkenroda. Foto: Luca Kleine-Besten
Seit September 2022 macht Valentin Klemm ein FSJ im Kloster Volkenroda. Foto: Luca Kleine-Besten

Nach dem Abitur erst mal ins Ausland, in die Großstadt, Freiheit genießen – oder vielleicht doch weg vom Trubel? Valentin Klemm macht ein Freiwilliges Soziales Jahr im Kloster Volkenroda. Erika Weiss (Text) und Luca Kleine-Besten (Fotos) haben ihn besucht. Der Artikel ist zuerst in der IDEA-Spezialausgabe „Aus- und Weiterbildung“ erschienen.

Die Sonne kämpft sich ihren Weg durch den dichten, frühmorgendlichen Nebel. Die Straßen des thüringischen 180-Einwohner-Dorfes Volkenroda sind wie leer gefegt. Es ist kurz vor acht. Irgendwo kräht ein Hahn. In der Ferne rattert ein Traktor. Der Weg zum Klostergut führt vorbei an Einfamilienhäusern mit gepflegten Vorgärten.

Mit großen Schritten kommt Valentin Klemm zur Klosterpforte geeilt. Der 19-Jährige hat sich ein Kreuz auf seine Stirn gezeichnet. Es kündigt die vorösterliche Fastenzeit an. In den kommenden 40 Tagen will er auf sein Smartphone verzichten. Seit September lebt und arbeitet Klemm im Kloster Volkenroda. Er macht ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ). Mit vier anderen FSJlern wohnt er in einer Wohngemeinschaft auf dem Gelände.

Etwa 50.000 Gäste besuchen das Kloster im Jahr. Manche bleiben für eine Woche und länger, andere besuchen ein Tagesseminar. Besonders beliebt ist das „Kloster auf Zeit“ für Menschen, die vom Alltag gestresst sind und Ruhe tanken wollen. Zusätzlich leben zwei Brüder und zwei Schwestern auf dem Gelände. Sie gehören zur ökumenischen Kommunität Jesus-Bruderschaft.

Der Kirchenbau des Ordens der Zisterzienser aus dem 12. Jahrhundert. Foto: Luca Kleine-Besten

Der Weg ins Kloster

Nachdem Klemm im letzten Jahr sein Abitur in der Tasche hatte, entschied er sich für einen Freiwilligendienst. „Eigentlich wollte ich Soldat werden. Vor allem wegen des Kameradschaftsgefühls und der Gemeinschaft“, sagt er. Wegen eines Herzfehlers bestand er den Eignungstest nicht. Von einem Bekannten hörte er vom Kloster Volkenroda. Die Vorstellung von einem Leben in einer Kommunität ließ ihn nicht los.

Zudem kreisten seine Gedanken immer wieder um die Frage, was es mit dem Glauben an Gott auf sich hat. Die Sehnsüchte nach Gemeinschaft und nach Gott führten ihn ins Kloster.

Typischer Tagesablauf

Klemms Tag startet um 7.30 Uhr. Er nimmt am gemeinsamen Morgengebet mit den anderen Klosterbewohnern und Gästen teil. Drei Gebetszeiten gibt es täglich. „Für mich ist es ein schöner Zwischenstopp im Tagesrhythmus“, sagt er. Die Teilnehmer singen und ein Mitglied der Gemeinschaft liest ein Kapitel aus der Bibel vor.

Danach geht Klemm an seinen Arbeitsplatz, ein Gemeinschaftsbüro. An vier Tagen der Woche ist er im Bereich Kunst, Kultur und Gottesdienst eingeteilt. Er entwirft Flyer für Veranstaltungen, die im Kloster stattfinden, schickt die Termine den lokalen Zeitungen und kümmert sich um Gebetszettel für die Gottesdienste. Dienstags ist er im Auftrag der Haustechnik auf dem Gelände unterwegs. 350 Euro monatlich verdient er für diese Dienste. Davon gehen 200 Euro ab für Miete und Essen. Große Sprünge kann er mit den restlichen 150 Euro nicht machen. „Mir reicht es“, sagt er. Gegen 17 Uhr hat Klemm Feierabend.

Alle drei Monate nimmt er an einwöchigen Seminaren teil. Diese organisiert der Träger des FSJs, die Landesvereinigung Kultureller Jugendbildung. Klemm: „Die Seminare mit den anderen FSJlern fühlen sich an, als wäre ich auf Klassenfahrt.“

Am Schwarzen Brett: Eine Aufgabe von Klemm ist es, Flyer zu entwerfen. Foto: IDEA/Erika Weiss

Ein besonderer Ort

Als Klemm sein FSJ angetreten hat, war er zunächst überfordert von den vielen Eindrücken und dem Klostergut mit einer Kirche, den Gästehäusern, Seminarräumen, einem Bauernhof und vielem mehr. Er musste erst mal lernen, sich zu orientieren. Alte Mauern treffen auf moderne, verglaste Architektur. Ein besonderer Hingucker ist der Christus-Pavillon, einer der modernsten Kirchenbauten Deutschlands. Ein lichtdurchfluteter Kubus mit Außenwänden, gefüllt mit allerlei Objekten wie alten Kassetten, Zahnbürsten und Holzspänen. Mehrmals im Jahr finden im Pavillon Konzerte und Gottesdienste statt. Klemm kümmert sich um die Musikanlage.

Neben dem Christus-Pavillon gibt es noch eine weitere Kirche – den ursprünglichen Kirchenbau des Ordens der Zisterzienser aus dem 12. Jahrhundert. Davon ist nur noch ein kleiner Teil erhalten. Mittel- und Seitenschiffe fehlen komplett. Eine Folge jahrzehntelanger Verwahrlosung, vor allem zur Zeit der DDR. Eine Reihe von Bäumen erinnert an die Säulen des ehemaligen Kirchenschiffs.

Was Klemm hilft, wenn er sich von all den Aufgaben und dem WG-Leben gestresst fühlt, sind Gespräche mit dem evangelischen Klosterpfarrer, Albrecht Schödl. Er ist zugleich sein Chef und Mentor. Auf dem Gelände hat Klemm verschiedene Rückzugsmöglichkeiten, wie den Gebetsraum. Auch die Klosterkirche ist einer seiner liebsten Orte. Dort darf er auf dem Flügel spielen.

Der Christus-Pavillon ist einer der modernsten Kirchenbauten Deutschlands. Ein lichtdurchfluteter Kubus mit Außenwänden, gefüllt mit allerlei Objekten wie alten Kassetten, Zahnbürsten und Holzspänen. Foto: Luca Kleine-Besten

Der letzte Ort Deutschlands

Seitdem Klemm im Kloster wohnt, beschäftigt er sich viel mit dem Glauben. „Noch vor einem Jahr konnte ich damit und mit der Kirche nichts anfangen. Es war eher lästig als erfüllend.“ Das hat sich geändert. Er erlebt Jesus heute als einen Freund. Vor allem die Zeiten im Gebet genießt er sehr. Er begeistert sich für Seelsorge und überlegt, Theologie oder Psychologie zu studieren.

Wer mit dem Gedanken spielt, ein FSJ in Volkenroda zu machen, sollte, so Klemm, „Lust auf Gemeinschaft“ haben. Das Dorf hat mit 99998 die letzte Postleitzahl Deutschlands. Klemm nennt Volkenroda scherzhaft „den letzten Ort der Welt“. Für junge Menschen kann es zu einem wichtigen Ausgangspunkt auch für berufliche Entscheidung werden und beim geistlichen Wachstum helfen.

KLOSTER VOLKENRODA:

GRÜNDUNG 1131

KOMMUNITÄT Jesus-Bruderschaft

MITARBEITER ca. 40

GÄSTE PRO JAHR 20.000 Übernachtungssowie 50.000 Tagesgäste

Amtshof 3 | 99998 Körner kloster-volkenroda.de | 036025 5590

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