Bericht
Mit Schnitzeisen und Kettensäge: Frohe Botschaft in Holz
16.12.2021
Im erzgebirgischen Königswalde ist die Werkstatt von Holzbildhauermeister Friedhelm Schelter. Mit Schnitzeisen und Kettensäge verwandelt der 52-Jährige unförmige Holzblöcke in filigrane Figuren oder traditionelle Krippenszenerien. Als Christ will Schelter mit seiner Kunst auch die gute Botschaft weitergeben. Lydia Schubert hat ihn besucht. Der Text ist zuerst im IDEA SPEZIAL Advent und Weihnachten erschienen.
Auf dem Boden liegen Schnitzspäne. Es duftet nach Holz und Farbe. In Regalbrettern reihen sich geschnitzte Figuren, Werkzeuge und Pinsel. Willkommen in der Werkstatt von Holzbildhauermeister Friedhelm Schelter. Hier und in einer weiteren Werkhalle fertigt der evangelische Christ Unikate, hauptsächlich aus Holz. Gerade arbeitet er an einer Krippenfigur. Noch fehlen Gesicht, Finger und feinere Konturen. Doch die groben Umrisse lassen erahnen: Hier entsteht einer der Heiligen Drei Könige. Auf der Schnitzbank liegen Dutzende Schnitzeisen in den verschiedensten Ausführungen – flach, gewölbt, abgerundet oder kantig. „Einige wurden seit Generationen weitergegeben“, erzählt der Handwerker. Insgesamt 40 verschiedene Eisen kommen für eine Figur zum Einsatz.
Ein besonderer Werkstoff
Die Liebe zum Holz wurde dem Pfarrerssohn sozusagen in die Wiege gelegt. In seinem Stammbaum finden sich zahlreiche Tischler, wie er erzählt. Darunter auch sein Großvater. „Bei ihm schaute ich als Kind gern in der Werkstatt vorbei“, erinnert sich der 52-Jährige. Mit elf Jahren trat Schelter dem Neudorfer Schnitzverein bei. Nach der Ausbildung zum Tischler, einem Abstecher in Kunsthandwerk und Drechslerei sowie der Meisterprüfung zum Holzbildhauermeister in der Werkstatt des Schwiegervaters machte er sich 2003 selbstständig. Obwohl er vereinzelt auch Stein und Bronze bearbeitet, fasziniert ihn der Werkstoff Holz am meisten. „Es hat etwas Lebendiges, Warmes – allein der Geruch und die Haptik sind einzigartig“, schwärmt er. Dabei sei Holz nicht gleich Holz: Ob Linde, Eiche, Nadelholz oder Nussbaum, jedes habe seine eigene Charakteristik.
Schielender Blick und krumme Nase
Für seine Skulpturen verwendet Schelter größtenteils heimische Hölzer. Am Anfang jeder Arbeit steht eine Zeichnung. Sie dient als Vorlage für die Schablonen der Vorder- und Seitenansicht. Damit überträgt der Holzbildhauer die Umrisse der Figur auf das Holz und bearbeitet es zunächst grob mit der Bandsäge. In die Halterung eingespannt, verwandelt sich das Werkstück unter seinen Händen nach und nach in die gewünschte Figur. Dafür treibt Schelter mit dem sogenannten Klüpfel – einer Art dickem Schlägel oder Hammer – die Schnitzeisen im gewünschten Winkel durch das Holz.
Zwischendurch wandert sein Blick immer wieder zur Zeichnung. Stimmen die Proportionen nicht, würde das der Figur ihre realistische Wirkung rauben. Feinere Details, wie Faltenwurf oder Hände, sind zum Schluss an der Reihe. Ganz zuletzt kommt das Gesicht an die Reihe. „Natürlich ist das ein Risiko“, räumt Schelter ein. Ein schielender Blick oder eine krumme Nase kann die ganze Arbeit zunichtemachen. Zugleich werde der Figur in diesem Arbeitsschritt aber das Leben eingehaucht. „Darauf freue ich mich immer am meisten“, so Schelter. Als Schutz und für einen dezenten Glanz werden die Werke am Ende mit Bienenwachs veredelt. Einigen verleiht der Künstler mit Acrylfarben besondere Akzente.
Von der Natur inspiriert
Neben kleinen oder lebensgroßen Weihnachtskrippen gehört zum Repertoire des Kunsthandwerkers noch mehr, etwa aufwendige Wandgestaltungen, außergewöhnliche Kruzifixe, moderne Engelsfiguren oder Verzierungen für Glocken. Oft dient ihm dabei die Natur selbst als Inspiration. So erinnert ein einfacher Ebereschenstamm an die neutestamentliche Kreuzigungsszene.
Auch Kettensägen kommen zum Einsatz
Handelt es sich um lebensgroße Darstellungen, tauscht Schelter Schnitzeisen gegen Kettensäge. In Zusammenarbeit mit drei anderen Bildhauern der Künstlergruppe „exponaRt“, der er angehört, entstand so die Bergmännische Krippe. Sie ist im knapp sieben Kilometer entfernten Annaberg-Buchholz zu besichtigen. Statt die Hirten und Weisen sind es hier Handwerker und Bergleute, Pfarrer und Ratsherr, Männer und Frauen, die zur Heiligen Familie eilen. Insgesamt 35 Figuren zählt das Gemeinschaftswerk mittlerweile. Stetig kommen weitere dazu.
Wo Bäcker zur Krippe eilen
Jede einzelne Figur soll den Betrachter neu zum Nachdenken über die biblische Geschichte der Heiligen Nacht anregen: Sei es der Bäcker, der noch in Pantoffeln und hastig übergeworfener Jacke mit leuchtenden Augen zum Jesuskind eilt, oder der skeptisch dreinblickende Pfarrer. „Ich habe schon oft erlebt, wie Besucher sich von der Darstellung emotional angesprochen fühlten oder sogar Tränen in den Augen hatten“, berichtet Schelter. „Dann kann man Worte fallen lassen von dem, was einem am Herzen liegt.“
Empört über entblößte Brust
Doch die möglichst realistische Darstellung stößt nicht immer auf Begeisterung, wie Schelter erzählt. So habe sich eine ältere Dame bei ihm empört über die halb entblößte Brust der stillenden Maria beschwert. „Ich möchte die Heilige Familie in ihrer Menschlichkeit darstellen statt mit Heiligenschein“, so Schelter. „Denn Gott ist in Jesus einer von uns Menschen geworden, mit allem, auch dem Beschwerlichen, was unser Menschsein ausmacht.“ Daher freuten ihn auch solche Reaktionen. „Die Leute setzen sich mit meiner Arbeit und ihrer Botschaft auseinander.“
Voller Terminkalender im Advent
Gegen eine einseitig-romantisierte Darstellung ist Schelter auch, wenn es um seine Heimatregion geht. „Dass wir Erzgebirger im Dezember alle nur daheim sitzen, schnitzen, klöppeln und Stollen essen, ist ein Klischee“, so Schelter. Vielmehr gehören die Adventswochen für den Meister und seine Familie zu den stressigsten im Jahr. Dann häufen sich die Aufträge für Weihnachtskrippen und -figuren, die vor Heiligabend abgearbeitet werden müssen. „Trotzdem ist es mir und meiner Frau wichtig, uns Momente zu nehmen, wo wir auch Advent halten.“
Am intensivsten fragen Nichtchristen
Schelter ist auch Kirchenvorsteher in der evangelischlutherischen Kirchgemeinde vor Ort. Für seine Kunden entwirft er jedes Jahr eine individuelle Weihnachtskarte. Damit will er an die Botschaft des christlichen Festes erinnern. Die langjährige Erfahrung zeigt ihm: „Man hat als Künstler die Möglichkeit, von seinem Inneren weiterzugeben und nicht nur hölzerne Figuren zu verkaufen.“ Am intensivsten fragten oft Nichtchristen nach. Schelter erzählt von einem Kunden, der ihn immer mal wieder in der Werkstatt besucht. Der Mann sei kein Christ. „Aber meine Arbeiten werfen in ihm tiefe Fragen auf, über die ich dann mit ihm ins Gespräch kommen kann“, so Schelter.
Über die Kunst den Glauben vermitteln
„Glauben hat viel mit Gewohnheit zu tun“, sagt er. Er wünsche sich, mit seinen Werken auch Reibung zu verursachen – Denken und Gewohnheiten zu durchbrechen. „Die Kunst gibt mir die Möglichkeit, ein Stück von meinem Glauben nach außen zu zeigen“, so Schelter. Ein Beispiel dafür ist eine lebensgroße Bauernkrippe, die der Bildhauer über mehrere Jahre für einen Kunden schuf. Neben Krippenfiguren, Hahn, Ziegen und Katze sitzt ein Hase neben der Krippe auf einem halben angedeuteten Osterei. „Viele werden ihn vielleicht gar nicht bemerken“, so Schelter. Für ihn zeigt dieses Detail die Verbindung von Weihnachten und Karfreitag und Ostern. Schelter: „Man kann beides nicht voneinander trennen. Denn heilsgeschichtlich gehören Geburt, Kreuzigung und Auferstehung Jesu immer zusammen.“
Kontakt
Friedhelm Schelter Holzbildhauermeister Unterer Gutsweg 2a
09471 Königswalde
Tel. 03733-25789
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