Gesellschaft
Lehrer: Kampf gegen Antisemitismus an Schulen wird schwer
15.11.2023
Rohrdorf/Berlin (IDEA) – Der Kampf gegen Antisemitismus an deutschen Schulen wird nicht nur ein langer, sondern auch ein sehr schwerer Weg sein. Davon ist der Pädagoge und bekennende Christ Gabriel Stängle (Rohrdorf/Nordschwarzwald) überzeugt. Er ist Lehrer für Gemeinschaftskunde, Englisch, Geschichte und evangelische Religion an einer Nagolder Realschule.
Im Fach Gemeinschaftskunde habe er den Angriff und das Massaker der Hamas auf Israel thematisiert sowie den historischen Konflikt dargestellt. Zudem habe er die Ziele der Hamas und die verschiedenen Dimensionen des aktuellen Konflikts aufgezeigt. Dabei sei es zu vielen antisemitischen Äußerungen vor allem von Schülern mit muslimischem Migrationshintergrund gekommen. Als Beispiel nannte er Aussagen wie „Israel will die Palästinenser vernichten“ und „Die Angriffe der Hamas auf Israel sind nur eine gerechtfertigte Reaktion auf die Angriffe Israels auf die Palästinenser in den letzten Monaten“.
Stängle: „Einzelnen Statements zuzuhören war schwer erträglich.“ Er fände es aber wichtig, von Schülern zu hören, was sie bewege. Dennoch stoße er an Grenzen: „Obwohl ich jetzt schon über vier Wochen die Thematik behandle, habe ich den Eindruck, dass ich mich immer noch an der Oberfläche befinde und zum Kern der Weltsicht einiger Schüler nicht vorgestoßen bin.“
Stängle: Antisemitismus trifft auf überforderte Schullandschaft
Stängle berichtet, dass die Schulleitung die Lehrkräfte auf Angebote des Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung hingewiesen habe, es aber aktuell keine neue Handlungsempfehlung für den Umgang mit Antisemitismus gegeben habe.
Seit 2019 hat das baden-württembergische Kultusministerium Schulleitungen verpflichtet, alle antisemitischen Vorfälle an das Kultusministerium zu melden.
Stängle hat nach eigenen Angaben bisher versucht, auf judenfeindliche Äußerungen im Unterricht pädagogisch einzugehen, und „nicht auf der Ebene von Ordnungsmaßnahmen“. Die gegenwärtige Eruption des Antisemitismus treffe aktuell auf eine Schullandschaft, die personell unterbesetzt sei. Lehrkräfte hätten mit Erschöpfung und Überforderung zu kämpfen. Stängle setzt sich ehrenamtlich für die Unterrichtsplattform Papierblatt (Wildberg) ein, die über Holocaustüberlebende aufklärt.
Fenske: Haben Schulen Angst?
Die Religionslehrerin Birgit Fenske, die an einer Berliner Grundschule arbeitet, berichtet gegenüber IDEA, dass in ihrem Unterricht bisher keine antisemitischen Äußerungen gefallen seien. Die Schulleitung habe Handlungsanweisungen, Unterrichtsentwürfe und Fortbildungsangebote vom Senat Berlin weitergegeben.
Ihrer Meinung nach gibt es im Hinblick auf den Nahostkonflikt sehr wenige „Friedensaktionen“ an deutschen Schulen im Vergleich zu Ende Februar 2022, als der russische Angriffskrieg auf die Ukraine begann. Damals seien die Schulfenster mit Friedenstauben und Ukraine-Fahnen geschmückt worden.
Fenske: „Ist es ein gewisser Überdruss, wollen alle bewusst schweigen, oder herrscht an Schulen Angst, Konflikte hervorzurufen?“ Es lohne sich, über diese Frage nachzudenken, so Fenske.
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
IDEA liefert Ihnen aktuelle Informationen und Meinungen aus der christlichen Welt. Mit einer Spende unterstützen Sie unsere Redakteure und unabhängigen Journalismus. Vielen Dank.