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Kommentar

Kirchenasyl am Kipppunkt

25.06.2025

„Medien und Politik schauen jetzt genauer auf das Kirchenasyl.“ Foto: picture alliance/dpa/Matthias Balk
„Medien und Politik schauen jetzt genauer auf das Kirchenasyl.“ Foto: picture alliance/dpa/Matthias Balk

Warum der Fall von drei Somaliern im Kirchenasyl in Berlin ein schlechtes Licht auf das gefährdete Privileg der Kirchen wirft – Ein Kommentar von David Wengenroth

Das Kirchenasyl könnte bald Geschichte sein. Der Fall der drei Somalier, die vor dem Verwaltungsgericht Berlin ihre Einreise nach Deutschland erzwingen wollten, hat es in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Zeitpunkt und Anlass könnten für die Kirchen kaum ungünstiger sein.

Auch wenn die Kirche dementiert, heißt es in den Medien, die drei seien in Berlin im Kirchenasyl. Das ist verhängnisvoll, denn ihre Geschichte riecht nach politischer Inszenierung. Die Somalier handelten in enger Abstimmung mit dem Verein „Pro Asyl“, als sie an der deutsch-polnischen Grenze auftauchten und später vor Gericht zogen. Da ihre Asylanträge offensichtlich aussichtslos sind, steht der Verdacht des vorsätzlichen Rechtsmissbrauchs im Raum.

Deutschland ist zumeist nicht zuständig

Medien und Politik schauen jetzt genauer auf das Kirchenasyl. Und sehen, dass seine Praxis – vorsichtig ausgedrückt – Fragen aufwirft. Kritikern stößt schon lange sauer auf, dass rund 99 Prozent der Fälle einen „Dublin-Bezug“ haben – benannt nach dem sogenannten „Dublin-Abkommen“ der EU. Danach müssen Asylbewerber ihren Antrag grundsätzlich in dem Land stellen, das sie in Europa zuerst betreten haben.

Mit anderen Worten: Den allermeisten Kirchenasylanten droht nicht die Abschiebung in ihre Heimat, sondern die Überführung in einen anderen EU-Staat, der für ihr Asylverfahren zuständig ist.

Gefährdetes Privileg

Trotzdem handele es sich um „humanitäre Härtefälle“, beteuern die Kirchen. Im Jahr 2024 stimmte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ihnen in einem (!) von 2.386 gemeldeten Kirchenasylfällen zu. Die Kirchen behaupten, diese niedrige Quote sei die Folge einer oberflächlichen Prüfung.

Aber das Bild vom hartherzigen Staat, der dringend der Korrektur durch kirchliche Barmherzigkeit bedürfe, wird zunehmend hinterfragt. FDP-Vize Wolfgang Kubicki erinnerte in „Cicero“ etwa an die Härtefallkommissionen der Bundesländer, die in vielen Fällen ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen gewähren. Der Konstanzer Migrationsrechtler Daniel Thym bezeichnete das Kirchenasyl in „BILD“ sogar als „moralisch unverständlich“.

Wenn sich diese Sicht durchsetzt, stehen die Kirchen im Kampf um ihr gefährdetes Privileg mit leeren Händen da. Denn einen Rechtsanspruch darauf haben sie nicht. Auch auf breiten Rückhalt in der Bevölkerung für das Kirchenasyl können sie nicht mehr zählen. Seine Basis ist nur noch eine gewisse Beißhemmung, die Behörden und Berufspolitiker (noch) gegenüber den Kirchen haben. Damit könnte es in Zeiten von Missbrauchsskandalen und galoppierender Säkularisierung schnell vorbei sein.

David Wengenroth leitet das Ressort Meinung bei IDEA. Foto: IDEA/Alexander Stambke

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