Kommentar
Kern: Ich bin dankbar, dass Heinrich Präses der EKD-Synode ist
14.11.2022
Über zwei Ereignisse auf der EKD-Synode wird breit debattiert. Die Synodalen hatten sich zum einen auf ihrer Tagung in Magdeburg für ein „Tempolimit in der evangelischen Kirche“ ausgesprochen. Ferner hatte das EKD-Synodenpräsidium eine Vertreterin der Protestbewegung „Letzte Generation“, Aimée van Baalen (Dresden) als Sprecherin eingeladen. Am Rande der Tagung hatte die Präses der EKD-Synode, Anna-Nicole Heinrich, an die Klima-Aktivisten gerichtet gesagt: „Wir solidarisieren uns mit euch.“ IDEA bat den Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes (Vereinigung Landeskirchlicher Gemeinschaften), Pfarrer Steffen Kern (Walddorfhäslach), um eine Einschätzung.
Mehr Aufregung war selten nach einer EKD-Synode. Wenige Reizworte genügen: „Klima-Aktivisten“, „Tempolimit“ und „Kirche“ – diese drei Begriffe in einem Satz lösen kollektiven Bluthochdruck aus. Wie ich dazu stehe, werde ich gefragt. Als Synodaler und schlicht als Christ? – Zunächst halte ich die Temperatur der Debatte für etwas zu hoch gedreht. Die wenigsten Kommentatoren scheinen die Beschlüsse wirklich wahrgenommen zu haben. Die Synode hat weder ein Tempolimit noch eine Selbstverpflichtung für ein solches beschlossen und schon gar nicht kriminelle Handlungen für legitim oder gar geboten erklärt. Manche erwecken den Eindruck, dass dem so sei. Es ist nicht so. Die Synode „hält“ einiges „für geboten“ und „unterstützt“ manche „politische Bemühungen“. Weiche Formulierungen, über die man freilich geteilter Meinung sein kann.
„Persönliche Begegnung ja – pauschale Solidarisierung nein“
Was nun ich dazu meine? Etwa dass eine sogenannte „Klima-Aktivistin“ auf einer Synode sprach? – Ich halte das Gespräch für wichtig. Als Kirche sollten wir mit möglichst vielen Gruppen reden sowie Ängste, Hoffnungen und Haltungen gerade junger Menschen wahrnehmen. Mir ist es ein Anliegen, dass eine „Letzte Generation“ offen wird für eine nächste Generation. Dass Fatalismus und Resignation überwunden werden. Dass aus Verzweiflung Hoffnung wird. Dazu haben wir als Christen etwas zu sagen. Hoffnung ist unser Thema als Kirche. Und diese Hoffnung, die wir in Jesus Christus haben, auch in Gesprächen zu bezeugen, halte ich für wesentlich. Also: persönliche Begegnung ja – pauschale Solidarisierung nein! Auch ein guter Zweck heiligt nicht alle Mittel. Gegen Gesetze zu verstoßen schon gar nicht. Aber wir brauchen Impulse, wie wir unsere Verantwortung für die Schöpfung besser wahrnehmen.
Rufe nach Rücktritt halte ich für gänzlich abwegig
Was ich von der, teils vor Wut schäumenden, Kritik an Präses Heinrich halte? – Ich bin dankbar, dass Anna-Nicole Heinrich Präses der EKD-Synode ist. Sie steht für eine Kirche, die den Anliegen einer jungen Generation zugewandt ist. Solche Zugewandtheit bedeutet gelegentlich auch eine Zumutung. Die kann uns nur guttun, weil sie uns herausfordert. Wir sollten damit nicht kritiklos, aber konstruktiv und gelassen umgehen. Rufe nach Rücktritt halte ich für gänzlich abwegig und für deplatziert. Sie sagen mehr über die Rufer aus als über die Präses der Synode.
Tempolimit: Das ist keine Bekenntnisfrage
Und wie ich es persönlich mit der Empfehlung eines Tempolimits halte? – Ich versuche, so rücksichtsvoll und umsichtig wie möglich Auto zu fahren, und halte mich im Übrigen an die Straßenverkehrsordnung. Und nein, auch diese Frage ist keine Bekenntnisfrage, wie viele andere übrigens auch nicht. Es ist eine Frage der persönlichen Verantwortung für andere und für unsere Umwelt. Dabei müssen wir auch damit umgehen, dass wir, wie auch immer wir handeln, immer auch schuldig werden. Ohne Schuld geht es nicht. Nein, das ist kein Freibrief für allzu freie Fahrten freier Bürger. Aber es ist eine Einsicht, die uns als freie Christenmenschen betrifft: Wir üben, verantwortlich zu leben. Wir scheitern. Und üben weiter.
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