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Kein Pietismus ohne Landeskirche?

30.06.2021

Der IHL-Rektor, Prof. Volker Gäckle. Foto: IDEA/Wolfgang Köbke
Der IHL-Rektor, Prof. Volker Gäckle. Foto: IDEA/Wolfgang Köbke

Schriesheim (IDEA) – Je schneller sich der Pietismus auf die Bedingungen einer nachchristlichen Epoche einstellt, umso besser wird er mit seinem augenblicklichen Bedeutungsverlust umgehen können. Diese Auffassung vertrat der Rektor der Internationalen Hochschule Liebenzell (IHL), Prof. Volker Gäckle (Calw), in einem Festvortrag anlässlich des 50-jährigen Bestehens der theologisch konservativen „ChristusBewegung Baden“ (Schriesheim), das eigentlich schon 2020 gefeiert werden sollte. Da auch 2021 unsicher war, ob eine große Festveranstaltung stattfinden könnte, wurde im Rahmen einer Videokonferenz daran erinnert.

Die Gestaltung des von ihm beschriebenen Bedeutungsverlusts wird laut Gäckle noch zehn Jahre dauern. Er erkenne zwar einige hoffnungsvolle Ansätze und nehme eine Reihe dynamischer Gemeinden wahr, die auch jüngere Menschen erreichten. Momentan sei jedoch im Gegensatz zu den späten 1960er und frühen 1970er Jahren kein „Rückenwind“ für den Pietismus zu spüren. Seine Vertreter müssten diese Situation bewusst annehmen und aushalten. Gäckle wies auch auf die Ursprünge der „ChristusBewegung Baden“ hin, die im Kontext des „Aufbruchs der Evangelikalen“ in den 1960er Jahren betrachtet werden müssten. Damals seien viele evangelikale Parallelstrukturen und alternative Ausbildungsinitiativen gegründet worden.

„Heute ringen wir um den Erhalt der meisten der damals gegründeten Initiativen, zumindest derer, die es überhaupt noch gibt.“ Aber auch die Volkskirchen müssten angesichts des Mitgliederschwundes Abschied nehmen von rückwärtsgewandten Kirchenbildern und sich auf eine Zukunft als Minderheitenkirche vorbereiten. Deshalb stelle sich die Frage, ob der Pietismus als Erneuerungsbewegung in volkskirchlichen Verhältnissen noch eine Zukunft habe, wenn die Landeskirchen immer weiter schrumpften. Dieser Prozess habe sich in den vergangenen Jahren noch dramatisch beschleunigt.

Die Landeskirche braucht den Pietismus

Der Leiter der missionarischen Dienste der badischen Landeskirche, Kirchenrat Axel Ebert (Karlsruhe), wies darauf hin, dass die Kirche den Pietismus „gerade in diesen stürmischen Zeiten“ brauche. Beide seien aufeinander angewiesen: „Einen Pietismus ohne Volkskirche kann es nicht geben.“

Der frühere Studienleiter am Friedrich-Hauß-Studienzentrum in Schriesheim (bei Heidelberg), Pfarrer i. R. Jürgen Lauer (Wiesenbach), rief dazu auf, sich nicht nur um die eigene „fromme Klientel“ zu kümmern. Die „ChristusBewegung“ habe sowohl den Auftrag, theologisch konservative Christen geistlich zu begleiten als auch Andersdenkenden von Christus zu erzählen. Mit Bezug auf das Gleichnis Jesu vom verlorenen Schaf (Matthäus 18,10-14 und Lukas 15,3-7) fragte er, „ob wir nicht häufig nur an die 99 Schafe denken und das eine verlorengegangene vergessen“. Zurzeit grenze man sich leider zu oft in seiner eigenen „evangelikalen Blase ab“.

Mit „kleiner Kraft“ weitermachen

Der Vorsitzende der „ChristusBewegung Baden“, Pfarrer Lothar Mößner (Kleinsteinbach bei Karlsruhe), betonte, dass der Verein zwar nur „eine kleine Kraft“ habe, da der Pietismus in Baden zahlenmäßig nicht so stark sei wie in Württemberg. Man wisse aber, „dass der Vater uns als ‚kleine Herde‘ (Lk 12,32) beteiligen will, auch wenn es nicht an uns hängt, ob sein Reich gebaut wird“. Es bleibe der Auftrag der „ChristusBewegung“, als Sprachrohr der „Frommen“ in der Landeskirche aufzutreten, der man sich weiterhin eng verbunden fühle.

Die ChristusBewegung Baden hat gut 70 Mitglieder. Über 1.000 Freunde und Förderer beziehen ihren Rundbrief.

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