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IDEA INTERN

Ist Israel „mitschuldig“?

09.06.2021

IDEA-Redakteur David Wengenroth. Grafik: IDEA/Daniel Höly
IDEA-Redakteur David Wengenroth. Grafik: IDEA/Daniel Höly

In unserer neuen Rubrik „IDEA intern“ können Sie der IDEA-Redaktion bei der Arbeit über die Schulter schauen. Außerdem haben Sie die Möglichkeit, uns Fragen zu stellen, die wir Ihnen hier beantworten. Schreiben Sie uns: idea@idea.de

Als Reaktion auf unsere Berichterstattung über die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten schrieb uns ein Leser, unsere Israel-Berichterstattung sei zu einseitig „pro Israel“. Zu einer „vollständigen und fairen“ Berichterstattung gehöre auch, die Mitschuld Israels an der Eskalation zu erwähnen. In der öffentlichen Diskussion hört man immer wieder von einer „Mitschuld“ Israels an der Eskalation. Die dafür genannten Argumente sind aber falsch. Grundsätzlich krankt die Diskussion über den Nahostkonflikt daran, dass in ihr vor allem mit jahrzehntealten Völkerrechtspositionen argumentiert wird. Alte Rechtstitel sind aber kein Ersatz für realistische Perspektiven für die heute lebenden Menschen.

Zweierlei Maß bei den „Flüchtlingen“

Da wird zum Beispiel gefragt: Was ist mit den palästinensischen Flüchtlingen? Man muss sich zunächst einmal klarmachen, dass die Palästinenser und ihre Unterstützer in dieser Frage Maßstäbe anlegen, die sonst nirgends auf der Welt gelten. Als „Flüchtlinge“ werden nicht nur die Menschen eingestuft, die 1948/49 im Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitskrieg flohen oder vertrieben wurden, sondern auch ihre Nachkommen in zweiter, dritter und vierter Generation. Das sind mittlerweile schätzungsweise bis zu 6 MillionenMenschen. In anderen Ländern der Welt integrieren die Zufluchtsländer Flüchtlinge und ihre Nachkommennach einer gewissen Zeit. Das wäre auch für die palästinensischen „Flüchtlinge“ die einzige realistische Perspektive, denn ihre „Rückkehr“ würde Israel mitsamt den palästinensischen Autonomiegebieten ins Chaos stürzen. Damit wäre niemandem gedient – Israel nicht, den dort lebenden Palästinensern nicht – und den vermeintlichen „Flüchtlingen“ nicht.

Soll Palästina „judenrein“ werden?

Als weiteres Argument wird oft die „völkerrechtswidrige Siedlungspolitik“ angeführt. Wenn wir uns die Kritik an den Siedlungen anschauen, fällt aber ein Ungleichgewicht auf: In Israel leben rund zwei Millionen muslimische Palästinenser als Bürger des Staates Israel. Auf der anderen Seite fordert die Palästinenserführung, dass es in „ihren“ Gebieten keine jüdischen Siedler geben darf. Man könnte zugespitzt sagen: Die Palästinenser fordern, dass ihnen bei Gründung ihres Staates dessen Gebiet „judenrein“ übergeben wird. Eine solche Forderung nach ethnischer Säuberung würde man bei keinem anderen Staat der Welt als legitim anerkennen. Dass es der Palästinenserführung immer wieder gelingt, für diese Forderung UN-Organisationen und Staaten vor ihren Karren zu spannen, zeigt vor allem, dass das Völkerrecht eine lückenhafte und unvollkommene Rechtsordnung ist.

Nur Frieden beendet die Wirtschaftsmisere

Ein weiteres Argument ist die katastrophale humanitäre Situation im Westjordanland und im Gazastreifen. Die schlimme Lage der Menschen muss tatsächlich dringend verbessert werden. Aber: Die Verantwortlichen dafür sitzen in Ramallah und Gaza. Die israelische Regierung bestimmt nicht über die Verteilung der(reichlich sprudelnden) internationalen Hilfsgelder. Für die Lage der Menschen in Gaza wäre viel erreicht, wenn sie für die Zivilbevölkerung verwendet würden statt für die militärische Aufrüstung der Hamas. Der Autonomiebehörde in Ramallah bescheinigen selbst israelkritische Palästinenser, inkompetent und korrupt zu sein. Hinzu kommt: Nicht einmal schärfste Israelkritiker bestreiten, dass die wirtschaftliche Misere durch die ständigen politischen Unruhen verursacht wird. Das gewaltsame Austragen von Konflikten ist nun mal Gift für die wirtschaftliche Entwicklung – überall auf der Welt. Die Autonomiegebiete sind mit Israel wirtschaftlich eng verflochten. Mit anderen Worten: Israel hätte ein handfestes Eigeninteresse an einem nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwung. Mit anderen Worten: Wenn sich die Palästinenserführung glaubwürdig zu einer friedlichen Lösung des Konflikts bekennen würde, wenn es keine Attentäter aus den Autonomiegebieten und keine Raketen mehr aus Gaza gäbe, würde sich die wirtschaftliche Situation der Bevölkerung schlagartig verbessern.

– IDEA-Redakteur David Wengenroth

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