Bericht
Freunde Israels
19.04.2022
Zwei Bibelschulen setzen sich für eine stärkere Berücksichtigung Israels in der christlichen Lehre ein. Warum? Valentin Schmid hat nachgefragt. Der Artikel ist zuerst in der IDEA-Spezialausgabe „Aus- und Weiterbildung“ erschienen.
„Die Bibel sagt uns, dass Israel der Augapfel Gottes ist“, erklärt Johannes Vogel, Leiter der Bibelschule Breckerfeld. „Und wir als deutsches Volk haben schmerzlich erfahren, was passiert, wenn man in den Augapfel Gottes fasst.“ Auch persönlich kann er nur zu gut von diesen leidvollen Erfahrungen berichten: „Mein Opa ist der Erste gewesen, der die Synagoge in Hagen angesteckt hat, in der Kristallnacht. Später ist er KZ-Aufseher geworden.“ Vogels Vater Friedrich überlebte den Krieg, kehrte als Einziger seines Bataillons nach Hause zurück, wurde Christ und entwickelte bei seiner Ausbildung im Bibelseminar Beatenberg einen völlig neuen Blick auf das jüdische Volk. 1956 gründete er die Bibelschule Hagen (heute Bibelschule Breckerfeld) und reiste durch Deutschland und die Schweiz, um das seiner Meinung nach in den Gemeinden vorherrschende „Israel-Vakuum“ zu füllen. Um Wiedergutmachung der Familiengeschichte ging es seinem Vater bei dem Engagement aber nie, betont Johannes Vogel, der 1999 die Leitung der Bibelschule übernahm.
Breckerfeld: Israel ist Teil der christlichen DNA
Israel ist für ihn aus der Verkündigung nicht wegzudenken: „Der Zugang zu Gott wird durch den Juden Jesus Christus möglich. Ich liebe Israel, weil es mir die Bibel und Jesus geschenkt hat.“ Diese Liebe habe er schon im Alter von sieben Jahren verspürt, als er zum ersten Mal bei einer der über 130 Israelreisen seines Vaters dabei war, berichtet Vogel. 1986 bauten sie die Stiftshütte – das Heiligtum, in dem das Volk Israel die Bundeslade transportierte – in Originalgröße nach. Die Aktion wurde zu einem großen Erfolg: „Wir haben sonntags bis zu 1.500 Besucher durch die Stiftshütte geführt.“ Nach einer neunjährigen Tour durch Europa steht die Stiftshütte nun am Originalschauplatz in der israelischen Negev-Wüste. Täglich finden dort Führungen statt. Die „geistliche Unterernährung“ und Unmündigkeit vieler Christen in Bezug auf Israel sei aber weiterhin vorhanden, meint der Bibelschulleiter.
Echte Freundschaft
Um diesem Mangel zu begegnen, steht in Breckerfeld Judaistik auf dem Stundenplan. Viele Bibelschulen würden ihre Lehre sehr stark auf das Neue Testament ausrichten, findet Vogel. „Wir achten darauf, dass das Studium mindestens zur Hälfte aus dem Alten Testament besteht. Wer das AT nicht verstanden hat, kann das Neue nicht in der Tiefe begreifen.“ Auch eine Israelreise ist fester Bestandteil der dreijährigen Ausbildung. Man müsse allerdings eine klare Definition des eigenen Verhältnisses zum Land formulieren: „Wir sind keine Israelfans. Wir sind Israel-Freunde.“ Zu dieser Freundschaft gehöre auch eine gewisse Nüchternheit. Man müsse als Christ z. B. keine jüdischen Feste feiern. „Manche Leute benehmen sich nach der ersten Israelreise jüdischer als mancher Jude“, bemängelt Vogel. „Das ist nicht unser Auftrag.“ Die Freundschaft zu Israel sollte auch von einer gewissen Kritikfähigkeit gekennzeichnet sein: „Freunde müssen die Möglichkeit haben, etwas kritisch anzumerken, ohne dass der andere gleich beleidigt ist.“ Er erlebe oftmals genau das Gegenteil eines mündigen Umgangs mit Israel. Antisemitisches Gedankengut sei in vielen Gemeinden verhaftet und nehme weiter zu. Das zeige sich gerade in der Corona-Pandemie, wo Verschwörungsmythen gegen jüdische Menschen oder unpassende Holocaust-Vergleiche wieder populärer würden.
Bad Gandersheim: Enge Verbindung zu Israel
Auch im Glaubenszentrum Bad Gandersheim wird man unweigerlich mit der dunklen Vergangenheit Deutschlands konfrontiert: Wer das Gelände der Bibelschule betritt, steht vor einer ehemaligen Kaserne, in der während des Zweiten Weltkriegs Motorradfahrer für die SA und die Wehrmacht trainiert wurden. Der Bezug des Gebäudes war notwendig, um den wachsenden Schülerzahlen gerecht zu werden: Seit der Gründung im Jahr 1975 haben über 3.000 Schüler das Glaubenszentrum besucht, das sich heute als eine „geistliche Berufsschule unter den theologischen Ausbildungsstätten“ versteht. Darüber hinaus ist das Werk für seine zahlreichen Musikproduktionen und gut besuchten Konferenzen bekannt. Aber auch die Verbindung zu Israel ist ein Identitätsmerkmal. Seit 1995 ist Christa Egli (Bild oben rechts) Israelreferentin im Glaubenszentrum. Die Frage, wer in seiner Heimatgemeinde schon etwas über die Bedeutung Israels gelernt hat, hätten in all den Jahren nur eine Handvoll Schüler bejaht, berichtet sie. Mehr noch: „Es waren auch immer wieder Schüler dabei, die eine echte Aversion gegen das Thema hatten.“
Arabische Freunde sorgen für Anti-Israel-Haltung
Es gebe mehr und mehr Schüler, die durch arabische Freunde von einer Anti-Israel-Haltung geprägt seien. Auch ehemalige Neonazis seien schon unter den Schülern gewesen. Meist seien die Vorbehalte jedoch niederschwelliger, meint Egli: „Leider gehört die Überheblichkeit gegenüber Juden schlichtweg zum Erbe der Kirchengeschichte.“ Als „Enterbungstheologie“ bezeichnet sie diese Denkweise, die auch heute noch in manchen Gemeinden verankert sei: In der Annahme, die neutestamentliche Gemeinde habe Israel im Plan Gottes ersetzt, wäre man nicht mehr bereit, das „Erstgeburtsrecht Israels“ anzuerkennen. „Dabei ist der Erstgeborene weder wichtiger noch besser.“ Er habe einfach ein anderes Erbe und trage damit auch eine andere Verantwortung. „Wir haben einen Auftrag, das weiterzugeben, damit Augen und Herzen geöffnet werden“, sagt Egli.
Die Arbeit trägt Früchte
Das jahrelange Engagement zahlt sich aus: Immer wieder werde sie von ehemaligen Schülern angeschrieben, die gerade eine Predigt über Israel vorbereiten, erzählt Egli. „Wir ermutigen die Schüler, ihren Mund zu öffnen und für Israel Stellung zu beziehen.“ Ein Absolvent arbeitet mittlerweile als Jugendreferent für die Internationale Christliche Botschaft Jerusalem (ICEJ). Ein Ehepaar, das die Bibelschule besucht hat, ist seit vielen Jahren bei einer jüdisch-messianischen Gemeinde in Israel angestellt. Eine weitere ehemalige Schülerin kommt gerade von einem Einsatz im „Haifa-Heim“ zurück, einem Altenheim für bedürftige Holocaustüberlebende. Natürlich werde das Thema nicht für jeden zur Lebensaufgabe, resümiert Christa Egli. Entscheidend sei aber, dass die Absolventen die Grundlagen begriffen haben und weitergeben können. Und tatsächlich werde Israel auch langsam präsenter in den Gemeinden.
Die Bibelschule Breckerfeld bietet neben einer dreijährigen praxisorientierten Vollzeitbibelschule auch verschiedene nebenberufliche Weiterbildungsmöglichkeiten an. Hinzu kommen regelmäßige Veranstaltungen in ganz Deutschland und der Schweiz.
Das Glaubenszentrum Bad Gandersheim ist eine überkonfessionelle Bibelschule, Konferenzzentrum und Missionsbasis der charismatischen Bewegung. Die unterschiedlichen Ausbildungsprogramme dauern zwischen ein und drei Jahren, dazu gehören auch Lehrgänge zu Evangelisation oder Weltmission.
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