Bericht
Eine Kirche für viele Nationen
15.12.2022

In Deutschland gibt es viele lebendige Gemeinden. IDEA stellt einige in einer losen Serie vor. Heute geht es um die Freikirche Köln Ostheim. Menschen aus über 40 verschiedenen Ländern haben hier ihr geistliches Zuhause gefunden. IDEA-Redakteurin Erika Weiss war vor Ort.
Ein Sonntagvormittag in Köln: Vor dem Gemeindehaus der Freikirche Köln Ostheim herrscht reges Treiben. Kinder rennen über den Parkplatz, Frauen und Männer stehen plaudernd beisammen. Um 9 Uhr fand bereits der erste Gottesdienst statt, gleich um 11 Uhr startet der zweite. Nach und nach nehmen die Besucher im hellen und modernen Gemeindesaal Platz. Die Kameras sind schon aufgebaut. Der Gottesdienst wird auf YouTube übertragen. Hunderte werden ihn live von zu Hause aus mitverfolgen.
Auf der Bühne steht Heinrich Derksen. Er ist heute für die Moderation zuständig. Der 52-Jährige arbeitet hauptamtlich als Rektor des Bibelseminars Bonn und gehört zum Ältestenkreis der Freikirche Köln Ostheim. Derksen ist in der Gemeinde aufgewachsen, seine Eltern gehören zu den Gründern.
Ihm ist die Freude ins Gesicht geschrieben: In den vergangenen Wochen haben sich wieder viele Menschen für Christus entschieden und werden nun getauft. Heute sind es 21 Täuflinge – verteilt auf vier Gottesdienste. Denn nach dem 11-Uhr-Gottesdienst ist noch lange nicht Schluss: Um 13 Uhr folgt ein dritter Gottesdienst mit persischer Übersetzung, um 15 Uhr versammeln sich die russischsprachigen Besucher. Nur durch diese Aufteilung können alle 750 Mitglieder vor Ort teilnehmen.

Interkulturalität ist die DNS
Nach dem Gottesdienst sind im Foyer die unterschiedlichsten Sprachen zu hören. Interkulturalität gehört zur DNS der Gemeinde. Die Gründer sind russlanddeutsche Familien, die Anfang der 1970er nach Köln und Umgebung kamen. Als sie keine passende Kirche fanden, taten sie sich zusammen. Und so entstand 1976 die Freikirche Köln Ostheim.
Anstatt eine Gemeinde für deutsche Aussiedler zu bleiben, öffneten sich die Gründer von Anfang an für Migranten. Einmal im Jahr wird diese nationale Vielfalt beim „Fest der Kulturen“ zelebriert. Dort können sich die Besucher durch verschiedene kulinarische Spezialitäten von Pizza bis Pelmeni (Teigkrapfen) durchprobieren und miteinander vernetzen.
Fokus Flüchtlingsarbeit
Mit der Flüchtlingskrise 2014 kamen Hunderte Iraner neu in die Gemeinde, erzählt Derksen in einem Gespräch nach dem Gottesdienst: „An manchen Sonntagen hatten wir bis zu 50 Bekehrungen. Bei einer Taufe ließen sich knapp hundert Iraner taufen.“ Viele von ihnen besuchen bis heute einen der Gottesdienste.
Den Fokus auf die Flüchtlingshilfe hat die Gemeinde bis heute beibehalten. Jetzt kommen viele Ukrainer. Die Gemeindemitglieder unterstützen sie. Jeden Sonntag können sie nach dem Gottesdienst unten im Speisesaal essen. Die Ersten haben sich bereits bekehrt und taufen lassen.

Alles für die Präsenz
Anfang 2020 riefen die Pastoren die Gemeinde dazu auf, für Erweckung zu beten. Doch dann kam Corona und die Türen gingen zunächst zu. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Gemeinde knapp 500 Mitglieder. Die Leiter reagierten schnell, erinnert sich Derksen: „Da die Leute nicht zu uns kommen konnten, gingen wir zu ihnen – über YouTube.“ Dort wurden die Gottesdienste auf dem Kanal der Gemeinde übertragen und in den Sozialen Medien vielfach darauf hingewiesen: „Viele Leute sind so auf uns gestoßen.“
Sobald wieder Präsenzgottesdienste möglich waren, ermutigten die Pastoren dazu, vor Ort dabei zu sein. Sie boten drei Gottesdienste an, damit möglichst viele, unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen, teilnehmen konnten. Oft nahmen Besucher bis zu 80 Kilometer Fahrtweg auf sich und kamen aus Duisburg, Siegen oder Düren angefahren.
Während viele Gemeinden durch und nach Corona schrumpften, wuchs die Freikirche Köln Ostheim gewaltig: 300 neue Mitglieder schlossen sich ihr seit dem Jahr 2020 an. „Ich führe das auf das Wirken Gottes zurück.“ Denn Gemeindewachstum könne man nicht produzieren, ist Derksen überzeugt. „Aber wir können es begünstigen, indem wir schauen, welche Möglichkeiten wir haben, z. B. bei der Technik. Am Ende ist es jedoch Gott.“

Klare Verkündigung
Bei den Neuankömmlingen beobachteten die Ältesten der Gemeinde in den vergangenen Jahren eine tiefe Sehnsucht nach Orientierung und Halt. Deswegen richteten sie die Predigten verstärkt evangelistisch aus.
Seit Corona erfolgt am Ende eines jeden Gottesdienstes eine Einladung, Jesus anzunehmen, erzählt Derksen: „Wir haben eine klare biblische Wortverkündigung und wir predigen stark exegetisch – das heißt, der Bibeltext wird ausgelegt und auf das Leben der Menschen angewandt. Das schätzen unsere Besucher sehr.“
Mitgliedschaft 2.0
Seit einigen Jahren bietet die Freikirche Köln Ostheim auch Online-Mitgliedschaften an. Denn viele Menschen wohnen in Gegenden, in denen sie kein geistliches Zuhause finden, das ihnen den nötigen Halt bieten kann. Die Gemeinde habe das Thema Online-Mitgliedschaft theologisch betrachtet, berichtet Derksen: „Natürlich finden wir das Wort nicht in der Bibel. Aber schon Paulus kommunizierte über die damaligen modernen Medien, und zwar über Briefe. Deshalb haben auch wir überlegt, wie wir heute moderne Medien für uns als Gemeinde nutzen können.“
Trotzdem ermutigen die Leiter die Online-Mitglieder dazu, sich möglichst vor Ort einer Gemeinde anzuschließen oder so oft wie möglich nach Köln zu kommen, um „richtige“ Gemeinschaft zu erleben.
Viele Jahre gehörte die Gemeinde keinem Bund an. 2019 schlossen sie sich dem Bund evangelischer Freikirchen an. „So können wir uns mit anderen Gemeinden gut vernetzen.“ Mittlerweile hat die Kirche drei Tochtergemeinden in der Umgebung von Köln.
Gemeinde für die Stadt
Die Mitglieder engagieren sich stark in der Nachbarschaft. Ein paar Meter vom Gemeindehaus entfernt befindet sich das Café „active zone“. Nachmittags erhalten Kinder und Jugendliche dort Unterstützung bei den Hausaufgaben. Die Gemeinde arbeitet mit der Hilfsorganisation „Die Tafel“ zusammen. Jeden Mittwoch holen sich bedürftige Menschen aus der Umgebung gespendete Lebensmittel ab.
Eine Kleiderstube stellt nicht nur den Kontakt zu den Nachbarn her, sondern ist vor allem eine Möglichkeit, um über Jesus ins Gespräch zu kommen. Samstags gehen Freiwillige in die Innenstadt, um mit Obdachlosen zu sprechen.
Kein Stillstand
Im September waren Derksen und 19 weitere Mitglieder in den USA, um dort bei einer „Visionstour“ Gemeinden zu besuchen und von ihnen zu lernen – insbesondere in den Bereichen Verkündigung, Medien und Musik. „In den USA kombinieren sie verschiedene Musikstile“, hat Derksen beobachtet. Kürzlich haben sie darum in der Freikirche Köln Ostheim auch einen Musikpastor angestellt, um Wachstum im Bereich Musik zu fördern. Geplant ist zum Beispiel, dass es bald einen gemischten Chor geben soll.
Auch die Klarheit der US-Verkündiger imponierte Derksen. „Sie haben den Mut, Sünde beim Namen zu nennen.“ In manchen Gemeinden hier in Deutschland werde bei dem Thema so viel „drum herum geredet“, um niemanden abzustoßen, findet Derksen: „Aber wir müssen den Menschen doch sagen, was dazu in der Bibel steht.“ In seiner Gemeinde schrecke das Menschen auch nicht ab: „Denn wir predigen, dass wir alle mit unseren Sünden zu Jesus kommen können und dass er uns befreit.“ Eine frohmachende Botschaft, die Menschen anzieht.
Daten & Fakten
Gründung: 1976
Mitglieder: 800
Nationalitäten: über 40
Gottesdienste: 4 × am Sonntag
Gottesdienstbesucher: ca. 900
Pastoren: 3 Hauptamtliche und 2 Ehrenamtliche
Hauskreise: 40
Tochtergemeinden: 3
YouTube: über 14.300 Abonnenten auf dem Kanal „EF Köln“
Instagram: über 3.300 Follower auf @freikirche.koeln
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