Bericht
Die Sprache der Propheten
21.04.2023
Ein Intensivkurs Hebräisch verspricht, die Sprache des Alten Testaments in nur zwei Monaten zu erlernen. Der Artikel ist zuerst in der IDEA-Spezialausgabe „Aus- und Weiterbildung“ erschienen. Von Valentin Schmid
„Falls Ihre Eltern Sie geschickt haben, fahren Sie wieder nach Hause“, sagt Alexander B. Ernst in unmissverständlichem Ton. Er ist Dozent für biblisches Hebräisch. Ich bin in einem Hörsaal der Kirchlichen Hochschule Wuppertal. Neben mir sitzen zwölf weitere Theologiestudenten sowie eine Lehrerin und eine Ärztin.
„Hebräisch in einem Kurs von nur gut acht Wochen zu erlernen ist ein besonderes Erlebnis“, fährt Ernst fort, „in jedem Fall aber höchst anspruchsvoll“. Wie recht er hat, merke ich schon bei den Buchstaben. Zwar erkennt man im Alef-Bet unweigerlich die Ursprünge des deutschen Alphabets wieder. Jedoch müssen manche Laute so tief in der Kehle erzeugt werden, dass es mir schlicht verwehrt bleibt, sie korrekt auszusprechen.
Außerdem kennt die hebräische Schrift ausschließlich Konsonanten, während die Vokale durch kleine Punkte angezeigt werden. Anfangs kommt mir jedes Wort wie ein Sudoku-Rätsel vor.
Vokabeln und Wein
Weil ich manche Verben nur an einem Buchstaben identifizieren kann, erfordert auch das Vokabellernen neue Lösungen. Auf Empfehlung von Dozent Ernst beschriften wir ein Scrabble-Brettspiel mit hebräischen Buchstaben, um abends bei einem Glas Wein spielerisch den Wortschatz zu festigen.
Mehr als 100 Hebräischkurse hat der Dozent gehalten. „Wenn einer von Ihnen nicht mehr an sich glaubt, dann kennt er sich nicht gut“, meint Ernst, als er die Ergebnisse einer Übungsklausur austeilt. „Ich glaube an Sie.“ Diese Ermutigung kommt keinen Tag zu früh – schließlich beanspruchen der Unterricht und das Lernen locker acht Stunden am Tag – inklusive samstags. An Freizeit ist kaum zu denken. Erst zur Hälfte des Intensivkurses kommen wir in den Genuss der „Intensivferien“: einem ganzen unterrichtsfreien Samstag.
Fremd und vertraut
Einige Tage vor der Prüfung, auch Hebraicum genannt, sehen wir den Dozenten in den Pausen ab und zu beim Rauchen. Das sei jedoch ein gutes Zeichen, meint ein älterer Student. Auf meine verwunderte Rückfrage erklärt er: Wenn ein Kurs schlecht laufe, greife Ernst schon deutlich früher zu den Zigaretten.
„Ich hoffe, es war nicht nur schlimm, sondern hat auch Spaß gemacht“, sagt Ernst am letzten Unterrichtstag grinsend. Wir besäßen jetzt die Fähigkeit, 3.000 Jahre alte Texte zu lesen und so die Bibel in ihrer Fremdheit und ihrer Vertrautheit zu entdecken.
Im Rückblick kann ich ihm nur zustimmen: Das Alte Testament in seiner Ursprache lesen zu können ist der Mühe absolut wert.
KIRCHLICHE HOCHSCHULE WUPPERTAL:
Die KiHo Wuppertal ist eine von zwei Hochschulen mit Promotionsrecht, die von evangelischen Landeskirchen getragen wird. Sie ist für ihre Intensivkurse in den biblischen Sprachen bekannt, die neben Theologiestudenten auch Interessierten offenstehen.
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