Bericht
Die Praxis-Pioniere
12.04.2023
Immer mehr theologische Ausbildungsstätten werben mit dualen Studiengängen. Zu den Vorreitern dieser Theorie-Praxis-Fusion gehört das Institut für gemeindeorientierte Weiterbildung (IGW). Welche Vorteile das Studium bringt, erklärt Valentin Schmid. Der Artikel ist zuerst in der IDEA-Spezialausgabe „Aus- und Weiterbildung“ erschienen.
Wer ein Bachelorstudium am Institut für gemeindeorientierte Weiterbildung (IGW) mit Hauptsitz in Essen beginnen möchte, kommt allein mit einem guten Abitur nicht weit. Um die Anwendung des Gelernten zu gewährleisten, ist der Ausbildungsvertrag mit einer christlichen Gemeinde oder einem Werk erforderlich. Und das habe gute Gründe, erklärt Michael Girgis. Er leitet das Institut seit 2016. Das Studium am IGW sei nämlich vom Ende her konzipiert: „Wir haben untersucht, was relevant ist, um ein saumäßig guter Pastor zu werden oder ein erfolgreicher Leiter.“
Für den geistlichen Dienst hat das Institut sechs zentrale Kompetenzfelder identifiziert: Spiritualität, Theologie, Forschung, Sozialkompetenz, Kommunikation und Führung. Jeder Bereich muss praktisch umgesetzt werden und der Gemeindearbeit dienen. Das gilt selbst für die Forschung. Deshalb werden etwa studentische Abschlussarbeiten auf der Internetseite des IGW zur Verfügung gestellt – zur Begleitung von traumatisierten Flüchtlingen, der Verwendung von Online-Marketing im kirchlichen Umfeld oder zur Frage, wie Pastoren mit Glaubenszweifeln umgehen.
Donnerstags lernen, freitags anwenden
Jeden Mittwoch und Donnerstag kommen die Studenten in einem der IGW-Zentren in Hamburg, Berlin, Essen oder Braunschweig zusammen. Drei weitere Zentren befinden sich in der Schweiz. Dazu kommen ein weiterer Studientag am eigenen Schreibtisch sowie mindestens zehn Stunden Praxis pro Woche. Viele Studenten sind bereits bis zu maximal 50 Prozent bei einer Gemeinde angestellt. Für eine Gemeinde bietet das duale System daher den Vorteil, „dass ihre besten Leute nicht fortgehen“, erläutert Girgis. Zudem brächten sie ständig Ideen und neue Erkenntnisse zurück in die Gemeinde.
Offizielle Ausbildungsvereinbarungen hat das IGW in Deutschland mit den freikirchlichen Gemeindebewegungen Vineyard und Foursquare sowie mit der Heilsarmee. Dazu kommen rund 30 weitere Kooperationspartner, die von Brüdergemeinden bis Pfingstlern, von konservativ bis progressiv eine große Breite abdecken. Girgis: „Wir bedienen die ganze evangelikale Landschaft und haben kein Interesse daran, die Studenten in eine Richtung zu drängen. Schließlich müssen sie nachher dahin passen, wo sie herkommen.“
Nicht jeder Standort war erfolgreich
Trotz aller Vorteile mahnt der 52-Jährige Gemeinden zur Zurückhaltung, die ein eigenes duales Ausbildungsprogramm auf die Beine stellen wollen. Der Hintergrund sind Lerneffekte aus der eigenen Geschichte des 1991 in Zürich gegründeten Instituts. Mit Stuttgart, Karlsruhe, Chemnitz, Nürnberg und Frankfurt hatte das IGW fünf weitere Standorte in Deutschland gegründet. Während in Stuttgart die „Werkstatt für Gemeindebau“ daraus hervorging, existieren die anderen Studiencenter heute nicht mehr.
Theologen sind nicht unbedingt die besten Verkäufer“, meint Girgis selbstkritisch. Den Studienbetrieb organisieren, Werbung schalten, Studenten akquirieren und begleiten: Manch ein Standortleiter hat ihm zufolge in der Vergangenheit unterschätzt, welchen Aufwand all das bedeutet. Es brauche „echte Pioniertypen“, um ein Studiencenter nachhaltig zu etablieren, so Girgis.
Kooperation als Markenzeichen
Auch werden heute keine neuen Standorte ohne die vorherige Absprache und Zusammenarbeit mit den Evangelischen Allianzen vor Ort gestartet, erklärt der IGW-Leiter. „Das hat mit unserem Aus- und Weiterbildungskonzept zu tun, das zwingend in Partnerschaft mit lokalen Kirchen, Werken und sozialen Institutionen stattfindet.“
Eigene Dozenten hat das IGW nicht. Stattdessen werden die meisten Module von Theologen nahe liegender Hochschulen oder von qualifizierten Leitern unterrichtet. Girgis: „Wir wollen einen wichtigen Teil dazu beitragen, dass Leiter und Leiterinnen für die Zukunft der Kirche ausgebildet werden. Wir sind uns aber bewusst, dass wir es nicht allein schaffen. Wir brauchen einander. Nur gemeinsam werden wir diesem Auftrag gerecht werden.“
Das Institut für gemeindeorientierte Weiterbildung (IGW)
versteht sich als dezentrale theologische Aus- und Weiterbildungsstätte. Neben Bachelor- und Masterstudiengängen werden auch einjährige Kurzprogramme und einzelne Themenreihen angeboten. Derzeit studieren dort 450 Männer und Frauen.
IGW Deutschland e. V. | Liebigstraße 7 | 45145 Essen igw.edu | 0201 74603918 | de@igw.edu
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