Kommentar
Die Pfingstbewegung: Anlass zur Sorge?
08.08.2021
Der katholische Erzbischof Ludwig Schick (Bamberg) hatte sich unlängst bei einer internationalen Tagung kritisch über die „Vermischung von Politik und Religion“ in manchen evangelikalen und pfingstkirchlichen Gemeinschaften geäußert. Schick sagte, die „politischen Bestrebungen, die sich in den vergangenen Jahren nicht nur vereinzelt gezeigt haben, sind für uns Anlass zur Sorge“, wie es in einer Pressemitteilung der (katholischen) Deutschen Bischofskonferenz hieß. Die Evangelische Nachrichtenagentur IDEA bat daraufhin den Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP) um eine Einschätzung. Hier die Stellungnahme von Frank Uphoff (Velbert). Er ist BFP-Vizepräses.
Wir begrüßen, dass sich internationale Forschung mit der Entwicklung der weltweiten Pfingstbewegung auseinandersetzt, sowohl positiv als auch kritisch. Das weltweite Wachstum der pentekostalen Bewegung löst auf der einen Seite Erstaunen, auf der anderen Seite auch Besorgnis aus. Dankbar sind wir, dass man sich von katholischer Seite nach eigenen Angaben seit mehreren Jahrzehnten mit dem Pentekostalismus auseinandersetzt und auch für etablierte Dialoge. Auch Papst Franziskus hat hier Signale gesetzt.
Obwohl der Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP) nicht repräsentativ für die weltweite Pfingstbewegung steht, wird er als größte deutsche pfingstliche Gemeindebewegung oft als Ansprechpartner gesehen. Selbstreflektierend merken wir an, dass wir uns als Pfingstbewegung, die im deutschen und europäischen Raum im Vergleich zur weltweiten Pfingstfamilie zahlenmäßig eher klein ist, in gewissen Fragen deutlicher positionieren müssen, um wahrgenommen und auch ernst genommen zu werden. Dies gilt auch für Entwicklungen in anderen Ländern, die auch wir zurückhaltend oder mit Sorge betrachten. Hier ist auch eine sorgfältige Differenzierung zu den neo-pentekostalen Bewegungen nötig.
Wir bedauern andererseits, dass die Deutsche Bischofskonferenz die Aussagen des Erzbischofs zentral präsentiert, ohne dass auf der Tagung eine ausreichende Würdigung aus europäischer bzw. deutscher pfingstkirchlicher Sicht geschehen konnte. Hier ist beispielhaft zu nennen, dass „die politischen Bestrebungen (des pfingstkirchlichen Christentums), die sich in den vergangenen Jahren nicht nur vereinzelt gezeigt haben, für uns Anlass zur Sorge sind“, so der Erzbischof.
Neben dem amerikanischen pfingstkirchlichen Referenten ist uns nicht bekannt, dass europäische Vertreter der Pfingstbewegung auf der Fachtagung vertreten oder als Teilnehmer waren, obwohl man sich bewusst war, dass die Situation in Europa eine andere ist. Auch das veranstaltende Institut konnte uns auf Nachfragen keine benennen. Das ist wirklich schade. Ebenso wurden Sichtweisen anderer Referenten in der Presseerklärung nicht wiedergegeben.
So wird zwar am Rande ausgedrückt, dass im „Politischen Pentekostalismus“ Europa eine Ausnahme zu bilden scheint. Jedoch verfestigt sich beim Lesen der Pressemeldung selbst der Eindruck, dass Pfingstler allgemein weltweit politische Ansprüche hegen und entscheidenden Einfluss nehmen wollen – und deswegen zu verdächtigen wären und vor ihnen zu warnen sei. Hier wünschen wir uns eine deutlichere Differenzierung.
Politische Relevanz oder Einflussnahme der Kirchen per se als bedenklich einzustufen, halten wir für falsch. Kirche ist durchaus gefordert, Salz und Licht in der Gesellschaft zu sein. Natürlich gibt es hier Grenzüberschreitungen, diese sind aber nicht nur im Pentekostalismus zu finden. Anzumerken ist dazu, dass diese – je nach Sichtweise – in beinahe jeder Religion und Kirche zu finden sind. Ebenso ist die in Deutschland übliche und bewährte Trennung von Kirche und Staat nicht weltweit etabliert.
Ja, als BFP nehmen wir Verantwortung wahr, wo wir gefordert sind. Ja, wir unterstützen unsere Regierung und beten für sie, besonders in Zeiten wie diesen. Ja, wir halten Entfremdung und Infragestellung von christlichen Grundwerten für bedenklich und gesellschaftsgefährdend. Ja, wir engagieren uns sozial und gesellschaftspolitisch, vor allem durch unsere Gemeinden vor Ort.
Unser prägender Herzschlag ist, dass Menschen in eine lebensbedeutsame, persönliche Beziehung zu Jesus Christus kommen und gesunde christliche Gemeinden nach neutestamentlichem Vorbild gebaut werden.
Wir distanzieren uns als BFP von jeglichem Gedankengut, das einseitige, extreme politische Positionen propagiert. Ebenso wenig fordern wir zur Wahl bestimmter Parteien auf oder fördern die Durchsetzung parteipolitischer Programme. Wir stehen für eine Trennung von Kirche und Staat.
Wir schätzen es außerdem, wenn im gut funktionierenden ökumenischen Dialog wie beispielsweise in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland, in der wir Gastmitglied sind, nicht über-, sondern miteinander geredet wird. Ein weiteres Beispiel für den funktionierenden Dialog wäre die EKD, die derzeit an einer Handreichung über die Pfingstkirchen arbeitet und uns um Stellungnahme gebeten hat, auch im Rahmen einer Fachtagung im kommenden Monat.
(Der Autor, Frank Uphoff (Velbert), ist Vizepräses des Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP), Delegierter des BFP in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) und Vorstandsmitglied der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF).)
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