Bericht
Deutsche Kirchen im Heiligen Land
26.10.2023
Vor 125 Jahren besuchte der deutsche Kaiser Wilhelm II. (1859–1941) Jerusalem und war auch bei der Einweihung der evangelischen Erlöserkirche dabei. Bis heute werden dort deutschsprachige Gottesdienste gefeiert. Ein Bericht von IDEA-Redakteur Daniel Scholaster
Der letzte deutsche Kaiser war bekannt für seine vielen Reisen. Eine davon führte ihn im Oktober und November 1898 ins Heilige Land. Sie hatte mehrere Gründe.
Zum einen wollte der Monarch damit die Beziehungen zum osmanischen Sultan Abdülhamid II. (1842–1918) stärken. Das Osmanische Reich war einer der wichtigsten Handelspartner Deutschlands. Außerdem wandelte Wilhelm II. in den Fußstapfen seines verstorbenen Vaters, der 1869 eine ähnliche Reise angetreten hatte.
Zudem kamen auch religiöse Motive hinzu, da sich Wilhelm II. als Schutzherr der deutschen Christen im Heiligen Land betrachtete. Überall empfingen ihn begeisterte Passanten, deutsche Siedler und Würdenträger verschiedener Religionen.
Der Sultan ließ sich den Besuch des Kaisers einiges kosten. Damit Wilhelm II. hoch zu Ross in die Stadt einreiten konnte, dirigierten die Türken ihn und seine Entourage durch eine Lücke in der Stadtmauer. Zudem vermuten Historiker, dass der Sultan dadurch verhindern wollte, dass ein fremder Herrscher wie ein Eroberer durch das nahe gelegene Jaffa-Tor nach Jerusalem einzog.
Begegnung mit Theodor Herzl
Während seiner Orientreise traf der Kaiser auch zweimal auf Theodor Herzl (1860–1904), den Begründer des Zionismus. Herzl versuchte, Wilhelm II. für die Errichtung eines autonomen jüdischen Staates in Palästina zu gewinnen – allerdings mit nur mäßigem Erfolg. Der Kaiser sprach mit Abdülhamid zwar über mögliche Sonderrechte für Herzls geplante „Kolonisationsgesellschaft“, doch nachdem der Sultan ausweichend reagiert hatte, ließ er es auch dabei bewenden.
Im damaligen Deutschen Reich standen Juden zwar viele Möglichkeiten offen, und Wilhelm II. unterhielt selbst gute Beziehungen zu einigen prominenten jüdischstämmigen Persönlichkeiten wie dem Hamburger Reeder Albert Ballin (1857–1918) und dem Industriellen Walther Rathenau (1867–1922). Aber das gute Einvernehmen mit dem Sultan wollte der Kaiser dafür nicht aufs Spiel setzen.
Eine fromme Kaiserin
Begleitet wurde Wilhelm II. von seiner Gemahlin, der Kaiserin Auguste Viktoria (1858–1921). Sie war eine tiefgläubige Frau und stand den konservativen Theologen innerhalb der evangelischen Kirche nahe.
In Deutschland setzte sie sich als Schirmherrin des Evangelischen Kirchenbauvereins dafür ein, dass gerade in den aufstrebenden Industriemetropolen mehr Gotteshäuser gebaut wurden. Rund 100 neue Kirchen entstanden auf Initiative des Vereins, davon allein 38 in Berlin. Im Volksmund wurde sie deshalb „Kirchenjuste“ genannt.
Ihr ist es zu verdanken, dass die evangelische Kirchengemeinde in Bethlehem vom Sultan die Genehmigung erhielt, die im Sommer 1898 fertiggestellte Weihnachtskirche zu bauen. Auch die Gründung des Auguste-Viktoria-Hospitals in Jerusalem, das heute vom Lutherischen Weltbund betrieben wird, geht auf den Besuch des Kaiserpaares im Herbst 1898 zurück.
Die Gründung der Dormitio-Abtei
Aus Anlass seines Besuches erhielt der Kaiser zudem vom Sultan ein Stück Land auf dem Berg Zion als Geschenk, wo der christlichen Überlieferung nach die Mutter Jesu entschlafen ist. Wilhelm II. übereignete das Grundstück den deutschen Benediktinern, die dort in den nächsten Jahren eine Kirche und ein Kloster errichteten, woraus sich die heutige Dormitio-Abtei entwickelte.
Obwohl sich der Kaiser ganz bewusst als evangelischer Christ verstand, war er stärker als seine Vorgänger auf dem Thron bemüht, die Katholiken, die immerhin etwa ein Drittel der damaligen Bevölkerung stellten, für das protestantisch dominierte Kaiserreich zu gewinnen. Dieses Geschenk war dafür hervorragend geeignet, hatte sich die römisch-katholische Kirche doch schon lange um den Erwerb des Geländes bemüht. Papst Leo XIII. (1810–1903) sprach Wilhelm II. später persönlich seinen Dank aus.
Eine deutsche Gemeinde in Jerusalem
Der Höhepunkt der kaiserlichen Reise war jedoch die feierliche Einweihung der evangelischen Erlöserkirche, die sich nahe der Grabeskirche erhebt und harmonisch in die umgebenden Bauten einfügt. Sie war auf Anordnung Wilhelms II. ab 1893 auf den Überresten einer früheren Kreuzfahrerkirche errichtet worden und wurde am Reformationstag des Jahres 1898 im Beisein des Kaiserpaares eingeweiht.
Während des Gottesdienstes hielt Wilhelm II. eine Ansprache, in der er zum Festhalten am evangelischen Bekenntnis aufrief. Die „welterneuernde Kraft“ des von Jerusalem ausgegangenen Evangeliums verheiße, dass bei „treuem Festhalten an der reinen Lehre des Evangeliums selbst die Pforten der Hölle unsere teure evangelische Kirche nicht überwältigen sollen“.
Das haben sie auch nicht: Bis heute gehört die Erlöserkirche zur Evangelischen Jerusalem-Stiftung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Und sie wird auch von lutherischen Christen englischer und arabischer Sprache genutzt.
125 Jahre Erlöserkirche: Feierlichkeiten abgesagt
Aufgrund des Terrorangriffs der Hamas am 7. Oktober hat die Erlöserkirche alle Feierlichkeiten zum 125-jährigen Jubiläum abgesagt. Das teilte der evangelische Propst in Jerusalem, Joachim Lenz, IDEA mit. „Wir können nicht fröhlich feiern, wenn nebenan Menschen leiden und sterben.“
Inzwischen seien ohnehin kaum noch mögliche Festgäste im Land. Diejenigen, die sich noch in Israel aufhielten, blieben aus Sicherheitsgründen lieber daheim. Manches ließe sich vielleicht 2024 nachholen, doch „derzeit haben wir andere Probleme“.
Zwei Pfarrerinnen sind nach Deutschland ausgereist, aber weiterhin erreichbar. Propst Lenz ist vor Ort. Gottesdienste finden weiterhin jeden Sonntag um 10.30 Uhr in der Erlöserkirche statt. Zudem werden täglich um 12 Uhr und 18 Uhr Friedensgebete angeboten, dazu kommen auch digitale Angebote an drei Abenden pro Woche, an denen Menschen von daheim aus teilnehmen können. Außerhalb der Veranstaltungen bleibt sie jedoch vorerst geschlossen.
Wenn die Sicherheitslage es zulässt, soll die Kirche wieder geöffnet werden. Das gilt auch für die Himmelfahrtkirche auf dem Ölberg, die Propstei, das Lutherische Gästehaus und das Johanniter-Hospiz.
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