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Bericht

„Ich bin frömmer geworden“

12.08.2022

Bischof Huber 2007 beim von IDEA veranstalteten Kongress Christlicher Führungskräfte. Foto: IDEA/ kairospress
Bischof Huber 2007 beim von IDEA veranstalteten Kongress Christlicher Führungskräfte. Foto: IDEA/ kairospress

Zum 80. Geburtstag eines ungewöhnlichen Bischofs ein Beitrag von Helmut Matthies

An welche der über 200 Bischöfe, Kirchenpräsidenten oder Präsides der 20 Mitgliedskirchen der EKD seit ihrer Gründung 1945 wird man sich heute noch erinnern? Vermutlich nur an die wenigen, die für Überraschungen sorgten. Dazu gehört Wolfgang Huber, der am 12. August 80 Jahre alt wird. 1942 ist er in Straßburg geboren, wo sein Vater als Hitlers „Kronjurist“ an der (deutschen) Reichsuniversität lehrte.

Wie viele Kinder, deren Eltern einst hohe Positionen im Nationalsozialismus innehatten, zählt sich auch der junge Huber zur linken Friedensbewegung. Zunächst wirkt er von 1980 bis 1994 als Theologieprofessor in Marburg und dann in Heidelberg, ist ehrenamtlich als Kirchentagspräsident tätig. 1987 begibt er sich politisch ins Abseits mit prokommunistischen Thesen zur Sowjetunion. 1993 verzichtet Huber auf eine Bundestagskandidatur für die SPD und wird zum Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg gewählt (seit 2004 auch der schlesischen Oberlausitz). Für die „Welt am Sonntag“ eine „Wende nach links“.

Die wohl produktivste Ära der EKD

Schon bald wird er als aussichtsreichster Kandidat für den Vorsitz des Rates (der Leitung) der EKD gehandelt. Doch Hubers Bewerbungsrede bei der EKD-Synode 1997 in Wetzlar ist vermutlich zu genial, zu brillant, ja irgendwie übermenschlich gewesen. Denn wider Erwarten kommt der rheinische Präses Manfred Kock zum Zug. Huber hat Tränen in den Augen. Manchmal braucht es offensichtlich Niederlagen. Denn Beobachter meinen, Huber sei danach nahbarer und demütiger geworden.

Bei der nächsten Ratswahl – 2003 – schafft er problemlos den Sprung ins höchste Amt des Protestantismus. Nun bricht die wohl produktivste Ära der letzten Jahrzehnte für die EKD an. Huber – unterstützt von seiner Ehefrau Kara – beginnt seinen Reformprozess „Kirche der Freiheit“. Ziele werden gesetzt: So soll u. a. der durchschnittliche Gottesdienstbesuch bis 2030 von 4 auf 10 % (2021: 3,6 %) steigen. Politisch dunkelt Huber nach. Enttäuscht von seinen ehemaligen SPD-Genossen in Berlin und Brandenburg, die den von ihm angestrebten Religionsunterricht verhinderten, rückt er in die Mitte.

Er übt Selbstkritik. So räumt er ein, an der Anpassung der Kirche an den Zeitgeist mitbeteiligt gewesen zu sein, habe sie doch dazu geführt, dass sie immer mehr verweltlichte. Während Bischofskollegen in Grußworten zum Ramadan den Eindruck erwecken, als glaubten Christen und Muslime an denselben Gott, ist es für Huber notwendig, auch Moslems „Christus als Heil zu verkündigen“. Er warnt vor einer „multireligiösen Schummelei“ und einer „Islamisierung Europas“. Häufig betont er: „Nichts ist dringlicher als Mission.“

Einen prominenten Evangelikalen – Ulrich Parzany – lädt er ein, in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin zu evangelisieren (3 Jahre lang). Huber setzt sich für die Großevangelisation „Pro Christ“ wie für das „Christival“ ein. Nie zuvor ist das Verhältnis zwischen EKD und Evangelikalen so gut gewesen wie in seiner Amtszeit, die leider 2009 endete, weil die Kirche im Gegensatz zur Politik starre Altersgrenzen vorschreibt.

Aus „Saulus in Heidelberg“ wird „Paulus in Berlin“

Ich konnte mir in den 80er Jahren nicht vorstellen, dass der damals linke und theologisch liberale Huber zu einem der bedeutendsten Ratsvorsitzenden werden würde. In einem Kommentar hieß es: Aus dem „Saulus in Heidelberg“ (wo er als Professor wirkte) ist tatsächlich ein „Paulus in Berlin“ geworden.

Evangelikale beten ja oft, ihre Bischöfe mögen frömmer werden. Bei Huber ist es passiert. Er bekennt in IDEA: „Ich bin frömmer geworden. Die Frömmigkeit der Zukunft wird Bibelfrömmigkeit sein.“ Zweimal wird er als Bundespräsident vorgeschlagen. Der Vater dreier Kinder lehnt ab, ist stattdessen in zahlreichen Ehrenämtern aktiv. Eines seiner letzten, sehr lesenswerten Bücher ist programmatisch: „Dietrich Bonhoeffer: Auf dem Weg zur Freiheit“.

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