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Glaube

Christustag in Bayern: Jesus ist die Mitte

03.10.2024

Pfarrer Ulrich Parzany. Foto: Zimpfer Photography
Pfarrer Ulrich Parzany. Foto: Zimpfer Photography

Unter dem Motto „Jesus Christus – Mitte der Gemeinde“ fand der Christustag in Bayern am Tag der Deutschen Einheit (3. Oktober) an sieben Orten statt. Er wurde vom Arbeitskreis Bekennender Christen in Bayern (ABC) organisiert. Nach dessen Angaben nahmen insgesamt rund 850 Besucher teil. Der Vorsitzende des theologisch konservativen Netzwerks Bibel und Bekenntnis, Pfarrer Ulrich Parzany (Kassel), warnte in Lichtenfels (Oberfranken) davor, dass die „Jesus-Vergessenheit“ und „Jesus-Verdrängung“ wie „eine tödliche Seuche“ in der evangelischen Kirche wirkten.

Da sich deren Pfarrer heute nicht mehr über die zentrale Rolle Jesu Christi einig seien, suchten sie einen anderen gemeinsamen Nenner. Für manche sei das die diakonische Arbeit. „Diakonie ist zweifelsohne eine wichtige Aufgabe der christlichen Gemeinde. Aber wir erleben heute, dass sie zu Streit und Spaltungen führt, weil es meist auch um politische Fragen geht: Gibt es ein Recht auf Abtreibung? Gibt es ein Recht auf Hilfe zur Selbsttötung?“

Da die Diakonie zum großen Teil mit Steuergeldern betrieben werde, nehme auch der Staat Einfluss. Doch wer dessen Gelder benötige, werde sich etwa in Genderfragen nicht gegen staatliche Vorgaben stellen. Das fange mit Stellenausschreibungen an, die nach „männlich“, „weiblich“ und „divers“ fragten.

Er habe in diesem Zusammenhang kein kritisches Wort der evangelischen Kirchen und Diakonie zum sogenannten Selbstbestimmungsgesetz gehört. „Das überlassen wir der Alt-Feministin Alice Schwarzer und den Saunabesitzern.“ Zum Hintergrund: Das im April vom Bundestag verabschiedete Gesetz ermöglicht es, jährlich Geschlechtseinträge und Vornamen per Erklärung gegenüber dem Standesamt zu ändern.

Parzany betonte außerdem, dass die Gemeinde nur dort gebaut werden könne, wo Jesus Christus das Fundament sei. „Und zwar der Jesus Christus, den uns die Bibel bezeugt. Nicht ein Jesus frei nach unseren Wünschen und Vorstellungen.“

Scheufler: Gott lässt nicht zu, dass sein Wort ruiniert wird

Der Leiter des Evangelisationsteams (Königshain bei Chemnitz), Lutz Scheufler, sagte in Berg (Oberfranken), dass Gott niemals zulasse, „dass sein Wort ruiniert wird“. Als er noch Jugendevangelist der sächsischen Landeskirche gewesen sei, habe er einmal einem Oberlandeskirchenrat eine Wette vorgeschlagen: „Wenn du mir eine einzige Gemeinde nennst, in der über Jahrzehnte historisch-kritisch gepredigt wurde – und die nicht kleiner wurde – dann werde ich das nicht mehr kritisieren und meinen Mund halten.“ Der Oberlandeskirchenrat sei nun schon lange im Ruhestand, doch habe er bis heute keine Antwort erhalten.

Scheufler wandte sich zudem gegen die Vorstellung, dass die Zeit der Evangelisationsveranstaltungen vorbei sei und es nur noch auf Glaubenskurse und die persönliche Vermittlung des Evangeliums ankomme. „Wenn die Gemeinde die Menschen zu Christus rufen will, braucht sie Vielfalt.“ Dazu gehörten sowohl Glaubenskurse als auch die persönliche und öffentliche Evangelisation.

Eckstein: Christus ist die Hauptsache

Der Theologieprofessor Hans-Joachim Eckstein (Dettenhausen bei Tübingen) warb in Hersbruck (Mittelfranken) dafür, sich auf Christus als Mitte und „Hauptsache“ zu konzentrieren. Während Christen heute oft versucht seien, „in großen Irritationen und Notsituationen des Glaubens die Anstöße zu beseitigen und im Interesse einer wachsenden Kirche das Bekenntnis auf das leicht Vermittelbare zu reduzieren“, hätten die Verfasser des Neuen Testaments genau gegenteilig auf Krisen reagiert.

Je größer die Not gewesen sei, unter der die Gemeinde gelitten habe, desto ausdrücklicher hätten sie das Christusbekenntnis entfaltet. Der Theologe warnte ferner davor, angesichts der schwerwiegenden neuzeitlichen Herausforderungen, denen sich die Kirche mit der Säkularisierung, der Individualisierung und dem vorherrschenden Pluralismus heute stellen müsse, die Verhältnisse der Urgemeinde zu idealisieren und ihr Leiden an der Wirklichkeit zu verharmlosen.

In Wahrheit aber litten die frühen Christen in ihrer Minderheiten- und Verfolgungssituation unter Verhältnissen, von denen wir – Gott sei Dank – heute noch Welten entfernt sind. Die äußeren Verhältnisse der Anfangszeit der Kirche und der Entstehungszeit des Neuen Testaments waren noch ungleich schwieriger als die unseren, so enttäuscht und frustriert wir persönlich heute auch sein mögen.“

Die neutestamentlichen Briefe seien nicht etwa in einer heilen und romantischen Gemeindesituation entstanden, sondern im Gegenteil den tiefen Erschütterungen, Auseinandersetzungen und Leiderfahrungen der frühen Christen verpflichtet.

„Auch sie zweifelten schon angesichts ihrer Wirklichkeitserfahrung an der Realität der Verheißung und an dem Wahrheitsanspruch ihres Bekenntnisses. Sie drohten in kleine Gruppierungen auseinander zu brechen und litten unter den andauernden Konfrontationen um ihres Glaubens willen.“

Das Bekenntnis zu Jesus Christus habe jedoch bei aller Verschiedenheit und in allen Trennungen der Christenheit „die entscheidende Orientierung und Zielvorgabe für jeden Neuanfang und jedes Wachstum“ geboten.

Prof. Hans-Joachim Eckstein sprach beim Christustag in Hersbruck. Foto: privat

Die Kirche ist kein Dienstleistungsunternehmen

Pfarrer Rolf Sons (Flein bei Heilbronn) wies in Lohr am Main (Unterfranken) die Vorstellung zurück, dass die Kirche eine Art „Dienstleistungsunternehmen“ sei. Ihre Aufgabe bestehe darin, unverrückt bei der Wahrheit des Evangeliums zu bleiben. „Diese Wahrheit hat sie zu hüten und nach außen zu profilieren. Ein falscher Weg ist es, diese Wahrheit billig zu machen.“

Als Beispiel benannte Sons die kürzlich in Stuttgart eröffneten kirchlichen Service-Agenturen, die die Teilnahme an Ritualen vermitteln. Die Aktion sei von der Hoffnung beseelt, auf diese Weise Fernstehende zu erreichen, so Sons weiter. „Man darf dem möglicherweise sogar ein missionarisches Interesse unterstellen. Und doch entsteht hier der Eindruck, dass der Glaube an Christus zur Schleuderware wird.“

Es werde ein Glaube vorausgesetzt, der ohne Gemeinde auskomme, eine Taufe ohne Nachfolge, die kirchliche Trauung als Privatereignis inszeniert und die Bestattung als Dienstleistung verstanden. Statt sich auf missionarische Aktionen zu besinnen, die zur Umkehr einlüden, werde die Kirche dadurch zum Dienstleistungsunternehmen. „Kirchlichkeit und Gläubigkeit ohne Gemeinde, Gnade ohne Nachfolge.“

Laut Sons ist es dagegen gerade heute wichtig, das zu kultivieren, was die Kirche unverwechselbar und erkennbar macht: die Orientierung an der Bibel, der Glaube an Gott und Jesus Christus, eine unterstützende Gemeinschaft sowie die Kraft des Gebets.

Der Glaube wird bleiben

Die Studienleiterin im Albrecht-Bengel-Haus, Pfarrerin Maike Sachs (St. Johann/Schwäbische Alb), erklärte in Lohr am Main (Unterfranken), dass der Glaube an Christus „nicht aufhören“ werde. Auch nicht in Deutschland. „Die Formen werden sich ändern. Menschen werden sich verabschieden, aber Neues wird dazukommen.“

Der Rückzug der Kirchen aus der Fläche stimme zwar traurig. „Wer wollte nicht aus dem Vollen schöpfen, in einem überfüllten Gotteshaus mit Mühe nur einen Platz finden! Wer wollte nicht mit Fragen über seinen Glauben bestürmt werden, die Sehnsucht nach Gott an allen Ecken und Enden spüren. Aber irgendwie ist die Luft raus. Der Geist der Erweckung weht anderswo.“

In dieser Situation sei es an der Zeit, wieder an Tiefgang zu gewinnen und die Gemeinschaft mit Christus ganz neu zu suchen. Genau das passiere in Deutschland bereits „über alle Konfessionsgrenzen hinweg“. Christen wendeten sich ihrem Herrn zu, indem sie das Gebet neu entdeckten.

„Das alles geschieht schon, nicht weil es vom Lehrstuhl einer theologischen Fakultät verkündet wird, sondern weil Gottes Geist die Menschen in seine Gegenwart lockt. Hier geschieht etwas Geheimnisvolles, etwas, das mich hoffen lässt.“

Die Organisatoren des Christustags in Lohr am Main (v.l.n.r.): Dekan Till Roth, Pfarrerin Maike Sachs, Stefan und Anke Schroth und Pfarrer Rolf Sons. Foto: privat

Schönheit: Die Kirche muss zu ihrem Markenkern zurückkehren

Der Vorsitzende der Geistlichen Gemeinde-Erneuerung in der Evangelischen Kirche (GGE), Pfarrer Swen Schönheit (Berlin), erklärte in München, dass die Kirche in dem Maß eine Zukunft habe, wie sie zu ihrem „Markenkern“ zurückkehre. Dabei handle es sich um die Person Jesu. „Die Kirche beraubt sich selbst ihrer Kraft, wenn sie das Kreuz entleert oder die Auferstehung Jesu leugnet.“

Außerdem solle sie nicht länger „einen Bogen um den Heiligen Geist machen oder ihn in seinem Wirken begrenzen“. Es komme darüber hinaus darauf an, dem Evangelium treu zu bleiben und zugleich flexibel für verschiedene Ausdrucksformen des Gemeindelebens zu sein. Schönheit empfahl ferner, sich von der Fixierung auf das Pfarramt zu lösen. Es gelte, die Augen offen zu halten, um diejenigen zu finden, mit denen Jesus seine Gemeinde bauen wolle.

ABC: Christus zu den Menschen bringen

Der ABC als Veranstalter des Christustags ließ an den sieben Orten eine Erklärung im Vorfeld der anstehenden Kirchenvorstandswahlen im Oktober vorstellen. Darin heißt es, dass die Kirche und die Gemeinden Kraft nur in der Bindung an Jesus Christus finden könnten.

Das müsse auch im konkreten Alltag der Gemeinden deutlich werden. Angesichts der großen strukturellen Veränderungen in der Kirche fordern die Autoren alle Entscheidungsträger auf, zu prüfen, ob ihre Maßnahmen dem Ziel dienen, Christus zu den Menschen zu bringen. „Ansonsten weicht die Kirche von ihrem Kernauftrag ab und verfolgt eine weltanschauliche oder politische Agenda.“

Der Christustag in Bayern wird seit 2012 vom ABC in Zusammenarbeit mit weiteren Gemeinschaften organisiert. Im ABC sind Verantwortliche aus rund 20 kirchlichen Gemeinschaften, Verbänden und Werken zusammengeschlossen. Sie vertreten nach eigenen Angaben bekenntnislutherische, bruderschaftlich-kommunitäre, charismatische, hochkirchliche und pietistische Prägungen innerhalb der Landeskirche. Vorsitzender ist Dekan Till Roth (Lohr).

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